Kapitel 2

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Plötzlich verschwimmt das Bild der kahlen Straße vor mir und als sie sich kurz darauf neu zusammensetzten, wusste ich, dass es wieder passierte. Einhörner trabten neben dem Bus her und Zwerge tollten auf dem Radweg herum. Dämonen standen in den Ecken, schwarze, dürre Gestalten gespenstischer Aura und eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Arm aus, bevor kurz darauf wieder alles verschwamm, der Bus anfing zu schaukeln und mein Kopf ganz schnell in Richtung Busfahrer schnellte.

Oh nein. Nein, nein, nein. 

Der ältere Mann kippte nach vorne auf das Lenkrad, welches nun, aus unerklärlichen Gründen, hin und her schwenkte. Ohne mit der Wimper zu zucken riss ich mir die Kopfhörer aus den Ohren, sprang auf und sprintete Richtung Lenkrad, um es kurz darauf zu erfassen. Hektisch hielt ich es im Stehen und mein Blick traf auf eine Parkbucht, in die ich sofort einbog. Kein Einziger half mir und ich, als hilfloses, bald fünfzehnjähriges Mädchen musste ohne jegliche Ahnung vom Fahren eines Busses den Busfahrer vertreten, weil keiner dieser Leute fähig war, Verantwortung zu übernehmen. War das strafbar? Ich würde es bei nächster Gelegenheit googlen und die Leute eiskalt anzeigen. Das war inakzeptabel. Verantwortungsbewusst wie ich war, griff ich das seltsame, urzeitartige Handy des Busfahrers und rief ohne zu zögern die 112 an, während ich die Atmung des Mannes kontrollierte und ihn schüttelte, um zu sehen, ob er okay war. Gott sei Dank war er es auch, seine Atmung war völlig in Ordnung, aber er war nicht ansprechbar. Beruhigt, jedoch etwas panisch, lauschte ich dem monotonen Tuten am anderen Ende des Apparates, während ich leises Wimmern aus den Reihen hinter mir hörte. Ich war mir sicher, dass ich morgen unter dem Titel 14-jährige Carolin Morgan rettet Busfahrer, oder 14-jährige Schülerin des Mädchengymnasiums sichert Bus und Busfahrer, in der Tageszeitung stehen würde. Danach würde ich vom Bürgermeister einen Orden für vorbildliches Verhalten bekommen und würde in der kompletten Gegend bekannt sein, als die nette, grünäugige Blondine von nebenan. Nun gut, so nett war ich nun auch wieder nicht. Beispielsweise bei Konflikten: Ich band jedem auf die Nase, wie schlecht sie denn kontern konnten oder, dass sie kein Deutsch könnten, weil ich mir immer die fachsprachlichen Adjektive aus meinem Duden gefischt hatte, um klug zu wirken.

So einfach war das.

Hahaha.

Haha.

Ha.

Ich schätze, dass das arrogant klang. Naja, schätzen nicht; wissen. 

Eine freundliche, hohe Stimme riss mich jedoch bald aus meinen seltsamen Caro-Gedanken, wobei ich mich so erschrak, dass ich kurz vor Schreck leise wimmerte.

,,Hallo", grüßte mich die Frau auffordernd und ich musste mir wegen ihrer Stimme ein Kichern verkneifen, bevor ich mich dann zusammenriss und wieder ernst wurde.

,,Guten Tag, wir sind gerade auf der Glückstädter Haupstraße in einer Parklücke, weil der Busfahrer beim Fahren bewusstlos geworden ist. Ich habe seine Atmung geprüft und sie ist ganz normal, leider reagiert er aber nicht. Sonst sind keine Personen verletzt, ich habe den Bus rechtzeitig hierher gelenkt", erkläre ich die Lage sachlich und für ein paar Sekunden ist es still, während ich auf ihre Antwort warte.

,,Wie heißt du  und wie alt bist du?", hakte die Frau mit der belustigenden Stimme nach.

,,Ich bin Carolin Morgan und werde am 21. Juni fünfzehn Jahre alt", entgegnete ich inzidentell und blickte um mich herum, auf die, mehr oder weniger, verängstigten Leute.

,,Alles klar, Carolin. Es wird gleich jemand bei euch sein", erläuterte sie und legte ohne Weiteres auf. Kurz darauf beschloss ich, die Leute zu beruhigen, auch wenn es meiner Meinung nach gar nichts zu beruhigen gab.

,,Also: Ich habe jetzt den Notruf verständigt und diese kommen gleich. Machen sie sich keine Sorgen, der Busfahrer ist nur bewusstlos, aber atmet noch normal. Haben sie Geduld", brüllte ich durch den Bus und alle guckten mich süffisant an, als wäre ich ein Freak. Teilweise hatten ihre Blicke vielleicht sogar Recht, jedoch gestand ich mir diese Tatsache nicht ein. Da ich aber leider nie den verflixten Mund halten konnte, musste ich deren Blicke selbstverständlich auch noch kommentieren.

,,Gucken sie mich nicht so an! Wenigstens tue ich etwas für unsere Gesellschafft!", rief ich schnippisch und guckte die Leute scharf tadelnd an, die schon den Mund zum Sprechen öffnen wollten, aber ihn sofort schlossen, als sie meinen paränenten Blick bemerkten. Ich vermutete, dass ich wohl doch keinen Zeitungsartikel bekam, was mich frustiert die Augen rollen ließ. Genervt von den Idioten dieses Busses machte ich mich wieder auf den Weg zu meinem Handy, um meiner britischen, herzlichen Mutter zu erzählen, dass ihr geniales Mädchen soeben Menschenleben gerettet hatte. Nur leider wurde ich von ihrer Mailbox enttäuscht.

,,Hi Mama. Ich wollte bloß kurz berichten, dass dein tolles Töchterchen soeben einen bewusstlosen Busfahrer vertreten hat und, vernünftig wie sie ist, sofort einen Krankenwagen gerufen hat. Eigentlich wollte ich dir bloß unter die Nase reiben, dass ich jetzt ein Held bin, doch die werden mich höchstwahrscheinlich nicht in die Zeitung setzen, weil die Leute mich, aufgrund meiner Versuche sie zu beruhigen, nicht leiden können. Wünsch dir einen schönen Tag!", flötete ich herzallerliebst in meinen Hörer und lachte kurz darauf so laut über mich selbst, dass mich die Leute schon wieder so komisch ansahen, sodass ich immer mehr lachen musste. Auch wenn die Situation ernst zu nehmen war, die verstörten Blicke der ganzen Leute erinnerten mich immer wieder an einen Lehrer unserer Grundschule, denn dieser guckte alle Kinder immer genauso an. Die aktuelle Musik dröhnte weiter meine Ohren zu, während ich, die Füße auf dem Sitz neben mir, auf den Krankenwagen wartete. Gelangweilt musste ich gähnen, bevor ich meinen Hinterkopf an die kühle Fensterscheibe lehnte, um meine Kopfschmerzen zu lindern. 

Es war schon wieder geschehen, diese Gabe brachte nichts als Pech. Abgrundtief schwarzes Pech. Und es würde schlimmer werden. Viel schlimmer. Das fühlte ich.

Nervös spielte ich mit dem Saum meiner Bluse und ließ meinen Gedanken weiter freien Lauf.

Was sollte ich machen, wenn es bis zum Tod führte? Wer sagte mir, wie ich meine Gabe zu nutzen hatte? Wer hatte Informationen? Wie sollte ich mit allem umgehen? Und vorallem: Warum ich? Frustriert schlug ich meinen ohnehin schon dröhnenden Kopf erneut gegen die Glasscheibe und seufzte. Ich, Carolin Morgan, vierzehn Jahre alt, halb Britin, halb Deutsch, Schülerin der Mädchenschule Glücksstadt, brachte seit ich hier lebte Pech. Es war mir bis vor ein paar Monaten nicht aufgefallen, doch durch mich entstanden ziemlich viele Konflikte und auch Verletzungen. Warum war es mir nie aufgefallen, dass Elias und Lukas sich im Kindergarten prügelten, wegen mir? Und was ist mit den Gründen? Warum? Warum haben sie sich gestritten und verletzt? Beschämt und verärgert über mich selbst bis ich auf meine Unterlippe und kratzte mir die Nasenspitze. Es war eine lustige Angewohnheit, meine kleine Nasenspitze zu kratzen, ich tat es schließlich nicht häufig und es war auch nicht so klischeehaft, wie sich auf die Lippe zu beißen. Ich müsste mich nicht schämen, ich konnte absolut nichts dafür, mir war es nur nie vorher aufgefallen. Trotzdem saß ich dort, Wings von Birdy in den Ohren, summte leise mein Lieblingslied mit, in Gedanken versunken und beschämt. 

Erst so besserwisserisch, dann beschämt.

Das wird heute noch ein seltsamer Tag, voller abstrakter Stimmungsschwankungen.

Ich spürte es.

Ich spürte alles.

Ich spürte auch, dass mich meinen eigenen Gedanken mal wieder verarschten.

Lustig. Sehr, sehr lustig.

~~~

Jetzt mal ein unkreaktives Hi.

Hätte ich nicht mehr schreiben wollen, wäre das Kapitel schon Freitag raus gewesen. Aber ich fand's zu wenig. Und ich war zu faul weiterzuschreiben. Mir fehlte Motivation. Nein, okay, ich rede schon wieder so viel. 

Ich habe mal versucht, Ironie und ein kleines bisschen Humor einzufügen, um einfach ein bisschen Farbe in Caro zu pumpen. Ich hoffe ich war in euren Augen nicht so erfolglos, wie in meinen. Nun ja, ich fand das erste Kapitel, Prolog und Klappentext ziemlich kalt, so farblos. Deshalb wollte ich Caro, wie schon gesagt, charakterisieren. 

Falls es nicht verständlich geworden ist, Caro hat verschiedene Seiten. Die eine, sentimental und klug und die Andere, frech und ironisch.

Ich hoffe, dass ich euch mit dem Kapitel zufrieden stellen konnte.

Küsschen,

Ina :*

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⏰ Last updated: Jun 11, 2014 ⏰

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