Without Glasses

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Seokjin

Verdammt, mein Wecker hat nicht geklingelt und ich bin eine halbe Stunde zu spät aufgewacht. Schnell greife ich mir irgendwas aus meinem Schrank und verschwinde ins Badezimmer, wo ich nur schnell die Zähne putze und mit den Händen durch meine Haare fahre, um sie einigermaßen in Form zu bringen. Als ich die Brille, ohne die ich so gut wie nichts klar sehen kann, aufsetze, erschrecke ich.

Ich hatte meinen pinken Lieblingspullover mit der Aufschrift 'Princess' gegriffen und angezogen, was an sich nicht schlimm war, aber normalerweise würde ich den niemals in die Schule anziehen. Doch da ich viel zu spät dran bin und auf keinen Fall den Bus verpassen darf, seufze ich nur und renne die Treppen nach unten, um in der Küche mein Frühstück einzupacken. Der nächste Schock: Der Kühlschrank scheint komplett leer, nur Marmelade und Milch ist noch da und auf dem Schrank daneben liegt ein Zettel meiner Eomma, auf dem steht: "Guten Morgen, mein Schatz, ich muss leider nacher erst einkaufen gehen, besorg dir doch bitte unterwegs etwas zu essen."

Wieder entrinnt meinem Mund ein Seufzen und ich schüttel den Kopf. Wenn es einmal schief geht, dann richtig. Also greife ich ohne Frühstück und ohne Essen für später nach meiner Tasche und verlasse das Haus. Ich laufe zügig, komme gerade rechtzeitig an der Haltestelle an und steige ein, das Gedränge bringt mich wie jeden Morgen an meine Grenzen. Ich hasse Menschenmengen.

Plötzlich bremst der Bus ab und alles gerät in Bewegung, ich werde angerempelt und spüre, wie meine Brille von meiner Nase geschleudert wird. Panik steigt in mir hoch, als ich versuche, ihr mit meinem Blick zu folgen, doch es ist alles verschwommen.

"Oh, fuck, das tut mir echt leid!", höre ich jemanden fluchen und sehe, wie sich eine unklare Gestalt nach unten beugt und den Arm nach etwas ausstreckt. "Hier, ich schätze das ist deine", murmelt er und hält mir etwas hin. Ich halte einfach fassungslos meine Hände auf und er legt mir die Brille hinein.

Vorsichtig setzte ich sie auf und schaue ins Gesicht des Jungen vor mir, doch ich kann ihn nicht genau erkennen, ich sehe ihn ungefähr fünfzig Mal. "Oh man, du schielst total, nimm sie lieber wieder ab", meinte er und hielt sich an der Stange über uns fest.

"Aber dann kann ich nichts sehen", erwidere ich.

"Und so geht es?" Ich kann nur mit dem Kopf schütteln. "Na also, nimm sie lieber ab. Ich bin übrigens Jungkook", stellt er sich vor.

"Seokjin." Meine Stimme klingt leer und ich fühle mich ungeschützt, als ich die Brille abnehme und in meine Tasche packe, noch kaputter kann sie kaum werden. Ich sehe um mich herum nur verschwommene Farben und verfluche innerlich den heutigen Tag.

"Wie gesagt, tut mir echt Leid", entschuldigt sich der andere erneut, woraufhin ich nur nicke und versuche, mich an diese Sicht zu gewöhnen.

Als der Bus hält und alle raus strömen, lass ich mich einfach mitziehen und hoffe, nicht über irgendwelche Stufen zu stolpern. Im Schulgebäude bin ich verloren. Ich drücke meinen Rucksack an meine Brust und halte mich möglichst an der Wand des Flurs, um weniger Schülern ausweichen zu müssen, denn die vielen Gestalten verschwimmen einfach zu einer bunten Masse und ich kann nicht einschätzen, welche Farbe mir nun am nächsten ist.

Ich versuche mich zu erinnern, wo ich jetzt Unterricht habe. Mathe. Müsste in Raum 308 sein. Ich kann die Schilder nicht lesen, also zähle ich die Türen. Nach vier Türen führt ein Gang nach links ab und ich folge ihm, dann eine Treppe nach oben und noch einmal drei Türen, dann bin ich da. Inzwischen hat es auch schon zum Anfang der Stunde geklingelt und alle anderen Schüler sind aus dem Gang verschwunden.

Ich atme tief durch und bete, mit dem Raum richtig zu liegen, dann klopfe ich. Nach gefühlten Stunden ertönt ein 'Herein' und ich öffne die Tür. Mein Blick schweift über die Schüler, doch ich kann niemanden erkennen.

Without Glasses // NamJin OneShotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt