Yassmin
Scharlachrot war schon immer ihre Farbe gewesen, dachte Yassmin bissig, als Flora ihr die weiße Schärpe über das rote Kleid legte, das ihre Anteilnahme an der Trauer der königlichen Familie verdeutlichen sollte. Der König war tot und sollte heute beigesetzt werden, damit traditionell die Krönung seines Sohnes erfolgen konnte.
Wenn das passierte, würde Demir alle Befehlsgewalt haben, die er brauchte, um Yassmin das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Obwohl Yassmin sich weigerte, sich dies ansehen zu lassen, machte es ihr Angst. Sehr sogar und sie wünschte sich, Branmild würde noch leben. Der alte König war immer gut zu ihr gewesen, hatte sie vor den größeren Feindseligkeiten, die der Hof ihr entgegengebrachte, beschützt und ihr Mut zugesprochen. Als Kind hatte sie sich immer gewünscht, einen Vater wie ihn zu haben, und gehofft seinen Wünschen entsprechen zu können. Aber letztendlich war er gestorben.
Der König der Hellen-Fea, ein eigentlich unsterbliches Wesen, war dahin gewelkt an seiner eigenen Machtlosigkeit und wahrscheinlich auch am gebrochenen Herzen, weil seine große Vision vom Frieden zwischen den Fea einfach nicht hatte wahr werden wollen. Er war ein einsamer Träumer gewesen in diesem Land. Zu gutgläubig, um der grausamen Wahrheit ins Gesicht sehen zu können.
Yassmin aber hatte sie gesehen. Mirael hatte sie schon früh darauf vorbereitet, sie zu sehen, und nun würde sie eintreten. Heute würde Branmild zur Ruhe gebettet werden, damit Demir in zwei Tagen gekrönt werden konnte und ein weiteres dunkles Zeitalter würde über das Reich der Hellen-Fea hereinbrechen zu lassen. Und auch über Yassmin selbst.
„Er wird die offizielle Trauerzeit abwarten und die Verlobung dann offiziell beenden. Nur der Himmel weiß, was uns dann erwartet", brummte Mirael leise und spähte durch die dicken Vorhänge des kleinen Anwesens, in dem Yassmin mit ihr, Flora und wenigen anderen Dienern lebte.
Das Gebäude war eigentlich als Gästehaus für hochrangige fremdländische Adlige konzipiert worden, aber Yassmin war immer froh gewesen, nicht direkt im Palast zu leben, wo ihr auf den Gängen der Adel des Reiches zu schaffen machen konnte. Nun aber verdeutlichte dieses Gemäuer nur, wie sehr sie nicht dazu gehörte.
Yassmin hielt den Stoff um ihre Taille fest, während Flora ihn an ihrem Rücken befestigte. Sie konnte regelrecht fühlen, wie ihr Herz immer schwerer wurde. So schwer, dass sie sich vor der heutigen Beisetzung glatt hätte drücken wollen, doch wenn es jemanden gab, dem sie die letzte Ehre erweisen wollte, dann war es dem alten König Branmild.
Ihr einziger Unterstützer, der Mann, zu dem sie aufgesehen hatte. Er war fort. Und mit ihm all ihre kindlichen Träume und das letzte Fünkchen Hoffnung, dass Prinz Demirs Schikanen noch überlebt hatte.
Yassmin war entschlossen, heute alle Grausamkeiten zu ertragen, die ihr während der Beerdigung widerfuhren. Würde sie auch müssen, denn Mirael hatte ihr bereits heute Morgen gesagt, dass sie sich ab jetzt keinen Fehler erlauben dürfte. Jeder kleinste Verdacht, sie könnte der Krone nicht treu sein, könnte Demir oder seine Mutter zum Anlass nehmen, sie hinrichten zu lassen. Und das war noch das gnädigste aller Schicksale, zu denen man sie verdammen konnte. Alle warteten nur darauf, dass sieihren Hass an ihr auslassen konnten
„Flora, du musst zurück in den Palast. Ich bin mir sicher, du würdest anstandslos wieder aufgenommen werden", meinte Yassmin und starrte ihre junge Zofe durch den Spiegel direkt an, vor dem sie stand und sich die rote Seite ihres schmucklosen Kleides glattstrich. Flora war eine reinblütige Helle-Fea, mit heller Haut und flachsblondem, kurzen Haar. Sie würde keine Repressalien zu erwarten haben, genauso wie der Rest von Yassmins Hausstandes.
Yassmin hatte heute Morgen bereits mit Mirael darüber gesprochen, alle aus ihren Diensten zu entlassen. Einerseits weil es ihrer aller Leben gefährden konnte mit Yassmin in Verbindung gebracht zu werden, vor allem aber, weil sie auch eine Gefahr für Yassmin darstellten.
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Der zweite Weg - Leseprobe
FantasySeit Yassmin denken kann, ist sie dem schönen Prinzen der hellen Fea versprochen und wünscht sich nichts sehnlicher, als ihm zu gefallen. Ein Traum der schnell platzt, denn als sie volljährig wird, lehnt Demir seine zukünftige Braut, aufgrund ihrer...