"Du hast es nicht verdient, hier zu sein."
Der Mann sah ihm in die Augen. "Doch", erwiderte er. Der Andere schüttelte den Kopf.
"Du bist ganz allein", sagte er. Das Herz des Mannes wurde schwer. Hatte er recht?
"Du bist ganz allein", wiederholte der Andere. Seine Augen glitzerten traurig. "Es gibt keinen Ort, an den du gehen kannst. Keinen Menschen, dessen Hand du halten kannst. Du fühlst dich nicht nur alleine: Du bist es. Du bist der einsamste Mensch der Welt."
Das Herz des Mannes zog sich zusammen. Seine Schultern wurden schwer.Da war es wieder.
Beim nächsten Blinzeln sah sich der Mann um. Er stand in der Savanne. Er wusste, dass er sich in seinem Unterbewusstsein befand. Der Andere war fort, aber doch hier. Ein warmer Wind seufzte dem Mann entgegen. Er blickte sich um - und entdeckte es. Da war es wieder. Das Raubtier, das Gefühl der Einsamkeit, welches zwischen den Grashalmen seiner anderen Emotionen auf ihn lauerte. Der Mann war sein Opfer; Er war die Gazelle und wurde vom Löwen beobachtet. Verlor der Mann ihn nur einmal aus den Augen, sprang er ihn an. Dann war er dem Monstrum hilflos ausgeliefert.
Das Gefühl der Einsamkeit war unerträglich. Es löste eine Kettenreaktion von Emotionen aus: Zuerst war da eine gähnende Leere: Der Mann fühlte nichts. Überhaupt nichts. Weder Fröhlichkeit, noch Trauer. Danach wandelte sich die Leere in ein schwarzes Loch um, das einen aufsaugte. Es war die Einsamkeit, die er fühlte, begleitet von der Verzweiflung. Manchmal wollte der Mann schreien, aber seine Stimme war tot: Das Raubtier hatte seine rasiermesserscharfen Zähne in seinen Hals gebohrt."Nein", sagte der Mann mit leiser, brüchiger Stimme. Beim nächsten Blinzeln befand er sich wieder vor dem Anderen, der ihn noch immer anstarrte. Der Mann schluckte. Der Andere tat es ihm nach. "Ich bin nicht alleine. Dieses Gefühl ist nicht echt. Es entspricht nicht der Wirklichkeit." Der Mann sah, wie etwas kleines in den Augen des Anderen aufflackerte, doch er wusste nicht, was es war. Er sprach weiter: "Dieses Gefühl der Einsamkeit gibt es nicht. Es ist nur Schein: Es ist ein Wesen, welches ein Bettlaken übergezogen hat und sich als Gespenst ausgibt. Ich bin nicht allein: Jeden Tag denkt jemand an mich. Jeden Tag streife ich über die Gedanken dieser Person. Vielleicht fragt sie sich schon, ob mir nicht die Füsse wehtun, weil ich die ganze Zeit in ihrem Kopf herumwandere. Dieses Gefühl der Einsamkeit versucht mich nur aus der Fassung zu bringen. Es versucht nur, mein Licht in der Dunkelheit zu löschen. Aber das lasse ich nicht zu. Jeder verdient es, hier zu sein."
Die Stimme des Mannes klang entschlossen und sicher. Die Augen des Anderen leuchteten. Nun wusste er, was er in ihnen sah: Es war Hoffnung. "Ich verdiene es, hier zu sein. Mit ihnen."
Er lächelte sein Spiegelbild an. "Mit dir."