Herz aus Glas

Die mentalität eines goldfisches

Manchmal denke ich es wäre besser wir Menschen wären nicht halb so intelligent wie wir sind. Wenn wir einfach einige Dinge nicht wahrnehmen würden; uns nicht ständig Gedanken über alles machen würden. Ist es wirklich gut so, dass wir die Fähigkeit haben Dinge zu fühlen ? In diesem Ausmaß?

Persönlich würde ich sagen: ich würde die Mentalität eines Goldfisches bevorzugen. Das Leben wäre einfacher. Es gäbe keine Konflikte mit mir selbst. Es gäbe nur mein kugelrundes, gläsernes Goldfischglas, durch das sich die Lichtstrahlen in meinem klaren Wasser brechen, und meine Fütterungszeit.

Ich weiß nicht ob es einer von euch weiß. Aber es gibt leider sehr wenige Augenblicke in denen wir Menschen nicht denken:

Beim Lachen zum Beispiel. Versucht mal gleichzeitig zu lachen und zu denken. Ich könnte mir zwar vorstellen , dass es funktioniert , wenn man es wirklich erzwingen will. Aber im Affekt eher nicht. Das eine geht in diesem Fall nur ohne das andere. Würden wir gleichzeitig denken , könnten wir nicht mehr lachen. Unsere Gedanken würden uns ablenken oder betrüben. Ich habe so das Gefühl, dass ich öfter lachen sollte. Nicht um glücklich zu sein. Einfach um nicht denken zu müssen. Denken ist anstrengend. Es zehrt einen aus. In jeder ruhigen Minute denkt man. Man muss sich permanent ablenken und etwas zu tun haben. Und sobald auch nur eine ruhige Sekunde angeschlichen kommt, ersticken die Gedanken uns unter ihrer Wucht wie eine riesige Flutwelle.

Eine andere Situation wäre das Küssen.
Sicher könnt ihr währenddessen denken. Aber nicht wirklich an etwas negatives. Die Zuneigung, der Schutz , die Liebe, die euch über die Lippen der Person zuteil werden, verhindern das. Im Prinzip sollte ich mir jemanden angeln und bezahlen um mich durchgehend eine Woche lang zu küssen. Ich bezweifle allerdings , dass sich jemand darauf einlassen würde. Wobei es erstaunlich ist, was einige Menschen für Geld tun würden. Tja. Geld regiert die Welt.

Kennt ihr das? Euer Tag fängt an sich ganz akzeptabel an. Ja, fast schon gut. Ihr findet langsam wieder auf eure Bahn zurück. Es sieht aus, als würde alles besser werden. Und dann :

SCHLÄGT DAS LEBEN MIT VOLLER WUCHT ZU.

Es war Wochenende. Samstagmorgen. Ich lag in meinem Bett unter der Dachschräge meines kleines Zimmers, die dünne Bettdecke auf den Boden gerutscht, die Arme hinterm Kopf verschränkt und starrte an die Poster , die an der gegenüberliegenden Wand aufgehängt waren. Ein leeres, ausdrucksloses Starren. Von der Wand aus lachte mir die Heath Ledger Version des jokers vor Wahnsinn strotzend entgegen. Die Bildunterschrift lautete: „why so serious?" gute Frage. Das Poster hatte ich mir vor ungefähr einem Jahr mit meinem besten Freund in einem heißen Sommer in einem Fanartikel-shop für alles mögliche gekauft. Bevor ich es aufhängen konnte, musste ich erst einmal Platz an einer der Wände schaffen. Also mussten meine alten Fotos dran glauben. Seitdem ist Jokers Geisteskrankes Grinsen das letzte, was ich sehe, wenn ich abends einschlafe und das erste , was ich sehe , wenn ich morgens aufwache.

Das war einer meiner seltenen Momente, in denen ich nicht denken musste. Kurz nach dem erwachen. Wenn das Hirn noch nicht ganz so schnell funktioniert und man versucht jeden nahenden Gedanken um jeden Preis zu unterdrücken. In meinem Kopf herrschte auch diesmal keine komplette Leere. Ich stellte mir einen unendlichen, strahlend weißen Raum vor. Keine Begrenzungen. Keine Wände, Türen, Fenster. Das war meine Interpretation des Nichts.

Ich liebte diese kurzen paar Minuten am Morgen. Sie waren die einzigen am ganzen Tag , in denen ich nicht denken musste. Ich konnte einfach sein.
Ich könnte meine Zellen ihre Teilung weiter vornehmen lassen, ein unaufhörlicher Prozess. Ich konnte meine Atmung intuitiv geschehen lassen. Ich konnte alles für ein paar Momente vergessen.