„Du kannst esihr nicht erzählen", vernahm man eine flüsternde Stimme aus derEcke des Cafés. „Ich habe das Gefühl, ich betrüge sie, wenn iches nicht tue.", die andere Stimme klang verzweifelt und war nichtso leise wie die andere. „Greg, wenn du es ihr erzählst, wird dasKonsequenzen haben und das weißt du.". Greg seufzte. „Aber Leo,wenn ich es nicht mache, wird sie es mir nie verzeihen. Sie wird esnicht verstehen.". Nun begann Leo noch leiser zu sprechen, um esfür andere in diesem kleinen Café am Stadtrand Hamburgs, nochschwerer zu machen, ihn zu verstehen. „Du weißt was passierenwird. Du kannst ihr nicht erzählen, was wir gesehen haben. DasRisiko ist zu hoch.". Leos Stimme brach ein wenig, bei dem letztenSatz, was es nur noch interessanter machte. Es schien als säßen diebeiden schon ewig hier. Trotzdem hatte keiner der beiden bis jetztihren Kaffee angerührt. Wahrscheinlich sind diese jetzt ohnehin kaltgeworden.
„Auch wenn iches ihr nicht sage, Leo, wir müssen etwasdagegen tun. Ich kann nicht schlafen. Ich kann nicht essen. Dasverfolgt mich.". Verzweifelt lässt Greg seinen Kopf in die Händesinken. „Glaubst du mich nicht ? Aber im Ernst, was willst du denntun ?". Kopfschüttelnd lässt sich Leo in seinem Sesselzurückfallen, in der letzten Minute scheint er viel blasser gewordenzu sein. Die Schatten unter seinen Augen so dunkel, als fräßen siesich in sein Gesicht. Ich fange an, mich wirklich um die beidenjungen Männer zu sorgen. Kurz überlege ich sogar, meine Hilfeanzubieten, aber dann fällt mir ein, dass ich vielleicht nichtinvolviert werden möchte. „Vielleicht-" Greg schluckt kräftig.Deutlich hört man, dass ihm das, was er sagen wird, nicht leichtfällt. „Vielleicht sollten wir... also zurück.". Leo reagiertmit einem geschockten Gesichtsausdruck und reibt sich die langenHänden. Die beiden scheinen nicht so, als seien sie kriminell. Eherals machten sie lange Touren mit ihren Motorrädern und genössen dasLeben in vollen Zügen. Was kann zwei solch unschuldig aussehendeMänner, so beschäftigen ? „Ich glaube nicht, dass ich das kann."Leo beißt sich auf seine Wangen und starrt auf den Boden. „Ja."
EineWeile sitzen sie einfach nur da und ich beschließe sie vorerst nichtzu stören. Mich ihrem Tisch abwenden, kann ich aber trotzdem nichtganz. Nach ca. zehn Minuten richtet sich Greg ein wenig auf undflüstert die Worte, die Leo wahrscheinlich an diesem Tag amwenigsten hören wollte : „Ich werde zurückfahren. Ich muss ihnenhelfen."
Erneutschluckt Leo einen großen Klos hinunter. „Bist du dir wirklichsicher ?"
Nunfasst Greg noch ein wenig mehr Mut und sagt entschlossener : „Man,wir sind ihre einzige Chance. Das sind Kinder. Wenn wir sie nichtdaraus holen, dann...". Kurz sieht es danach aus, als übergebe sieGreg jeden Moment, doch dann scheint er sich wieder zu fassen. „Ichhalte das nicht länger aus."
SeineHände zu Fäusten geballt steht er auf und geht festen Schrittes aufdie Tür zu. Mein Kopf schnellt nach unten, als ich sehe, dass ersich umsieht. Ich möchte nicht, dass die beiden sich beobachtetfühlen.
Plötzlicherklingt eine kräftige Stimme durch das Café. Erst denke ich, dasses Leo ist.
„Daswillst du nicht tun !" Aber als ich aufblicke erkenne ich denälteren Herrn, der jeden morgen in diesem Café sitzt. Es handeltsich um einen Witwer, der jeden Morgen eine Zimtschnecke und einenschwarzen Kaffee bestellt. Verwirrt schaue ich zurück zu Greg, deraussieht, als bräche er jeden Moment zusammen. „Wie konntest dumir so etwas antun ?"
„Greg,du musstest das sehen, damit -" „Ich musste das sehen !? Ich habeNächte lang nicht geschlafen ! Ich kann das nicht mehr. Ich musswieder hin. Ich... ich muss doch...". Dicke Tränen laufen überseine Wangen und er beginnt in zu schnellen Atemzügen Lufteinzuatmen.
Deralte Mann geht nun mit ernstem Blick auf Greg zu. Erst weicht ereinen Schritt zurück. Doch dann lässt er sich von ihm in den Armnehmen. „Greg, es tut mir leid. Wirklich. Aber du musstest sehen,warum. Bitte hilf mir zu verhindern was dort passiert."
Ichvernehme ein leichtes Nicken von ihm, bevor ein lautes Geräusch ausder Ecke kommt. Hektisch laufe ich zu Leo, der auf dem Boden liegtund sich nicht mehr bewegt. Panisch suche ich nach einem Puls. Ichhöre Greg, der hinter mir, in Schluchzen, den Notruf wählt. Dochbis der Krankenwagen hier ist, ist es zu spät.
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In der Ecke des alten Cafés
Short StoryEine Kellnerin beobachtet ein seltsames Gespräch zwischen zwei jungen Männern.