Dumpf drang ein Geräusch an seine Ohren. Ein Scharen. Immer wieder und wieder. Sein Verstand benötigte einige Zeit, bis der Engländer endlich begriff, was dies für ein Geräusch war: Das Scharen, wenn ein Messer geschliffen wurde. Wo war er? Warum hörte er dieses Scharen? Träge begann er sich zu rühren, wollte seine Hand heben, um sich diese über das Gesicht zu legen und sich die Schläfe zu massieren, doch seine Hand gehorchte ihm nicht. Nein, viel mehr war es die Tatsache, dass er sie zwar heben wollte, aber es nicht konnte. Sie war festgebunden! Schlagartig öffnete er seine Augen, doch er vermochte nichts zu sehen. Dunkelheit hüllte ihn ein und nährte die aufkommende Furcht. Hastig begann sich der Londoner zu winden, den Versuch startend, sich aufzurichten, aber es blieb nur bei einem Versuch. Die Metallfessel hielt nicht nur seine Arme in ihrem eisernen Griff gefangen, sondern auch seine Beine. Er wollte schreien, wollte seine Angst kundtun, doch es verließ lediglich ein undefinierbarer Laut seine Lippen. Er war nicht nur gefesselt, er war auch noch geknebelt! Das Scharen verstummte, stattdessen vernahm der Engländer nun Schritte, die näher kamen. „Wie ich sehe bist du wach. Wie unangenehm... für dich." Diese Stimme... War das Alexander?! Nein, es konnte unmöglich Alexander sein! Er musste sich dies einbilden! Das alles hier! Es war lediglich ein Traum! Ein böser Alptraum! Dennoch konnte er die aufkommende Panik nicht vermindern. Mit jeder Sekunde, die verging, wuchs seine Angst, weshalb er sich mit aller Kraft auch versuchte zu befreien. Selbst wenn es hoffnungslos erschien. Eine Berührung an seiner Wange ließ Daniel wieder etwas ruhiger werden und seine Fluchtversuche sogar stoppen. Eine warme Hand, hatte sich sanft auf seine Wange gelegt und strich über diese. Sie roch angenehm. Ihr Rosenduft erinnerte ihn an etwas, an jemanden. „Shhh, shhh Daniel, sonst machst du alles kaputt." Flüsterte es ihm eine vertraute Stimme mit süßlichem Ton ins Ohr. Seine Atmung wurde schneller, wandelte sich in ein Keuchen, als der Engländer spürte, wie diese Hand von seiner Wange löste und ihre Fingerspitzen nunmehr über seine Haut strichen. Sanft und doch Angsteinflößend wanderten die kalten Fingerspitzen seinen Hals hinab, zu seinem Schlüsselbein, welches sie entlang strichen. Es war die Angst, welche ihn gerade lähmte und dazu zwang, still zu liegen, während die Finger sich erneut in Bewegung setzten und langsam zu seiner Brust wanderten. Seine Kleidung... Warum trug er nichts?! Warum war er nackt?! „Paint the man...." Er wollte sich in Panik wieder winden, aber die Angst hielt ihn gefangen. Sachte strichen die Fingerspitzen über seinen entblößten Oberkörper und malten auf diesem ein Muster. Warum fühlte sich sein Körper so seltsam an? Als sei er... bemalt worden. Und dieses Muster, welches die Fingerspitzen auf seine Haut zeichneten... Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen und erneut entflammte die Gegenwehr des Londoners. ~Hilfe! HILFE!~ wollte er es schreien allerdings kamen nur unverständliche Laute aus seinem Mund. Wieder hörte er ein leises Scharen und sein Körper erzitterte. Was sollte das?! Warum tat Alexander ihm das an?! Die ansteigende Panik ließ Daniel das rasseln von Ketten hören, verbunden mit leisem Jammern und Wimmern. Tränen traten in seine Augen. ~Bitte helft mir!~ schrie er es in seinen Gedanken, ehe sich eine kalte Klinge in seinen Körper bohrte und ihn vor Schmerz schreien ließ. Ein Schrei, der in dem Knebel unterging. „Cut the lines... Paint the man, cut the lines!" wiederholte es die vertraute Stimme. Erst langsam und sanft, dann jedoch lauter und als sei die dazu gehörige Person vom Wahnsinn getrieben. Wimmernde Laute drangen von dem Engländer, dessen Körper langsam mit der scharfen Klinge geöffnet wurde. Die Schmerzen waren unerträglich und er wünschte sich, das Schicksal habe Gnade mit ihm und er verfiele endlich der Ohnmacht. Allerdings war dem nicht so. Er spürte jeden einzelnen Schnitt und hörte jedes einzelne Wort, das sein „Freund" von sich gab. „Please, Daniel cries!" Wieso nur?! Wieso passierte ihm dies?! Diese Schmerzen, sie sollten endlich aufhören! Langsam schwand seine Kraft und mit ihr schien auch endlich sein Bewusstsein zu vernebeln. Spürte er die Schmerzen nicht mehr oder hatten sie aufgehört? So wie auch seine Gegenwehr versiegt war? Erneut spürte er eine Hand auf seiner Wange, nass und nach Blut riechend. „Hush, hush, now you sleep..." flüsterte die vertraute Stimme sanft, kurz bevor erneut sengender Schmerz durch seinen Körper fuhr, als die Klinge sein Herz durchstach...
Ein Schrei verließ seine Kehle, während er sich plötzlich aufrichtete. Sein Atem ging stockhaft und sein Körper war gebadet in kaltem Schweiß. „Daniel? Schon wieder ein Alptraum?" Die Stimme ließ ihn aufschrecken und angsterfüllt in die Ecke seines Bettes rücken. Dort saß er! Auf seiner Bettkante und einen Kerzenständer, mit einer brennenden Kerze, in seiner Hand! Das Herz in seiner Brust trommelte so wild, dass es sich anfühlte, als zerspringe ihm jeden Augenblick der Brustkorb. Seine Atmung wurde schneller, wurde wieder zu einem Keuchen. „Daniel! Beruhig dich. Du hyperventilierst noch. Es war lediglich ein Traum. Beruhige dich." Mit Angst geweiteten Augen saß Daniel in der Ecke seines Bettes und griff sich ungläubig mit seiner Rechten an die Brust. Nichts. Kein Schmerz, kein Blut, keine Wunden. Dabei hatte es sich so real angefühlt. Hastig strich er sich mit beiden Händen über den Oberkörper, um langsam, aber sicher zu realisieren, dass dies eben wirklich nur ein Traum gewesen war. Die Atmung des Engländers beruhigte sich langsam wieder und er schaffte es auch, wieder zurück in die Mitte seines Bettes zu rücken.
Der Baron gab ihm einige Momente Zeit, sich wieder zu beruhigen, bevor er mit ruhiger Stimme nachhakte „Willst du darüber reden?" Für eine ganze Weile lang herrschte erdrückende Stille im Raum. Es erweckte den Anschein, als wolle Daniel nicht darüber reden, weshalb es auch Alexander war, der erneut das Wort ergriff. „Anscheinend nicht." Er wollte sich gerade von der Bettkante erheben, als Daniels Hand hervorschnellte und die seinige ergriff, als Zeichen, dass er nicht gehen solle. „Ich... Ich habe davon geträumt!" Fragend glitt der Blick des Barons zurück auf den Engländer, welcher seine Hand festhielt. Sein Kopf war gesenkt und das braune Haar versperrte ihm jeglichen Blick in das Gesicht des jungen Mannes, dessen Kopf sich selbst dann nicht hob, als er noch einmal nachfragte „Wovon hast du geträumt?" Er schien zu zittern. War der Alptraum derart furchteinflößend gewesen? „Paint the man, cut the lines... Ich habe davon geträumt! Du hast es gemacht! Und ich war das Opfer!" die Stimme, mit der Daniel sprach klang zittrig und am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Sachte schüttelte Alexander seinen Kopf und befreite seine Hand von Daniels Hand, um ihm diese auf die Wange zu legen. „Shhh, es war nur ein Traum, nichts weiter. Wieso sollte ich dir so etwas jemals antun?" redete er beruhigend auf den Engländer ein, welcher zögerlich mit seinem Kopf nickte. „Vertrau mir Daniel. Ich würde dich niemals verletzen. Dieser Alptraum war sicherlich das Werk des Schattens. Er will dich von mir fortlocken, damit du ihm Schutzlos ausgeliefert bist. Doch das wird nie passieren. Wir werden das schon in den Griff bekommen. Deine Alpträume und den Schatten." Sachte löste sich die Hand des Barons wieder von der Wange des Londoners. Doch die Worte schienen geholfen zu haben, denn er schaffte es, seinen Kopf wieder zu heben und den Baron anzusehen. „Du solltest versuchen, noch etwas zu schlafen. Wir haben morgen viel zu tun." Ein leises Seufzen drang von Daniels Lippen, bevor dieser erneut nickte. „Du hast Recht. Ich werde versuchen zu schlafen... Gute Nacht." Während Daniel sich wieder in seinem Bett nieder ließ, stand Alexander auf, um in Richtung der Zimmertür zu gehen. Seine Hand lag schon auf die Klinge, als noch einmal die Stimme des Engländers an seine Ohren drang. „Danke, Alexander..." Er warf ihm einen Blick über die Schulter zu und antwortete „Kein Problem." bevor er die Tür öffnete und das Zimmer verließ.
Ein Schatten hatte sich über das Gesicht des Barons gelegt, begleitet von einem hauchfeinen Schmunzeln, welches auf seinen Lippen ruhte, nachdem er Daniels Zimmertür hinter sich geschlossen hatte. Für einige Sekunden blieb er einfach nur regungslos stehen, ehe sich das Schmunzeln zu einem leichten Grinsen weitete und er begann, langsam los zu gehen, in Richtung seiner eigenen Gemächer. „Paint the man, cut the lines. Cut the flesh, watch the Blood spill..." Hallte seine Stimme von den kalten Steinwänden des Ganges wieder, während sich seine Hand mit der Kerze hob und ihr Licht erlosch, als der Baron von Brennenburg pustete. Augenblicklich wurde seine Silhouette von der Dunkelheit verschlungen und die Worte „Let it come!" hallten wieder...
DU LIEST GERADE
Nur ein Traum?
FanfictionDaniel lebt seit einiger Zeit mit Alexander im Schloss Brennenburg. All die Rituale, die er bisher mit dem älteren Mann vollzogen hat, fangen an Narben in seinem Geist zu hinterlassen und diese spiegeln sich in seinen Alpträumen wieder...