>> Umgeben von Wänden. Eine Tür, sie klemmt. 'Warum nur? Kaputt? Zugeschlossen? Warum nur?' Sie geht auf, dahinter weißes Licht. „Geh darauf zu, komm schon, du schaffst das!" Eine Stimme. Du: „Nein!" „Dann nimm die andere Tür" „Da ist keine" „Dreh dich um!" Die Tür steht auf, dahinter Dunkelheit. 'Warum nur?' „Wähle!" „Warum?" „Wähle!" Sie verblassen, verschwinden langsam. „Wähle! Geh durch die helle Tür. Die Zeit wird knapp!" Licht verblasst, Tür fällt hinter dir zu. Steinkante, Abgrund, zwei Wege. 'Warum nur?' Brücke aus Holz, geradeaus. Rechts eine Treppe aus Steinen. „Wähle!" „Schon wieder?" „Wähle!" Der Vorsprung hinter dir verschwindet, du stehst auf der Brücke. Schritt für Schritt. Sie wackelt, Bretter fallen. Stopp. Ruhig, weiter. Sie fällt, du fällst. Schmerzen, es wird dunkler. „Irren ist menschlich, sterben auch" Tot.
Die Stimme auch.
STILLE <<
Eine Geschichte meines Lieblingsbloggers. Die meisten seiner Texte sind düster, handeln vom Sterben. Eine Spannung, die während des Lesens entsteht, die Dunkelheit, die den Leser fast umhüllt. Wie gerne ich doch auch so spannend schreiben könnte. Doch aus meinem Kopf kommen nur wirre Worte, keine klaren Sätze. Es gibt nichts, was ich gut kann. Weder singen, noch Musik machen noch Reden halten. Aber wie soll das alles denn auch gut gehen, wenn man taub ist? Ja, ihr habt richtig gelesen. Ich bin taub, schon seit ich denken kann. Zwar gibt es heutzutage Möglichkeiten, die Hörfähigkeit teilweise wiederherzustellen. Aber das möchte ich nicht. Die Stille tut gut. Wie wäre es denn, wenn plötzlich alles laut ist? Aber trotzdem hat mich meine Unfähigkeit nie gestört. Mein Alltag läuft bis auf kleine Probleme des Unverständnisses reibungslos ab.
„Du schaffst das schon. Du bist ein großes Mädchen, klug und selbstbewusst. Zeig, was du kannst." versucht meine Mutter mich zu beruhigen. Sie will es verbergen, doch ich sehe die Sorge schon fast durch ihre dünne Haut durchschimmern. Ich habe eine Antenne für sowas.
Ein großer Tag steht mir bevor: Der erste Schultag an der neuen Schule. Neue Schüler, neue Lehrer, altes Problem.
Sie denkt vielleicht, ich könnte das alles hier nicht schaffen, aber ohne eingebildet zu wirken, kann ich sagen, dass ich klug bin, da hat sie schon Recht. Es gibt vieles, was ich kann, ohne dass das von mir gedacht wird. Vielleicht hat es ja einen Grund, wieso ich nie sprechen lernen und hören konnte. Kann man das dann Gottes Fügung nennen oder wird alles nur negative Folgen haben?
„Alles wird gut, ich werde mich anstrengen" vermittle ich ihr in Gebärdensprache, doch ich bezweifle, dass sie alles verstanden hat. Sie war schon immer diejenige, die sich zu wenig mit dem Lernen der Gebärden beschäftigt hat. Ihre ständigen Ausreden, dass sie arbeiten müsse und keine Zeit hätte, glaube ich ihr nicht. Sie ist ein Typ von Mensch, der sich alles so einfach wie möglich machen will und ich gehöre zu dieser Einfachheit nicht dazu.
Dann steige ich aus. Ich muss über einen Weg zwischen zwei Rasenflächen, die wohl nur im Sommer schön aussehen, direkt durch den Haupteingang des braunen Backsteingebäudes rein. Mein Defizit zwingt mich manchmal zu etwas anderen Mitteln, also habe ich meinen Vater vor Wochen beauftragt, den Grundriss der Schule und den Raumverteilungsplan für mich aufzutreiben. So muss ich niemanden nach dem Weg fragen.
Schon vor dem Gebäude wimmelt es nur so von Jungs, die alle aufgrund der selben Haarschnitte und einfältigen Turnschuhe identisch aussehen. Auch die Mädchen sind nicht gerade mit viel Einfallsreichtum, was ihre Kleidungsauswahl angeht, bestückt. Sie alle tragen ihre Haare lang und die Tops und Jeans kurz. Sie sind stark geschminkt, als wären sie auf dem Laufsteg von einer billigen Modelshow. Jede gleich, doch mit zu starkem Ehrgeiz.
Es gibt so viele junge Leute, die sich selbst nicht genug zutrauen und denken, sie seien nicht gut genug für etwas, das sie in Wirklichkeit gar nicht brauchen oder wollen. Meiner Meinung nach ist es okay, in solch einer Phase zu sein, aber übertreiben sollte man es auch nicht. Das verkürzt genau die Lebenszeit, die man für wichtigere Dinge benötigt.
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Kurzgeschichte - Unverhofftes Wiedersehen
أدب المراهقينNyah, ein Mädchen, das taub ist