Wenn die Schatten länger werden

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Lloyd erwachte von viel zu grellem Licht in seinen Augen, dass durch das Fenster seiner kleinen Wohnung in London fiel. Er mochte keine Morgen und erst recht nicht das Sonnenlicht, dass seine Wohnung noch enger, die Tapete noch ausgebleichter und die Vorhänge noch zerschlissener wirken ließ. Müde trank er seinen Tee und verließ das Haus in seinem ausgebleichten Anzug. Die Zeitung las er schon lange nicht mehr, drin stand eh nicht viel und das schon seit Jahren nicht mehr. Warum? Nun aus dem selben Grund warum er der letzte Polizist des Dezernates für organisiertes Verbrechen war und sich sein Büro mit Macy Williams teilte. Macy war ihrerseits die letzte Polizistin des Drogendezernates. Einen Fall hatten beide seit Jahren nicht gehabt. Die Ursache des allmählichen Verschwindens der Bandenkriminalität und der Drogen zuerst aus England und dann langsam aus der ganzen Welt, war Lloyd bis heute schleierhaft. Vor gut zwanzig Jahren als das Dezernat noch aus 20 Polizisen bestand die Versuchten der vielen Gangs gerecht zu werden, die die Straßen Londons überschwemmten, fing es an, dass einzelne Banden unerklärlich verschwanden. Zurück blieb nur ein S, dass meist mit Graffiti auf den Boden gesptüht war. Aufwendig verziert und sicherlich mit einer Schablone gesprüht ähnelte es mehr den Verzierungen barocker Kirchen als einem Grafittiwerk. So verschwanden nach und nach sämtliches Organisierte Verbrechen, sowie alle Drogenringe zunächst aus London, dann aus Großbritannien und allmählich aus der ganzen Welt. Zu dieser Zeit schien es als sei Lloyd der einzige gewesen, dem das Nachts schlaflose Nächte bereitete. Während er sich weiter Sorgen machte, wurde er von sämtlichen Kollegen nur ausgelacht, die dies wenn nicht als Werk Gottes, zumindest aber als gerechte Strafe betrachteten. Es ging sogar so weit das sich nach und nach die Regierungen bei den geheimnisvollen S bedankten und sie baten sich doch endlich der Welt als Retter zu präsentieren. Germeldet hatte sich nie jemand. Lloyd hingegen glaubte nicht an Selbstlosigkeit oder Heldenmut, doch auf seine Zweifel hatte niemand gehört. Nach und nach waren alle Kollegen mit großen Abfindungen in Frührente gegangen. Nur Lloyd weigerte sich seinen Posten zu verlassen. Den hatte er, und das wusste er, nur noch aus Gutmütigkeit inne, eine Wegrationierung würde gewiss direkt nach seinemRuhestand erfolgen. Bis dahin hatte er jedoch noch ein paar Jahre, in denen er sich sicher war nichts weiter tun zu müssen als den ganzen Tag an die Wand zu starren.

Vor lauter Tagträumerei hatte Lloyd fast seine Station vergessen. Doch jetzt stieg er schnell aus der Tube, holte sich auf dem Weg noch einen Bagel und schlang ihn hinunter, während er das kleine alte Gebäude betrat. Einen Pförtner hatten sie seit Jahren nicht mehr. Im Haus war sein und Macys Büro das letzte das in Betrieb war, die wenigen noch eingestellten Polizisten waren in schickere Hochhäuser in die Innenstadt gewechselt. Schweren Herzens erklomm er die Treppen und konnte seinen Ohren nicht trauen.

Die die im Schatten stehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt