Verwunderlicher Weise habe ich gut geschlafen (was selten ist, wenn ich eine Nacht außerhalb von zu Hause verbringe), und es fällt mir nicht einmal schwer, aus dem Bett zu kommen. Sobald ich mir meine schwarze low waist Jean und eine dazu passende rot-grau karierte Bluse übergezogen habe, kann es schon auf zum Frühstück gehen. Wer mir dort wohl aller begegnen wird? Sind denn tatsächlich alle Künstler durchgeknallt? Außerdem bin ich total gespannt, ob ich gleich an meinem ersten Schultag Freunde finden werde. Dann mal los, schließlich beantwortet nichts meine Fragen besser, als einfach dort hinunter zu gehen und den Tag zu genießen. Würde diese blöde Tür nicht klemmen, wäre ich jetzt sogar schon dort. Was ist bloß mit dem verdammten Stück Holz los? Gestern ist sie doch, bis auf das Quietschen, ganz normal auf und zu gegangen? Da stimmt irgendwas nicht. Hat sich etwa jemand einen Scherz erlaubt und mir einen Sessel unter die Türklinke geklemmt. Für denjenigen kann ich nur hoffen, dass er sehr schnell rennen kann, denn wenn ich hier mal draußen bin mache ich die Person sowas von fertig.
Irgendwie bekomme ich mittlerweile leichte Panik. Wenn das ein Scherz wäre, hätte man mich doch längst schon wieder rausgelassen. Mist. Schon halb acht. Das Frühstück kann ich jetzt auch vergessen. Nervös gehe ich im Zimmer auf und ab. Nicht einmal anrufen kann ich, um Hilfe zu holen, denn ich habe von keiner einzigen Person an dieser Schule die Handynummer. Scheiße, was geht hier nur ab? Okay, nicht ausrasten Zoe. Es wird dir schon noch eine Lösung einfallen. Denk einfach nach.
Die Kanzlei. Auf der Schulwebsite steht doch bestimmt die Telefonnummer. Schnell krame ich mein Handy aus der Tasche und tippe eifrig auf dem Display herum. Erleichtert höre ich, wie am anderen Ende der Leitung jemand abgebt. "Frau Farrow im Sekretariat der International Art School, grüß Gott!" Wie froh ich bin, diese monotone müde Stimme zu hören. "Groß Gott. Ich bin Zoe Greenwood von Zimmer 53, und irgendjemand hat mich in meinem Zimmer eingesperrt." Mit einem Mal kommt eine prompte plötzlich hellwache Antwort: "Zimmer 53? Geht es Ihnen gut? Sind Sie verletzt?" Verdutzt beteuere ich, dass es mir gut geht, ich aber trotzdem gerne aus meinem Zimmer geholt werden würde. "Ah. Aber natürlich. Ich schicke ihnen gleich jemanden."
Obwohl mir bewusst ist, dass mich bald schon jemand hier rausholen wird, ist mir trotzdem etwas mulmig zumute. Doch da höre ich Schritte. Einige Schlüsselumdrehungen später stehe ich schon am Gang. Ohne nachzudenken umarme ich das Mädchen, das mich soeben befreit hat. "Danke, ich muss zugeben, ich bin schon etwas verzweifelt!", gestehe ich. "Nicht der Rede wert. Wie ist das überhaupt passiert?" will meine schwarzhaarige, dunkel gekleidete Retterin wissen. Auch sie wirkt etwas überrascht, als sie erfährt, dass ich nicht die geringste Idee habe, wer mich eingesperrt hat oder wie das geschehen ist, doch sie verspricht mir noch schnell Reste vom Frühstück aus der Küche zu holen, damit ich nicht verhungern muss.
Auf dem Weg zur Küche stellt sich das Mädchen als Isabell vor und nachdem ich mich noch einmal für ihre kleine Rettungsaktion bedankt habe, kommen wir ins Gespräch. Ihrer Meinung nach hat mich irgendeiner von den Schülern, die mich alle davon überzeugen wollen, wie gefährlich Zimmer Nummer 53 ist, eingesperrt. "Damit,", sagt sie mit fester Überzeugung "will dich bestimmt nur irgend so ein Trottel einschüchtern!" Wie recht sie doch hat. "Sag mal. Wie sind diese komischen Gerüchte überhaupt zu Stande gekommen?", will ich, nun doch etwas neugierig geworden, wissen. "Vier Mädchen und ein Junge sind im Laufe der Jahre verschwunden. Sie haben alle in Zimmer 53 gewohnt. Keiner von ihnen ist zurückgekehrt. "Wie kann sie das nur so leichtfertig sagen? Auf meinen irritierten Blick hin klärt sie mich auf: "Also erstens sind das gar nicht so viele Schüler, die verschwunden sind, wenn man bedenkt, dass diese Schule schon über 150 Jahre alt ist und zweitens sind die doch bestimmt einfach nur abgehauen. Vielleicht sind ja einige sogar wieder zu Hause aufgetaucht, ohne, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, das zu melden!" Scheiße, irgendwie ist das doch etwas beängstigend. Auch, wenn ich mir versuche, nichts anmerken zu lassen, hat mich die Neuigkeit ziemlich geschockt. Fünf Personen sind einfach so verschwunden? Außerdem würde kaum ein Elternteil ein verschwunden geglaubtes Kind nicht wieder als aufgetaucht melden, wenn es zu ihnen gekommen ist, oder? Nein, ich sollte lieber aufhören, darüber nachzudenken, schließlich weiß ich nicht einmal sicher, ob das alles passiert ist oder ob Isabell mir einfach nur Angst einjagen möchte. Schnell schnappe ich mir zwei Croissants und einen Apfel vom Küchentisch und verschwinde eilig zusammen mit Isabell.
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Raum 53
Misterio / SuspensoZoes größter Traum geht in Erfüllung, denn sie wird an der International Art School aufgenommen. Ein bekanntes Internat, für junge Kunstbegeisterte, wie sie selbst. Doch schon bald erkennt sie, dass hinter jeder Ecke Gefahren lauern und sie hier nic...