• Sonnenblumen

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Ava erwachte am Morgen des vierten Januars mit dem selben Lächeln, mit dem sie am Abend zuvor eingeschlafen war. Sie hielt die Karte, die gestern in den Blumen gesteckt hatte, fest in ihrer Hand und kaum öffnete sie ihre Augen, da las sie die Worte, die dort geschrieben standen, erneut.

Erst einmal, dann zwei Mal und beim dritten Mal, war das Lächeln auf ihren Lippen noch größer als wenige Augenblicke zuvor. Die unangenehme Stimme in ihrem Kopf meldete sich, doch Ava achtete nicht auf sie, denn viel mehr fürchtete sie sich davor, dass ihr Herz jeden Augenblick aus ihrer Brust herausspringen könnte. Es klopfte fürchterlich wild in ihrem Brustkorb und wann immer sie die vielen Blumen und die Karten sah, da klopfte es noch etwas schneller.

Ava verbrachte den ganzen Vormittag in ihrem Bett, sie sah sich die Karten durch, die sie alle auf ihren Nachttisch gelegt hatte und betrachtete von ihrem Bett aus die Blumen, die sie durch die geöffnete Türe in ihrer Küche sehen konnte. Die Lilien ließen langsam den Kopf hängen, doch die gelben Tulpen, die sie erst gestern bekommen hatte, waren ein bunter Farbklecks in ihrer Küche und sahen noch genauso schön aus, wie sie es gestern getan hatten. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie ihren Blick über die Blumen wandern ließ und schließlich kroch sie gegen Mittag gut gelaunt aus ihrem Bett. Sie schlüpfte in ihren Lieblingspulli und verputzte ein Stück des Kuchens, das von gestern noch übriggeblieben war.

Sie saß auf dem blauen Sofa, verfolgte eine Serie, die über ihren Fernseher flackerte und balancierte den Teller dabei auf ihren Beinen. Genüsslich schlürfte sie eine Tasse Tee und als die Serie vorbei war, zog ein alter Liebesfilm, den Ava noch nicht kannte, über den Fernseher. Gespannt lehnte sie sich zurück, sie kuschelte sich unter die graue Wolldecke und so verbrachte sie den Nachmittag. Sie verschlang ein weiteres Kuchenstück und erwischte sich dabei, wie ihre Gedanken immer wieder zu ihm wanderten. Auch das Gespräch, das sie mit Em geführt hatte, kreiste durch ihren Kopf.

„Ist das wirklich wahr?", hatte Em gefragt, als sie einen Blick auf die Karte erhascht hatte. Sie hatte Ava ungläubig angesehen und mit einem Lächeln auf den Lippen hatte Ava genickt. Sie hatte versucht Ems Blick auszuweichen, doch ihre Freundin hatte das Lächeln auf ihren Lippen längst bemerkt und Ava sanft angestupst. „Das ist ja wie in einem Liebesfilm, Ava!" Ems Stimme hatte laut in Avas Wohnzimmer widergehallt und über Avas Lippen war ein leises Lachen gekommen.

Em hatte sich die Karten durchgesehen und dabei war ihr Blick immer wieder zu Ava gewandert. Em hatte gelächelt und Avas Wangen hatten eine sanfte Röte angenommen. „Und was passiert jetzt?" Neugierig hatte Em sich vorgebeugt und ihre Freundin aufmerksam gemustert. Avas Finger hatten sich fest um die Porzellantasse in ihren Händen geschlungen, während sie Em eine Weile lang stumm angesehen hatte. Schließlich war es die Braunhaarige gewesen, die die Stille im Wohnzimmer gebrochen hatte. „Ich glaube du weißt ganz genau, was du jetzt tun sollst." Ihre Hand hatte leicht über Avas Arm gestrichen. „Du hast lange genug auf eine Erklärung gewartet und nun ist sie da." Einige Minuten waren verstrichen, in denen Ava ihre Freundin einfach nur stumm betrachtet hatte, doch schließlich hatte sie genickt.

„Wenn du ihn noch immer liebst, dann ist das deine Chance, Ava." Em hatte sanft gelächelt und Ava hatte ihren Blick verlegen abgewandt. „Es ist meine Chance", hatte sie dann leise gemurmelt und Em hatte nur zustimmend genickt.

Und sie hatte Recht damit. Das war ihre Chance. Eine Chance für einen Neuanfang.

Als das vertraute Geräusch im Treppenhaus erklang, stand Ava bereits im Flur. Vor lauter Aufregung kribbelte es in ihrem Bauch, doch als sie die Türe aufriss, da war er längst verschwunden. Sie sah gerade noch, wie ein schwarzer Schatten die Treppe hinabflitzte. Ein enttäuschtes Seufzen kam über ihre Lippen, dann schnappte sie sich die Sonnenblumen, die an diesem Tag vor ihrer Tür lagen und dieses Mal wartete sie nicht darauf, bis sie in der Wohnung war. Sie löste die Karte vom Blumenstrauß und dann begann sie zu lesen.

Liebe Ava,

weißt du, was meine Lieblingserinnerung ist? Ich erinnere mich gerne an unseren ersten Kuss zurück. Wenn es nach mir ginge, dann hätten wir uns schon damals, als wir uns das erste Mal gesehen haben, geküsst. Aber dazu warst du noch nicht bereit und ich war fest entschlossen, dir so viel Zeit zu lassen, wie du brauchst. Jedoch kam unser erster Kuss schneller als ich gedacht habe und ich werde ihn niemals mehr vergessen. Deine Lippen haben sich so weich angefühlt und es war der schönste Kuss, denn ich jemals erlebt habe. Ich wollte mich am liebsten nie mehr von deinen Lippen lösen, denn kaum waren deine Lippen von meinen verschwunden, da vermisste ich das Gefühl. Aber dir ging es genauso und wir küssten uns sehr oft. Doch mit jedem Mal wurde es besser und das Küssen wurde niemals langweilig.

Seit ich dich geküsst habe, will ich nie wieder jemand anderen Küssen. Ich vermisse es, dich zu küssen."

•••

Dieses Kapitel widme ich dir Teufelsengel, weil du immer ein offenes Ohr hast und mich in jeder Geschichte begleitest.

[03. Februar 2018]

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