Kapitel 1

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WIE DER MOND UND DIE STERNE

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WIE DER MOND UND DIE STERNE

Dezember

Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb, mein Atem geht flach.
Überall stehen Menschen.
Sie schreien, sie drängeln und schubsen einander.
Egal, wohin ich mich drehe, egal wohin ich sehe, überall blitzen ihre krankhaft verzerrten Gesichter in der Dunkelheit auf.
Ihre leeren Augen scheinen mich durch das schummerige Licht fixiert zu haben. Mich nicht mehr loslassen zu wollen.
Zu können.
Sie halten mich gefangen.
Der Platz, der mir noch bleibt, wird immer geringer. Die Luft immer stickiger.
Einen Ausweg gibt es nicht mehr.
Plötzlich wird es hell und ich sehe, es klar und deutlich.
Das Publikum.
Aus den Schreien wird ein dumpfes Gemurmel.
Doch ehe ich genauer hinhören kann, was sie sagen, richtet sich das grelle Scheinwerferlicht auf meine Hände, die sich zitternd hinab senken und auf den kalten Tasten ihre Ruhe wieder finden.
Für wenige Sekunden dringt nur noch das monotone Ticken der Wanduhr an mein Ohr.
Es wird immer hysterischer, immer lauter, bis auch dieses Geräusch verstummt und durch den ersten Ton ersetzt wird, den mein Zeigefinger anklingen lässt.
Anspannung und Angst fallen nach und nach von mir ab, wie das rotbraune Laub im Herbst von den Bäumen. Die Angst in meinen Adern versiegt,
denn ich tue das, was ich am besten kann.
Die Melodien fliegen durch den Raum.
Ich bin derjenige, der bestimmt, wohin ihre Reisen gehen werden.
Ich bin derjenige, dessen Finger flink über die schwarzen und weißen Tasten gleiten und doch ziehen sie die Strippen.
Die fremden Menschen, die meinen Namen kennen.

"Illay"

"Illay"

"Illay"

Wie ein Mantra dringen die wirren Stimmen in meinen Kopf. Wie eine Drohung, entfalten sie ihre Wirkung und schießen wie scharfe Munition durch meinen zittrigen Körper.
Die Angst hat erneut von mir Besitz ergriffen. Sie kommen näher.
Ich möchte schreien, um mich schlagen, irgendwas. Damit sie weggehen und mich endlich in Ruhe lassen.
Doch ich bin wie festgefroren.
Nur noch meine Hände bewegen sich. Klimpern nun eine unheilvolle, emotionslose Melodie.

Die Panik wird immer größer, so groß, dass sie mir nun die letzte Luft zum Atmen nimmt und droht, mich langsam und qualvoll zu ersticken.
Ich kann mich nicht kontrollieren.
Meine Fäden haben die Anderen in der Hand.
Einige von ihnen greifen nach mir, bohren ihre Fingernägel in meine Arme.
Schütteln mich.

Ich will mir die Ohren zuhalten, als sie alle, Erwachsene, ja sogar Kinder, mich festhalten und immer und immer wieder 'Hör auf!' kreischen.
Doch ich kann nicht aufhören, dies schreckliche Lied zu spielen.
Als komponiere ich das Stück meines eigenen Todes...

Vom Leben geküsst Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt