Kapitel 2

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Als ich am nächsten Morgen aufwache und aus dem Fenster sehe, merke ich, dass die Sonne gerade erst aufgeht. Ich schaue auf die Uhr und bemerke, dass es gerade erst 5:00 Uhr morgens ist. Ich hätte noch eine Stunde schlafen können. Aber immerhin kann ich so ins Bad gehen und duschen, ohne dass eine meiner "netten" Mitbewohnerinnen vor mir im Bad ist. Ich bin mir sicher, dass alle Mädchen in meinem Zimmer dreimal so lange im Bad brauchen wie ich.

Als ich frisch geduscht aus dem Bad komme, ich habe mir extra Zeit gelassen, weil ich sowieso zu früh für's Frühstück bin. Ich ziehe mir eine gemütliche Jogginghose und ein grünes T-Shirt an. Dann gehe ich zur Tür, auf den Flur hinaus.
Um diese Uhrzeit ist hier noch keiner wach und ich muss so leise wie möglich durch den Flur laufen. In diesen Fluren würde man eine Stecknadel, die auf den Boden fällt, bis zu den Zimmern der Betreuer hören. In jedem Haus sind 5 Betreuer, die aufpassen, dass hier nichts aus dem Ruder läuft. Ich schleiche weiter, bis ich ein geöffnetes Fenster sehe. Ich steige auf den Sims und luge über den Rand nach unten in die Tiefe.
Ich müsste ungefähr 40 Meter über dem Boden sein. Das reicht aus, um meine Verwandlungsfähigkeit zu testen. Also springe ich ohne nachzudenken in die Tiefe. Rasend schnell falle ich und komme dem Boden immer näher. 10 Meter über dem Boden verwandle ich mich in meine Eule und fliege wieder in die Höhe. Ich fliege über das Internatsgelände und fliege danach in die Richtung, in der der Wald liegt.
Ich lasse mich auf einem Baum nieder und achte nur auf die Geräusche des Waldes. Ich höre das leise knistern der Blätter und das tapsen von kleinen Füßen, vermutlich eine Maus.
Ich konzentriere mich auf ein anderes Geräusch. Das schlagen von Flügeln, ich vermute, dass es sich um einen Raben handelt. Schön höre ich ein Krächzen, das Geräusch der Flügel wird lauter und ich mache mich wieder auf dem Weg zum Internat.

Wenig später sitze ich am Tisch neben Chloe und erzähle ihr, warum ich gestern zu Mrs. McLaren musste.
Ich hatte mich vor dem Frühstück nochmal umgezogen und trug jetzt eine einfache Jeans mit einem Top.
Gerade erzählte sie mir begeistert von ihren neuen Mitbewohnerinnen, sie hatte mehr Glück bei der Zimmereinteilung als ich.
"Ich muss sie Dir nachher unbedingt vorstellen, Du wirst Dich gut mit ihnen verstehen."
Ich nicke nur lächelnd uns widme mich wieder meinem Frühstück. Ich denke schon seit dem Besuch bei der Schulleitern nur noch darüber nach, warum meine Eltern mir alles beigebracht haben, obwohl sie wissen, dass sonst keiner in meinem Jahrgang vorbereitet wurde.

Im Unterricht sind meine Gedanken ganz woanders. Der Lehrer bemerkt es und stellt mir eine Frage, die ich dennoch beantworten kann. Sein eben noch hämisches Grinsen verschwindet und wird durch einen leicht enttäuschten Blick ersetzt. Doch darauf achte ich nicht mehr.

Nach dem Unterricht kommt mir Cole auf dem Flur entgegen. "Hey, kommst du heute Abend mit in die Diskothek im Dorf?"

"Ich war noch nie in einer Diskothek ehrlich gesagt." ich lächle peinlich berührt. Ich hatte auch vor der Zeit im Internat keine Freunde, da ich immer mit Lernen beschäftigt war. Erst jetzt wird mir bewusst, dass meine Eltern mir die Kindheit zerstört hatten. Ich habe nie wie die anderen Kinder in meinem Alter gelebt. Damals störte mich das nicht. Ich kannte es nicht anders und ich kannte auch nie das Gefühl, geliebt zu werden oder Spaß zu haben. In mir drin regt sich etwas, es schnürt mir fast die Kehle zu und machte mir Angst.

"Das ist doch ein Grund, erst recht hinzugehen!" antwortet er.

Ich nicke einfach nur, meine Gedanken sind wieder woanders. Aber diesmal sind sie bei meinem Leben vor der Schule.

"Cool, ich hole Dich um 18:00 Uhr bei Deinem Zimmer ab." er zwinkert mir noch zu und verschwindet in der Masse der anderen Schüler.

Warum bin ich anders als die anderen aufgewachsen? Was bringt es mir, zur Schule zu gehen, wenn ich doch sowieso schon alles weiß? Warum durfte ich nicht wie ein normales Kind aufwachsen? Was wäre, wenn ich normal aufgewachsen wäre? Auf all diese Fragen kenne ich die Antwort nicht und das macht mich verrückt. Wenn meine Eltern mir eine Frage stellten, wusste ich immer die Antwort. Die Antwort auf alle Fragen zu kennen, war für mich normal. Jetzt komme ich mir so nutzlos und dumm vor.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 06, 2018 ⏰

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