Teil 2

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Ich schließe die Haustür hinter mir und gehe das verfallene Treppenhaus hinab. Draußen angekommen rufe ich Mia an. Bevor sie etwas sagen kann ergreife ich das Wort. „Ich gehe jetzt.“ Auf der anderen Seite der Leitung bleibt es still. „Wir sehen uns morgen in der Schule, okay?“

„Okay. Aber pass bitte auf dich auf.“, antwortet mir die zarte Stimme meiner besten Freundin. „Werde ich.“ Ich lege auf und mache mich auf den Weg zur Stadt. Dort wartet mein letztes Utensil und dort werde ich das Ritual beginnen.

Die Stadt ist fast wie ausgestorben. Selbst an sonnigen Tagen ist in diesem kleinen Kaff nichts los. Schließlich erkenne ich es. Die Telefonzelle. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und meine Gedanken rasen. Mein Plan ist schon ziemlich bescheuert. Und ehrlich gesagt habe ich auch Angst, dass es funktioniert. Doch genauso neugierig bin ich auch und ich möchte mehr als alles Andere eine Antwort auf meine Frage.

Dann stehe ich direkt vor der Telefonzelle. Ich betrete sie und die Tür fällt hinter mir zu. Ich versuche mich zu beruhigen und mich an den ersten Schritt zu erinnern. Ich hatte mir die Schritte aus dem Internet herausgeschrieben und auswendig gelernt um ja nichts falsch zu machen.

Dann werfe ich leicht zitternd das Geld ins Münztelefon ein und wähle meine Handynummer. Dann fange ich mit dem Ritual an. „Satoru-kun, Satoru-kun, bitte komm her.“ Ich habe das Gefühl, dass ich gleich umkippe. Meine Aufregung kennt keine Grenzen mehr. „Satoru, Satoru, bitte zeige dich.“ Es gibt kein Zurück mehr. Ich muss das jetzt durchziehen. Auch, wenn meine Hand bereits zuckt und den Hörer sofort wieder auflegen möchte. Angstschweiß rinnt mir die Stirn herunter als ich die letzten Zeilen spreche. „Satoru, Satoru, bitte antworte mir falls du da bist.“

Meine Hand zittert stärker als jemals zuvor als ich den Hörer vom Ohr entferne und auflege. Ich nehme mein Handy aus meiner Hosentasche und drücke auf einen Knopf. Es zeigt mir einen verpassten Anruf an. Dann schalte ich ohne weiteres mein Handy aus.

Stumm, kaum in der Lage irgendetwas zu denken verlasse ich die Telefonzelle. Was habe ich da gerade getan? Mein Kopf wird mit jedem Schritt, den ich mich von der Telefonzelle wegbewege, klarer. Irgendwann muss ich unwillkürlich lächeln, als mir klar wird, was ich da gemacht habe. Ich hatte doch tatsächlich geglaubt einen Geist beschwören zu können. Völlig idiotisch!

Trotz allem Argwohn bleibt ein Teil von mir neugierig, aber auch sehr ängstlich. Wenn man der Internetseite, von der ich das Ritual habe, Glauben schenkt, wird Satoru-kun mich in den nächsten 24 Stunden anrufen. Das ist Schritt 2 der Beschwörung.

Ich schüttele den Kopf und versuche an etwas anderes zu denken als ich nach Hause gehe.

Am Abend gehe ich früh ins Bett, immer noch leicht aufgekratzt, was ich da getan hatte.

Am Morgen wache ich früher auf als gewöhnlich. Ich stehe auf und nehme mein Handy, das die ganze Nacht auf meinem Nachttisch lag, mit.

Ich mache mich frisch und bereit für die Schule. Morgen ist Samstag. Und spätestens morgen war sicher, dass das Ritual Mist ist. Ich sehe auf den Terminplan und merke, dass meine Mutter heute noch zu ihrem Therapeuten müsste. Ich hoffe einfach, dass sie da alleine dran denkt und gehe ohne weiteres zur Schule.

An der Schule treffe ich Marvin, Mia und meine restlichen Klassenkameraden. Ich erzähle meinen beiden besten Freunden, dass ich die Beschwörung durchgeführt habe, aber noch keinen Anruf erhalten habe. Marvin und ich haben Witze über diese ganzen Sachen gemacht, während Mia skeptisch blieb.

In der großen Pause schlendere ich entspannt mit Mia und noch einer Klassenkameradin zu den Toiletten. „Ich warte hier auf euch.“, sage ich zu den beiden und setze mich gelassen auf eine Bank im Schulgebäude. Mia nickt und folgt dem anderen Mädchen zu den Toiletten. Ich lehne mich währenddessen an und genieße den Moment der Stille. Doch ich werde von einer mir vertrauten Melodie unterbrochen. Mein Herz übersteigt seine normale Frequenz. Ich krame mein Handy zittrig aus der Hosentasche und sehe es an. Es vibriert und die Melodie summt leise. Mein Atem stockt. Das kann nicht sein! Ich hatte doch mein Handy ausgeschaltet. Wie geht das bitte? Doch anstatt weiter in Verzweiflung zu versinken hebe ich ab und lausche der anderen Leitung.

Ich bin in der Stadt, in der du wohnst.“

Die Antwort auf meine FrageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt