Abendliche Träumerei

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Der Tag war schon alt, als ich nach Hause kam. Die Dunkelheit schlich sich in alle Ecken der Wohnung und wollte wohl bleiben. Ich schaltete das Licht an, etwas beleidigt kroch sie davon, im Wissen, dass sie bald genug ihr Territorium zurückerobern würde. Sie kannte den Ablauf und wir waren ja schließlich alte Freunde.

Ganz im Ritual aller Tage, Wochen und Jahre ging ich als erstes in die Küche um mir einen Kaffee zu machen. Ich mag meinen Kaffee schön bitter, ich kann es nicht ertragen, wenn Leute sich viel Zucker hineinkippen. Erbärmlich, jämmerlich, grotesk, abscheulich- nein, sogar unmenschlich wie ich sagen muss. Diese Leute kann ich einfach nicht ausstehen und die Dunkelheit schon gar nicht- zuckersüß ist sie nicht, einfach von Natur aus, ganz ohne Zwang und falsche Höflichkeit.

Während mein Kaffee vor sich hin dampfte, hörte ich dem Ticken der Uhr zu. Das Pendel schwingt hin und her, unermüdlich und schamlos, denn weder ich, noch die Dunkelheit haben es eingeladen. Aber man kennt es ja, ein notwendiges Übel, ein bisschen Ahnung über den Stand der Zeit sollte man dann schließlich doch haben. 

Nachdem sich die Menge des Dampfes über meinem Kaffee spürbar verringert hatte, fing ich an ihn langsam zu trinken. Die dunkle Flüssigkeit kam in meinen Mund, dann lief sie, wie ein Frühlingsbächlein den Berghang, meinen Hals hinab. Ich fühlte geradezu, wie mir sofort besser wurde. Der bloße Gedanke, von dieser bräunlichen Schwärze ausgefüllt zu werden, ließ ein Schaudern über meinen Körper laufen. Das wahre Leben steckt wohl tatsächlich in diesen Momenten des Daseins. Der Kaffee, die Dunkelheit in der Ecke und ich am Tisch, ein altes Triumvirat, welches seit Urzeiten unveränderlich ist.

Ich stellte die Tasse ab, nachdem ich ihr den ganzen Kaffee entlockt hatte, war aber überaus fasziniert von ihrer Eigenwilligkeit, denn sie schien mir so böse zu sein, dass ich den Blick nicht von ihr lassen konnte. Nach einigen Augenblicken kämpfte ich mich aus ihrem Bann, aber es war mir letztlich trotzdem immer wieder rätselhaft, wie alles und jeder doch so leicht zu empören war und hier endet das Problem ja nicht, denn alles ist auch noch so nachtragend. Sogar meine Freundin die Dunkelheit war es immer wieder gerne und wie schlimm es immer wieder wurde. Manchmal fragte ich mich, ob sie bewusst überreagierte um mich zu ermahnen, denn ich war ja doch ein wankelmütiger Kerl ohne große Prinzipien. Vielleicht wusste sie auch einfach, dass ich doch genau so gut im Bann einer anderen Entität stehen könnte und meine Treue nichts allzu Beständiges war.

Zu meiner Verteidigung kann ich nur sagen, dass ich niemals mit dem Licht und der Sonne paktieren würde. Grässliche Gestalten. Ich konnte sie noch nie leiden, hätten sie nicht ein paar ganz angenehme Seiten würde ich sie vollständig meiden, so gut es eben ginge, meistens jedenfalls. Wunschdenken, ich weiß, die Dunkelheit ist einfacher zu meiden, als die beiden Pestbeulen, aber man sucht sich seine Präferenzen schließlich nicht selbst aus.

Während ich so vor mich hinstarrte, fiel mir noch etwas ein. Tatsächlich war dies ja ein recht seltenes Erlebnis, denn trotz der vielen Gedanken in meinem Kopf, war der klare Gedankenblitz eine Ausnahme. Er war auch schon immer etwas schüchtern, was ich bei seiner Einsamkeit durchaus verstehen konnte. Man braucht schon etwas Mut um sich vor diesem Haufen dumpfer und grauer Gedanken ordentlich zu präsentieren, so geistlos wie dieses Gesindel ist, könnte es ja schlimmstenfalls sogar loslachen, obwohl es nichts Lustiges gibt.

 So war ich dankbar, dass der Gedanke kam. Ich musste noch in den Keller. Ein simpler Gedanke, aber er trug die Notwendigkeit der Handlung mit sich. Er sagte, dass es unbedingt notwendig sei und ich mich schon zu lange davor scheuen würde. Nun könnte man meinen, dass es hierbei nichts zu fürchten gebe, doch dem muss ich widersprechen. Meine Freundin, die Dunkelheit, hatte allzu gerne merkwürdige Tendenzen gezeigt und ich mied ihre Höhle, denn sie könnte etwas zu anhänglich werden und mich nicht mehr loslassen wollen.

Leider musste ich ja in den Keller um nach einem Rohr zu sehen, was die Situation noch viel schlimmer machen würde, denn dann müsste ich Licht dorthin bringen. Licht in einen Ort der ewigen Dunkelheit, Licht in den Wohnort der Dunkelheit selbst. Es war schrecklich, denn ich wusste ja schon, dass sie so etwas nicht einfach vergessen würde. Und ich fürchtete mich vor ihrer Strafe, denn was würde ich ohne ihre helfende Hand tun. 

Falls sie mich verstieße, wäre ich nichts mehr.

Denn einStein, der im Schatten liegt und vom Leben nur träumt, ist wahrlich nichts.    

Eine Sammlung von KurzgeschichtenWhere stories live. Discover now