Prolog - Erster Teil (Neue Buchversion)

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Adrian

100 Jahre zuvor,

Palast der Dunklen-Fea, nordwestlich vom flüsternden Wald.

Das Schloss erhob sich wie ein mächtiger, scharfkantiger Fels aus der kalten, kargen Wüste, die lediglich unendliche Weiten und Krieg zu kennen schien. Adrian wusste von den Legenden über die Kreaturen, die angeblich dort draußen im ewigen Eis hausten, und er wusste auch, dass jedes grausame Detail davon stimmte. Genauso wie es der Wahrheit entsprach, dass die Königin der Dunklen-Fea, dem Wahnsinn anheimgefallen war. Etwas, womit er selbst nie gerechnet hätte.

Adrian war immer fest davon überzeugt gewesen, seine alte Verbündete Isolde wäre wie er, einer der wenigen Fea, die zu alt schienen, um von dem Irrsinn heimgesucht werden zu können. Er hatte falschgelegen. Einer der wenigen Irrtümer, die er in seiner unendlichen Existenz hatte erfahren müssen, allerdings eine, mit den für ihn größten Konsequenzen. Was auch immer dazu geführt hatte, dass Isolde letztendlich doch den Verstand verloren hatte, es änderte nichts an dem Schicksal, das sie erwartete. Von dem Wahnsinn gab es keine Heilung und er würde nicht den Fehler machen, mit ihr so umzugehen, wie man es auf der anderen Seite des flüsternden Waldes Jahrtausende lang getan hatte. Er würde sie hinrichten und damit ihrem eigenen Leid und dem, was sie verursachte, ein Ende setzen.

„Lord Adrian? Die Generäle sind bereit, sich zu ergeben, wenn ihre Königin zustimmt", meinte Quentin, einer seiner jüngsten, aber besten Generäle. Quentin hatte sich im Krieg mit Isolde mehr als einmal als absolut verlässlich und kompetent herausgestellt und Adrian war niemand, der so etwas nicht zu schätzen wusste.

Doch die Information, die Quentin seinem Herrn und Gebieter überbrachte, war kaum hilfreich. Die Chance, dass sich Isolde ergeben würde, war gleich der Chance, dass einer der drei Monde einmal aus den Himmel fiel. Es würde nicht geschehen.

„Das wird nicht passieren. Kämpft euch bis zu ihren Gemächern hindurch. Wenn die Wachen auch nur ansatzweise einen Überlebenswillen haben, werden sie sich uns ergeben. Isoldes Krieg ist verloren und das wissen sie auch", befahl Adrian und Quentin gehorchte, indem er einigen anderen Soldaten Befehle entgegen brüllte, die sie diszipliniert befolgten, als würde man einer Marionette an den Schnüren ziehen.

Adrian sah sich auf den imposanten Stufen vor dem Schloss um und betrachtete das immer noch vereinzelt herrschende Kampfgetümmel um sich herum.

Einige von Isoldes Soldaten würden eventuell doch bis zu ihrem Tod kämpfen. Aus Treue zu ihrer Königin oder auch aus Furcht vor der Strafe, die sie erwarten würde, wenn sie nicht taten, was Isoldes Generäle ihnen aufgetragen hatten, und Adrian zweifelte nicht daran, dass diese Strafe schlimmer sein würde, als der Tod im Kampf es je sein könnte.

Man konnte Isolde nicht nachsagen, dass sie eine gute oder gar eine gütige Königin gewesen wäre, aber sie war eine, die man gefürchtet und respektiert hatte. Ein solcher Ruf hielt ein Reich wesentlich besser zusammen als Güte.

Adrian hatte ihren Herrschaftsstil immer zu schätzen gewusst. Waren sie sich doch in vielem so unendlich ähnlich gewesen, dass Adrian sogar etwas Ähnliches wie Bedauern empfand, bei dem Gedanken sie richten zu müssen.

In voller Rüstung und entschlossen diesen Krieg, den Isolde gegen ihn begonnen und den er nun zurück in ihr eigenes Reich getragen hatte, zu beenden, folgte er den Soldaten durch die Weiten des Schlosses.

Mit der Gegenwehr, die sich ihnen hier und da noch immer entgegenstellte, versuchte Adrian sich damit nicht allzu lange zu befassen. Er wich den angreifenden Klingen aus, die teilweise nur aus Metall bestanden und nicht aus etwas, dass ihm tatsächlich hätte schaden können und streckte die Angreifer mit einem Geschick und einer Kraft nieder, die er in unzähligen vergangenen Kämpfen erworben hatte. Adrian war niemand, der den Konflikt scheute, ganz im Gegenteil.

Der zweite Weg - LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt