14 | Alte und neue Ängste

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06.01.18/19.01.18

»Hey Enya, sieh dir das mal an«, staunte Aurora und strich sanft über den glatten Stoff in ihrer Hand.
Neugierig hob die Angesprochene ihren Kopf.
»Man, das fühlt sich teuer an«, meinte Enya leicht schmunzelnd und widmete sich wieder dem Kleid vor ihr, welches sie schon die ganze Zeit verträumt anstarrte.
»Du hast Recht. Entschuldigen Sie, mein Herr aber wieviel kostet dieser Umhang?«
Letzteres richtete Aurora an den Verkäufer, der beide schon misstrauisch beäugte, mit dem Gedanken sie würden ihm seine wertvollen Kleider stehlen.
»25 Goldmünzen.«
Enttäuscht sah Aurora auf den roten Umhang und legte ihn missmutig wieder zurück. Das war einfach nicht unsere Welt.
»Komm Enya, lass uns gehen. Wir können uns den Kram eh nicht leisten.«
Abweisend nickte Enya und kratzte sich lippenleckend am Hals.

Auroras Augen weiteten sich. Sie erkannte die Geste, die sie sich damals als geheimes Zeichen ausgemacht hatten.
Dann dachte sie nach. Wenn, dann würde sie Enya nicht alleine mit der Beute gehen lassen.

Sie sah zu dem Umhang. Er lag in Griffnähe.
Laut zog sie die Nase hoch und hustete.

Dann griff sie schnappartig den Umhang und rannte.
Direkt durch die enge Menge, ihrer besten Freundin hinterher, die verstanden hatte.

Der Verkäufer brüllte laut und hysterisch, dass man sie fassen sollte. Selbst aber, bewegte er sich keinen Schritt.
Typischer Adel.
Die beiden huschten flink durch die Menschen, gegen den Strom.
Empörte Laute und Beschwerden waren zu hören.
Sie rannten leicht geduckt, benutzen die Masse als Schutz.
Viele wurden unachtsam weggestoßen und von beleidigenden Fluchen ließen sie sich nicht beirren, hauptsache weg!

»Diebe! Haltet die Diebe!«

Aurora wagte einen kurzen Blick über die Schulter. Die Wachen holten langsam aber sicher ein.
Sie fluchte vor sich hin und analysierte die Umgebung, suchte nach Schlupflöchern. Enya hatte ihr die Entscheidung bereits abgenommen und bog scharf links in eine dunkle Gasse. Aurora hoffte, dass die Menge die beiden so gedeckt hatte, dass sie ungesehen im Schatten untertauchen konnten.
Lautes Gegröle rauschte an der Gasse vorbei. Aurora hielt gespannt die Luft an und entspannte sich erst, als die Lage sich beruhigte.
Für eine Weile hielten sie sich dort versteckt und schwiegen.
Enya stand auf und verließ ihr temporäres Versteck.
Sie kamen an einer weniger belebten Straße wieder raus.
Aurora krallte ihre beste Freundin am Arm und signalisierte ihr mit einem Blick, sich unauffällig zu verhalten.
Die beiden Mädchen atmeten tief durch und zogen sich ihre Kapuzen ins Gesicht, ehe sie ihren Weg ruhig fortsetzten.

»Was sollte das?«, zischte die Blondhaarige nach einer angespannten Stille.
Enya antwortete nicht, ihr Blick zeigte keine Reue.
»Wir sind da raus, okay?! Du hast sicherlich nicht vergessen, dass wir mit sowas abgeschlossen haben, oder?«
Das Feuerhaar-Mädchen knackte genervt ihre Finger.
»Du hast damit abgeschlossen!«
Mit dieser Aussage verschnellerte sie ihren Schritt und ließ Aurora sprachlos zurück.
Sie konnte nicht glauben was ihre beste Freundin gesagt hatte.
Wie konnte das sein?
Enya hatte doch ihre ganze Freizeit mit ihr und Lennox verbracht. Und wenn sie nicht da waren, hatte sie Auroras Mutter geholfen.
Also wann hatte sie Zeit gehabt, Dinge zu stehlen?
Warum hatte sie überhaupt weitergemacht?
Aurora war mehr als nur aufgewühlt. Sie war verwirrt. Auch die Enttäuschung breitete sich in ihrer Brust aus, wie ein unbändiger Sturm.

Eine kalte Hand packte sie am Oberarm und zerrte sie zur Seite. Erschrocken riss Aurora ihren Kopf hoch und blickte direkt in die vertrauten grünen Augen ihrer besten Freundin.
»Pass auf wo du hinläufst«, murmelte diese abwesend und deutete auf die prunkvolle Kutsche, die sich ihren Weg durch die neugierigen Menschlein bahnte.
Tatsächlich hatte Aurora ie aufgescheuchte Menge nicht mitbekommen. Sie war zu sehr in ihre Grübeleien vertieft, dass sie beinahe unter die gefährlichen Hufe der Kutschpferde geraten wäre.
Staunend betrachtete sie die Hinterseite der Kutsche. Sie bestand aus dunklem Holz, welches alleine bereits präsentierte, dass sie wohlhabende Leute beherbergte.
Adelsholz, so nannte man das Holz, welches zu teuer für die niederen Stände war.
Mehr brauchte es nicht, um sich abzuheben und mehr wurde das Gefährt auch nicht geschmückt.
Kein unnötiges Gold, keine dekadenten Dekorationen.
Aurora war beeindruckt. Was es wohl für ein mächtiges Gefühl sein musste, dort drinne zu sitzen und das lumpige Volk zu betrachten, das seinen Aufgaben nachging, wie ein fließendes System.

The Ruler of Magic [abbgebrochen/alte Version]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt