5. One of the nights when you get no rest at all

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Ich war immer noch dabei, auf der Gitarre ein paar kleine Melodien zu klimpern, als ich mein Telefon klingen hörte. "Joelle, schön von dir zu hören" sagte ich mit einer ruhigen aber freudigen Stimme ins Telefon. Ich war sofort rangegangen, als ich ihre Nummer gesehen hatte. „Was gibt es so spät in der Nacht?" fügte ich noch hinzu. Mein Blick schweifte dabei auf meinen Wecker - 01:35 am. Joelle gab mir aber keine Antwort, weshalb ich nachfragte: „Hey, bist du noch dran?" Ich vernahm ein leises „Mhm..." von ihr. In ihrer Stimmlage konnte ich eine gewisse Unsicherheit erkennen. Es schien, als wollte sie gerade etwas sagen, es ihr aber mit einem Mal die Sprache verschlagen hätte. Mir bereitete dies Sorgen - sie rief an, brachte aber kein Wort heraus. Diese Stille, verunsicherte mich unheimlich. „Joelle? Ist alles in Ordnung bei dir?" und wieder vernahm ich nur ein kleines, stilles „mhm..." von ihr. In diesem Moment brachen alle Register in mir zusammen, mit ihr stimmte was nicht. „Joelle, sprich bitte mit mir! Soll ich zu dir fahren?" voller Sorge wartete ich auf ihre Antwort. „Nein. Paddy, du musst nicht kommen." „Was ist denn los? Sprich doch endlich" Meine Stimme wurde strenger. Ich stieg von meinem Bett auf und ging zu dem Fenster und stützte mich mit den Ellenbogen an dem Fensterbrett ab und schaute ein bisschen umher. Es war alles dunkel, nur die einzelnen Straßenlaternen erleuchteten den Weg von unserem Eingang bis über die kleine Brücke, die zu dem Weg des Eingangstores führte. „Es tut mir leid" seufzte Joelle, mit einem wahrlich dicken Kloß im Hals, am anderen Ende der Leitung. „Joelle, was tut dir leid? Glaubst du ich merke nicht..." weiter kam ich nicht, denn ich hörte nur noch ein Piepsen, das von der anderen Leitung aus kam. Sie hatte aufgelegt, einfach so. Ich richtete mich wieder auf und versuchte irgendwie die Gedanken zu sammeln und die Situation zu verstehen. Doch irgendwie kam ich auf keinen klaren Nenner.

Ich zögerte nicht lange und wählte gleich danach ihre Nummer. Nervös lief ich in meinem Zimmer umher, während immer noch das Freizeichen zu hören war. „Geh ran!" flüsterte ich leise zu mir. Ich ließ es klingeln, solange bis der Anrufbeantworter sich meldete. In meinem Kopf bildeten sich die schlimmsten Gedanken. Ich machte mir richtige Sorgen, dass sie in Schwierigkeiten stecken könnte. Wieso sonst, sollte sie mich so spät in der Nacht anrufen? Vor allem wie sie mich abgewiesen hatte, bereiteten mir die schlimmsten Bauchschmerzen. „Scheiße!" fing ich an zu fluchen. Ich zögerte nicht lange und suchte schnell die wichtigsten Sachen zusammen. Geldbörse, Schlüssel und Handy, Jacke, all die Sachen, die man so brauchte, wenn man das Haus verließ.

So schnell wie es möglich war, rannte ich zu einem unserer Autos und zog hastig die Tür auf und ließ mich auf den Sitz fallen. Ich schmiss die Sachen auf die hinteren Sitze und keine Sekunde später ließ ich den Motor des Autos aufheulen. Ich fuhr aus unserem Parkplatz und rollte dann auf die Straße. In meinem Kopf fingen die Gedanken an zu kreisen. Was war mit Joelle? Ich malte mir das schlimmste aus. Ich spürte, wie ich immer nervöser und angespannter wurde. Das Adrenalin stieg in mir auf und mein Herz pochte in einem unregelmäßigen Takt. Ihr sollte doch klar sein, dass nach so einem Gespräch oder besser gesagt Vorfall, mein Beschützerinstinkt ihr gegenüber hervorkommt. Die ganze Fahrt über dachte ich, ich würde vor lauter Angst, die ich um sie hatte, einen Herzinfarkt bekommen. Immer wieder versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen und mir einzureden, dass ich nichts Schlimmes passiert sei. Dass sie einfach nur nicht wusste, was sie sagen sollte. Oder sie in einer Situation war, in der sie sich nicht zu helfen wusste und sie mich einfach nur um meine Hilfe bitten wollte. Ich hoffte zumindest, dass die schlimmen Gedanken, die ich hatte, sich nicht bestätigten. Meine Fingerkuppen bohrten sich in das Leder des Lenkrades. Ich war nervös, angespannt. Nicht wissend was mich gleich erwartete.

Ein Blick auf die Straße verriet mir, dass es tatsächlich schon spät in der Nacht war, keine Seele von Mensch war zu sehen, selbst die sonst so überfüllten Gassen waren leergefegt. Der Mond schien hell hinter den vielen Häusern hervor und kam durch die Dunkelheit richtig zur Geltung. Die nächste Straße musste ich nach links abbiegen. Ich setzte den Hebel für den Blinker und bog in die nächste Straße ab. Ich versank in einem Gedanken, der mich trotz der Umstände, schmunzeln lies. Es war, als hätte ich ein Déjà-vu. Ich erinnerte mich, wie ich mir schon einmal Sorgen um sie machte. Es war schon etwas länger her, wenn ich mich recht erinnerte waren wir da erst zwölf. Und auch schon zu dieser Zeit, war ich in Joelle unendlich verschossen. Ich musste für einen kurzen Moment wieder lächeln. Die Gedanken, die ich bis eben hatte, waren für einen kurzen Moment wie ausgeschalten. Ich war gefangen in der Erinnerung, die so herrlich schön war. Joelle und ich spielten gerne Verstecken, dabei waren noch ein paar meiner Geschwister, wir konnten uns so richtig auspowern. Morgens, wenn das Gras noch feucht war, die Sonne aber alles wärmer erschienen ließ und wir tobend auf der Blumenwiese. Auch so an diesem Tag. Wir spielten Verstecken und ich musste die anderen suchen. Jimmy und Joey waren so schlau und haben sich gemeinsam versteckt. Natürlich konnte ich sie schnell finden, die beiden waren immer lautstark am Zanken. Barby hatte sich hinter einem Blumenkübel versteckt, ganz klein hatte sie sich gemacht, aber auch sie hatte ich schnell gefunden.
Doch zu Joelle war jegliche Spur verloren. Ich trommelte alle meine Geschwister zusammen und startete die Suchaktion nach Joelle. Jimmy und Joey rannten den kleinen Pfad, der Richtung Wald verlief, entlang. Barby kam mit mir und wir liefen die entgegensetzte Richtung ab. Weder auf der Wiese, noch auf dem kleinen Pfad, waren Fußspuren zu erkennen. Es schien wie verhext. Nirgendwo war sie zu finden. All das Rufen und das Schreien nach ihr, brachte nichts.

Safe Hands - (Michael Patrick Kelly FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt