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Er rannte. Wovor? Selbst er wusste es nicht so recht.

Er spazierte durch den zu dieser Jahreszeit friedlichen und ruhigen Wald. Die eigentlichen Bewohner der Ansammlung von Bäumen verschiedenster Art begaben sich langsam aber sicher in ihren langersehnten Schlaf, mussten sich aber dennoch auf den kalten und kargen Winter vorbereiten. Ein Eichhörnchen mit vollgestopftem Mund war für ihn kein seltener Anblick mehr, trotzdem konnte er sich ein kleines Grinsen bei ihrem Auftreten nicht verkneifen.

Er konnte nicht mehr. Seine Lungen kreischten. Atmete er noch?

Wie eines dieser Eichhörnchen fing er damit an, Nüsse in der Form von Kastanien zu sammeln. Der Beutel in seiner Hand möge zwar klein gewesen sein, dennoch war er bis zum Rand gefüllt und fest zugezogen. Triumphierend umschloss seine magere linke Hand das Säckchen. Er wird die schlimme Zeit überstehen.

Wie ein Dolch stach es ihm wiederholt in die Seite. Die Augen seines Verfolgers brannten auf seinem Rücken. Nicht mehr lange...

Glücklich stolzierte er über den platt getretenen Weg, den seine Vorgänger für Menschen wie ihn hinterlassen hatten. Auf ihm wuchs keine Pflanze mehr, obwohl an den Rändern des Weges die verschiedensten Pflanzen gedeihten und den Verlust der anderen auszugleichen versuchten. Von riesigen Tannen, zu prächtigen Eichen, bis hin zum zerbrechlichen Gänseblümchen war alles dabei.

Seine Beine zitterten. Sein Hals war kratzig. Gleich haben sie ihn. Warum hörte niemand seine Schreie?

Die noch nicht verreisten Vögel zwitscherten vor sich her. Hoch über dem Trampelpfad schlugen sie mit ihren kräftigen Flügeln und schwangen sich durch die Luft. Eine Feder regnete vor seinen Füßen herab. Er stoppte auf seiner Reise, um ihre ehemaligen Besitzer zu betrachten. So unbeschwert gleiteten sie über allem hinweg.

Das Gekreische wurde unerträglich. Ihr Gebrüll rang in seinen Ohren, doch er war taub. Alles verschwamm zu einem. Ein Erdbeben entstand hinter ihm. Es ist wütend.

Allein, versteckt unter einer Ansammlung an Brennnesseln entdeckte er eine einzelne Rose. All ihre feurig roten Blütenblätter lagen verstreut auf dem Boden. Kratzspuren verzierten die gesamte Umgebung. Nur noch ihr mit Dornen versehte Stängel stand widerspenstig aufrecht. Unberührt.

Schneller. Schneller! Sein warmer Atem geisterte ihm über den Nacken.

Von Neugier ergriffen näherte sich sein ausgestreckter Zeigefinger dem Überbleibsel der Rose. Er rutschte. Die Rose lag zerquetscht am Boden, ihre Stacheln in seiner Hand. Vor Schreck ließ er den Kastanienbeutel fallen. Verstreut am Boden lagen sie nun.

Die Äste peitschten ihn auf seiner Flucht. Sein Gesicht war voller Wunden.

Er spürte eine finstere Präsenz. Der Wind eilte gehetzt durch die Flora. Überall erklang eine Melodie aus raschen Schritten, dem Klagen der Vögel und dem Zittern der Bäume. Der Wald selbst tobte.

Krallen schlugen ihm ins Gesicht. Sein Mund weit aufgerissen in einem tonlosen Schrei. Blutrote Augen bohrten geradewegs in seine unwürdige Seele. Der Schatten ergriff seinen Kopf mit beiden Klauen. Im Hintergrund sammelten sich die pechschwarzen Vögel, Eichhörnchen, Rehe und Wölfe mit ebenfalls seelenlosen, blutroten Augen. Die Kreatur der Hölle, die nun seinen Schädel in Beschlag nahm flüsterte leise "Wieso hast du das getan?", bevor ein Dornenbusch sich um seine Gliedmaßen warf, seine Haut zerstach und seinen Hals zerteilte.

Wortlos schauten die stummen Schatten zu. Der grüne Boden färbte sich rot. Eine neue Rose erblühte.


Wald der RoseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt