1.Kapitel
Ich kneife meine Augen zu. Jetzt bloß nicht anfangen zu heulen Maddie! Tief atme ich durch und senke dann meinen Kopf. Die Arme stecke ich in meine Pullovertaschen und ich lasse meine Haare in mein Gesicht fallen, damit diese es verdecken. Schnell setzte ich noch meine Kapuze auf und drücke dann auf >Play<. Das erste Lied beginnt und ich drifte langsam ab. Ich blende meine Mitschüler aus und befinde mich in meiner eigenen kleinen Welt. Dort ist alles besser. Schöner. Dort werde ich nicht gemobbt und auch nicht geschlagen. Dort kann ich tun und lassen was ich will und ich brauche, um an diesen Ort zu kommen, nur meinen Ipod anmachen. Natürlich ist das in der Schule verboten, aber bis jetzt haben die Lehrer es noch nicht bemerkt. Ich bin nicht wie die anderen. Während manche um etwas zu hören, einen der beiden Kopfhörer aus dem Ohr rausmachen müssen, höre ich alles, egal wie laut meine Musik ist. Selbst in einer Disko kann ich jedes Gespräch mithören, was ca 10m in meiner Nähe stattfindet. Diese 'Gabe', wie ich es gern nenne, habe ich seit meinem 5 Geburtstag. Ich weiß nicht was es ist, aber irgendwie gefällt es mir. Ich mag das Gefühl zu wissen was Menschen von mir denken. Was sie wirklich von mir halten, selbst wenn sie mir erklärt haben das sie mich mögen. Bis jetzt hat das nämlich noch niemand Ernst gemeint und ich bin froh, das immer gleich bemerkt zu haben und nicht erst wenn es zu spät ist. Nicht erst, wenn ich mich vor der ganzen Schule zum Affen gemacht hätte, weil einer meiner 'Freunde' meinte das es cool sei mit abrasierten Haaren zur Schule zu kommen. Nein, ich bin froh, wenn soetwas nicht passiert. Nicht nur das ich mich noch unbeliebter machen würde, nein, ich würde auch meine langen braunen Haare verlieren. Und ich würde gegen nichts auf der Welt meine Haare eintauschen. Sie sind im Grunde genommen, das Einzige was mir von meiner leiblichen Mutter geblieben sind. So komisch das auch klingen mag, aber sie sind mein Ein und Alles.
Gelangweilt hebe ich meinen Kopf und beobachte wie Mr. Schuhmann den Raum mit einem blonden Jungen an seiner Seite betritt. „Haben sie sich einen Bodyguard zugelegt Hermann?“, fällt das erste Kommentar und die Klasse lacht. „Ich habe es dir schon tausendmal gesagt Chantal! Lehrer werden mit dem Nachnamen angesprochen und nein, das hier ist Austin, euer neuer Schüler.“ Die Klasse schaut stumm nach vorn und widmet sich dann wieder ihren Beschäftigungen. Austin sieht sich um und nimmt dann auf der Bank hinter mir platz. Mr. Schuhmann winkt mich zu sich vor und meint dann: „Madeline, ich vertraue dir als einzigste in der Klasse an, Austin ordentlich die Schule zu zeigen. Natürlich musst du nicht, aber ich würde mich freuen. Frag einfach mal nach, was er so sehen will und zeig ihm das dann alles, okay?“ Ich nicke nur und gehe wieder zurück an meinen Platz in der dritten Reihe. Bevor ich mich in meinem Stuhl nach vorn drehe frage ich Austin ob er etwas von der Schule sehen will, doch er schüttelt nur den Kopf und ich drehe mich schulterzuckend um. Gut für dich Maddie, gut für dich. Schnell nehme ich wieder die Position von eben ein und schließe die Augen, als der Unterricht beginnt.
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Mit gesenktem Kopf verlasse ich das Schulgebäude und setze mich hinter der Turnhalle auf den Bordstein auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich ziehe eine Zigarette aus meiner Tasche und zünde sie mir an. Vorsichtig ziehe ich daran und atme den Rauch ein, um ihn kurze Zeit später in Ringform wieder auszuatmen. Dies wiederhole ich ein paar Mal bis die Hälfte der Zigarette, verschwunden ist. Während ich den nächsten Zug nehme kommt jemand um das Gebäude gelaufen. Dustin und Marc kommen mit einem Grinsen im Gesicht auf mich zugelaufen und verlangen jeweils eine Zigarette. Ich schüttel nur den Kopf und stehe auf. „Habt ihr kein Geld? Kauft euch doch selber welche!“ „Werden wir frech?“, kommt von Dustin zurück und ich zucke nur mit den Schultern. „Ich geb euch nur nicht meine Zigaretten, weil die echt teuer waren. Ob du das jetzt als frech bezeichnen willst ist mir egal.“ Er grinst dreckig und schaut Marc an. „Schaumal, Püppchen wehrt sich! Ist sie nicht süß?“ Marc nickt, verzieht aber keine Miene. Ich schmeiße meine Kippe auf den Boden, trete sie aus und laufe dann an den Beiden vorbei. „Man sieht sich immer zweimal, Püppchen!“ „Jap, bis gleich“, antworte ich trocken und mache mich auf den Weg nach drinnen. Kasy, einer meiner wenigen Freunde, kommt auf mich zugelaufen und sagt mir Hallo. „Hey Mäuschen, ich hab dich heute früh gar nicht gesehen?“ „Ja, ich bin etwas später als sonst los. Sorry.“ Sie macht eine wegwerfende Handbewegung - ich deute das immer als 'egal' - und fängt an zu erzählen: „Tim hat mich auf seine Geburtstagsparty eingeladen. Er meinte ich könnte jemanden mitbringen. Hast du Lust?“ „Wann ist die denn?“ „Samstag.“ „Müsste gehen, ich weiß nicht was Christine vor hat, aber ich frag heute mal nach, ja?“ Sie nickt und bleibt dann vor einem Raum stehen. „Ich hab jetzt Bio, du?“ „Physik glaube'. Bis dann!“ Sie umarmt mich und verschwindet dann im Raum, während ich zum Physikzimmer laufe. Auf dem Weg laufe ich Ann über den Weg, welche sich mir anschließt. Zusammmen betreten wir den Raum und setzten uns auf unsere Plätze. „Wie war dein Tag bis jetzt?“, fragt sie und ich sage nur: „Passt schon, wie immer. Deiner?“ „Hab 'ne 1 in Musik, ansonsten nichts neues. Und deine Woche?“ „Weiß auch nicht und Glückwunsch.“ „Was soll das heißen? Ist irgendetwas passiert?“ „Naja, wir haben heute einen neuen in unsere Klasse bekommen. Austin. Bestimmt aus Australien oder so. So sah er zumindest aus.“ Sie nickt nur und packt dann ihre Sachen aus, während unser Physiklehrer das Zimmer betritt.
