Ich saß in einem Raum. In einem weißen, sterilen Raum, einem Raum, in dem nichts war außer ein Stuhl und ein paar jämmerlicher Bilder, die ihn fröhlicher gestalten sollten. In einem Raum, der mir Angst machte, obwohl es nicht das ist, wovor ich Angst haben sollte. Er ist nicht das, was angsteinflößend ist, aber das versuche ich mir einzureden. Ich versuchte mir einzureden, dass das, was hinter der Tür, deren Klinke mich von der anderen Wand aus bedrohlich anschaute, lauerte, mir keine Angst einzujagen brauchte. Aber ich lag falsch, denn ich wusste, dass es nicht der Raum war. Ich wusste, dass es nicht die Bilder und Poster waren, auf denen Familien fröhlich lachen. Ich wusste, dass es nicht das Quietschen des Stuhls war, das fast schon laut durch den Raum klang. Ich wusste, dass es nicht diese Dinge sind, die das Monster der Angst in mir weckten.
Stimmen drangen an mein Ohr. Schritte, die immer lauter wurden, ein Stuhl, der knarzend über den Boden rutschte. Die Türklinke, die sich langsam nach unten bewegte und das Geräusch der Scharniere, das Geräusch, wenn Metall auf Metall trifft. Kalte, blaue Augen schauten mich an, während die braunen, warmen mich anlächelten. Starre Finger streiften im Vorbeigehen meine Schulter. Eine warme, nasse Hand griff nach meiner und geleitete mich in hinter die Tür. Hinter die Tür in einen Raum, der nach Kaffee und Eau de Toilette roch. In den Raum, in dem das Ungeheuer aus Angst in meinem Bauch ausbrechen und meinen Kopf erobern würde.
Arme drückten mich sanft und umschmeichelnd in den Ohrensessel, der in der Mitte des Raumes thronte. Meine Augen huschten unruhig durch den Raum. Pflanzen sahen aus wie Schlangen, Möbel wie Menschen. Die Fenster sperrten mich ein, wie einen Kriminellen im Gefängnis. Oder einen Irren in die Psychiatrie.
‚Wie geht es Ihnen, meine Liebe'', fragte eine tiefe Stimme. Ich zuckte zusammen. Warum will er das wissen? Wieso sitze ich hier? Weswegen muss ich leiden? Ich schwieg.
‚Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Wie kann ich Ihnen helfen, Liebste, was fehlt Ihnen?' Mir fehlt nichts, ich wüsste nicht, bei was Sie mir helfen könnten. Niemand kann mir helfen, denn es gibt nichts helfen. Ein Vogel flog am Fenster vorbei. Wieder zuckte ich zusammen. Beruhige dich, sage ich mir selbst, versuche, klar denken zu können. Aber es funktioniert nicht. Ich bin gefangen in meiner Angst und es gibt keine Aussicht auf Rettung. Meine Gedanken haben mich als Geisel genommen und irgendwann werden sie mich töten.
‚Meine Liebe, ich werde Ihnen wohl nicht helfen können, wenn Sie mich anschweigen?' Wer sagt, dass Sie mir helfen müssen? Ich beobachtete jede seiner Bewegungen, versuchte ihn nicht aus den Augen zu lassen. Er schaute mich mitleidig an und lehnte sich zurück. Ich betrachtete ihn argwöhnisch. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, sein Bart sprießte, seine Zähne hatten die Farbe von einem vergilbten Gelb angenommen. Seine Nägel spitzten sich zu, so als hätte er Krallen.
Seine Augen, sie blitzten und und brannten, eingehüllt in einen einschmeichelnden Schimmer, der mich lockte und verbarg, was hinter seiner Fassade lag.
Ich konnte hinter seinen Vorhang sehen, konnte sehen, wie er wirklich war und was er wirklich wollte. Er konnte sich nicht verstecken vor mir, nein, das konnte er nicht schaffen, denn meine Augen waren geübt zu sehen, was doch eigentlich unsichtbar war. Ich sah, dass er das Monster war, vor dem ich mich fürchtete, von dem ich ahnte, dass es mich angreifen würde.
‚Liebste, was soll das hier werden? Was wollen Sie hier tun?', sagte er vermeintlich ruhig, doch ich hörte den Unterton in seiner Stimme, hörte das Biest in ihm, dass tief im Inneren brüllte und schrie, während seine Scheingestalt nur leise flüsterte. Ich schwieg.
Mein Fuß tippte nervös auf den Boden, immer wieder, ein leises Tapp Tapp Tapp, so leise, dass nur ich es hörte. Ich erschrak, als er plötzlich aufstand und sich das Monster mit ihm erhob und leise knurrte. Zitternd und wimmernd sah ich ihm zu, dem Monster, wie es die Kontrolle übernahm. Ich sah ihm zu, dem Biest, als seine Nüstern den Geruch meiner Angst witterten und seine Augen nach einem Opfer suchten, das sein gieriges Maul dann verschlang.
Es kam auf mich zu, die Augen vor Hunger geweitet, und setzte sich. Es setzte sich neben mich, so einfach, so ruhig, so, als könne ich nicht sehen, was es vorhat.
‚Meine Liebe', schrie es, so laut, dass meine Ohren klingelten. ‚Liebste, was ist nur los, was hast du nur, wovor hast Angst?'
Ich schrie und wand mich unter seinem Blick, ich zitterte und fröstelte, ich schwitzte und wollte fliehen, doch ich hatte mir ein Gefängnis gebaut. Ein Gefängnis aus Angst, in dem ich die Strafe absaß, zu der ich ein Leben lang verdammt war.
Es reichte eine Berührung. Ein leichter Hauch seiner Klauen, ein kurzes Kratzen seiner Krallen. Das schleichende Gefühl von Kälte, dass sich nun an meiner Schulter ausbreitete, so als würde ich zu Eis erstarren. Zu einer Statue, errichtet aus Hysterie und Panik.
Zwei Monster, im Kampf um die Macht. Um die Macht über mich.
Klirr. Ein Stück meiner Fassade brach ab und fiel auf den Boden. Das Ungeheuer in mir brüllte und schlug dagegen, als würde es ausbrechen wollen aus seiner Zelle, in der es so lange geschlummert hatte.
Klirr. Es kreischte schrill und voller Freude, als der zweite Teil zu Boden stürzte. Es räkelte und streckte sich, es streckte sich nach meinem Verstand aus, wollte nun komplett die Kontrolle übernehmen.
Klirr. Das dritte und letzte Stück stürzte sich in den Abgrund. Meine Fassade fiel in sich zusammen, löste sich auf und plötzlich war es so, als wäre sie nie da gewesen. Es hatte es geschafft, das Monster, es hatte es geschafft, auszubrechen. Es hatte es geschafft, ich zu werden.
Das Monster schrie und so schrie ich. Das Monster schlug um sich, kratzte
und kämpfte gegen seines gleichen an und so tat ich dies.
Ich hörte meinen Gegner klagen und wimmern, doch ich konnte ich nicht aufhören. Ich wollte nicht aufhören. Ich wollte Rache.
‚Liebling, was tust du nur, hör nur auf damit! Du tust mir weh!'
Recht so. Denn das ist, was ich will, das was ich anstrebe. Das ist, was tief in mir brodelte, das Verlangen nach Rache, dass meinen Geist besetzt hielt. Die Sehnsucht nach seinem Tod und dem Tod vieler anderer. Es war, als wäre ich aus einem langem Schlaf erwacht. Als wäre ich nicht mehr das kleine verstörte Mädchen von neben an, das ihre Eltern bedroht hatte und weggeschickt worden war. Weggeschickt und abgeschottet von der Außenwelt, ohne jeglichen Kontakt zu denen, die sie kannte. Das Mädchen, das ihre Kindheit in einer Zelle verbracht hatte, eingesperrt und bezwungen.
Meine Hände schlossen sich um des Monsters Kehle, brachten die letzte Kraft auf, um den Traum, den ich jahrelang hatte, wahr werden zu lassen. Den Traum, das Ziel, das ich immer verfolgt hatte, wie besessen bis ins kleinste Detail geplant hatte. Der Traum, der nun wie eine Seifenblase platzte, wie ein Luftballon zerstochen wurde:
Müdigkeit zerrte an mir, schloss sanft ihre Hände um mich, schlich sich in mein Gehirn, benebelte ich. Ich lockerte meine Klauen, ließ meinen Feind atmen. Ich ließ ihn leben und plötzlich war er nicht mehr das Ungeheuer, das ich zu bekämpfen versucht hatte, sondern ein normaler Mann, der mich geschockt durch warme, braune Augen anstarrte. Und es waren nicht mehr Schlangen, sondern Pflanzen, die in der Ecke standen. Und nicht Menschen, sondern Möbel, die provisorisch im Raum aufgestellt worden waren. Ich fühlte, wie etwas nach meinen Armen griff, mich grob durch das Zimmer zog, nicht beachtend, dass ich mehr stolperte als lief. Meine Lider wurden träge, mein Geist unaufmerksam, meine Sicht verschwommen. Mein Körper traf schlaff auf den Boden. Die Welt war schwarz.Ich war zurück. Zurück bei euch, verschreckt und verwirrt. Bei euch, die mich aufgezogen hatten, die mich geschlagen hatten, die mir leise Worte ins Ohr flüsterten. Ich will nicht sagen, ich hätte euch vermisst, den ihr meintet Lügen müssten bestraft werden. Ich war zurück. Zurück bei euch, deren Schreie mich bis in einen schrecklichen Schlaf verfolgt hatten, deren Krallen sich tief in mich gebohrt hatten, deren Waffen sich in meiner Seele drehten, damit es mehr weh tat.
Ich war zurück bei euch. Bei den Monstern. Meinen ganz persönlichen Monstern.
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s h o r t s t o r i e s
Short Story《Writing is the painting of the Voice.》 I dug in my mind and what you see is what I found. (German)