„Der Fürst ist ein interessanter Mann", eine Kälte steigt in mir auf. „Kühl, beherrscht und ohne jene geringsten Zweifel an sich selbst und an dem was er tut." Mein Traum ist wirr und ich höre nur diese Stimme, meine Stimme wie sie einst war, bevor sie mich verließ. In den Gedankenblasen meiner Träume bildet sich die Entscheidung meines Herzens immer deutlicher ab. Wie als wäre man auf frischem Beton gelaufen und hätte dort Fußspuren für die Zukunft zurückgelassen. Ich werde den Fürsten von Hier aufsuchen, ich will diesen Brief verstehen, ihn fühlen, wissen was der Fürst bezwecken möchte. Seit ich vor ein paar Stunden diesen Brief las, hatte mich ein unstillbares Verlangen gepackt, den Fürsten aufzusuchen und mit ihm ein Wort zu sprechen. Doch wo fange ich an mit meiner Suche? Wie findet man ein Gespenst, nein, eine Legende, die man nur aus dem Lehrbuch kennt? Einen Mann, den ewig niemand zu Gesicht bekam und dessen Existenz nur von seinen speziell ausgebildeten Leibsoldaten beteuert werden kann. Wo soll ich beginnen? Doch zuerst ist es Zeit aufzuwachen, einen Weg zu finden, wenn auch ohne Ziel und aufzubrechen, um den Stillstand zu entgehen.
Der Morgen ist hell und warm. Ich richte mich auf, hebe meine Hände und reibe mir den Schlaf aus den Augen. Ich blicke zum Kamin, die Asche glüht noch, ich habe Hunger. In meinen großen Kuttentaschen finde ich noch ein halbes Brot und 3 Glasflaschen Wasser. Mit meinem Messer schneide ich mir eine dicke Scheibe Brot ab und knabber ein wenig an ihr. Anschließend nehme ich noch zwei große Schlucke Wasser, damit ist mein Hunger und Durst erst einmal gestillt. Ich packe meine restlichen Sachen zusammen außer dem Messer, dann werfe ich mir meine schwere Kutte über die Schultern, setze meine Maske auf und mache mich bereit für meine Reise.
Das Messer fest in der Hand lausche ich nach draußen, auf vorbeilaufende Menschentrauben und Soldatenmärsche. Ich atme tief ein, das Adrenalin bringt meine Hände zum Zittern und mein Herz rutscht mir vor Angst in die Hose. Erst als ich mir absolut sicher bin, dass kein Mensch in der Nähe ist, zerschneide ich das Paketklebeband am Fenster, hieve mich auf die Fensterbank und quetsche mich ins Freie.
Heute ist es ein wenig kühler als gestern und die Luft lässt sich leichter atmen. Energischen Schrittes entferne ich mich von der verlassenen Kneipe. Ich habe keine Lust noch nachträglich als Einbrecher bezichtigt zu werden, da der Einbruch schon längst durchgeführt und beendet war. Die ersten Menschen laufen an mir vorbei, darauf bedacht möglichst seriös und unschuldig zu wirken schreite ich an ihnen vorbei. Zurückversetzt in eine Zeit, in der ich öfter bei einer Begegnung mit anderen Menschen mein Rückrad streckte und betete, man möge mir vergeben.
Als ich in eine einsame Ecke biege, bleibe ich abrupt stehen und atme erst einmal tief durch. Das Adrenalin verlässt meinen Körper wieder und Erleichterung überfällt meinen Verstand. Ich sinke an der nächsten Hauswand nieder und verlangsame meinen Atem. Beruhige dich endlich, denke ich mir und streiche ein paar Haarsträhnen aus meinem Gesicht, dabei berühre ich meine Maske mit den Fingerkuppen. Wie ich es hasse sie zu tragen, doch was bleibt mir anderes übrig? Nicht alle Menschen verstanden die Zahl auf meinen Lippen nicht und besonders die, die im Grad höher stehen bringen kleine Fische wie mich um. Sie sind der Meinung, dass der Grad in den man hineingeboren wird, das Schicksal der Menschen bestimmt. Aus meiner Sicht völliger Unsinn, da man ab dem 4. Grad Aufstiegsmöglichkeiten besitzt, allein durch das erfüllen aller 3 Komponenten.
Konzentration, erneut atme ich heftig aus, die Nervosität hat nun fast vollständig meinen Körper verlassen. Beim Aufstehen stütze ich mich am Boden und an dem Gemäuer ab. Meine Beine zittern nur noch leicht, ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen um mich selbst zu beruhigen und setze meinen Weg fort, auch wenn ich ihn noch nicht kenne.
Schweigend und ohne auf meine Umwelt zu achten laufe ich durch die Stadt. Die Leute auf den Straßen tuscheln verstohlen bei meinem Anblick. Andere wiederum ignorieren mich und gehen ihrer täglichen Arbeit nach. An den Straßenrändern sitzen Ausgestoßene, unter anderem auch ein sehr alter Mann ohne Arme und Beinen, die so dünn sind wie große Tassen. Sein Oberkörper ist übersät mit Vernarbungen, einige davon noch gar nicht so alt. Ich habe Angst, dass er jeden Moment sterben würde. Doch wenn jemand etwas über denn Fürst wüsste, dann die ältere Bevölkerung dieser Stadt. Vorsichtig laufe ich auf den Ausgestoßenen zu und bekomme einen riesigen Schock, als ich im hinteren Bereich meines Kopfes das Netz aufblitzen sehe. Dieser Mann ist so wie ich, nur eben ein Verbindungsstück des 3. Grades. Zögerlich gehe ich auf ihn zu und spüre, dass er weiß, wer ich bin.
Als ich einen Meter vor ihm stehe sehe ich, dass seine Augen blind sind und das dies nicht auf natürlichen Wege geschehen ist. Ich setze mich im Schneidersitz auf den Boden und sehe ihm in die blinden Augen. Doch scheinbar fühlt er meine Blicke und zwinkert mir zu. Er wartet bestimmt darauf das ich etwas sage, aber wie nur? Ich muss es versuchen und summe ein Lied aus meiner Heimat, früher hörte ich es jeden Morgen beim Erwachen, wenn die Frauen meines Dorfes Wäsche wuschen. Der Mann zog nun eine Augenbraue hoch und nickte wissend: „Kaelium, da war ich mal als junger Hüpfer, kleines Dorf, Dreitagemarsch, wenn man flink läuft." Seine Stimme quitscht wie eine ungeölte Tür und aus seinem Mund riecht es nach Zigarrenrauch. „Ich weiß, ich bin kein schöner Anblick und dein Unbehagen ist völlig begründet, aber du kamst zu mir und nicht ich zu dir, also was willst du?"
Ich will ihm antworten, liebend gerne will ich ihm antworten, doch wie nur? Ich will ihn schon berühren, aber da kommt mir gestern wieder in den Sinn und ich zucke zurück, mein ganzer Körper beginnt zu zittern. Was soll ich machen? „Hör zu, wenn du nicht gleich sagst, was du von mir willst, werde ich sauer. Pack dich deiner Wege, wenn du ... . Halt, du bist doch nicht etwa?" Auf einmal biegt eine kleine zierliche Frau um die Ecke und spricht zu dem Mann: „Großvater? Eden und Blanca... ." Die Frau registriert meine Anwesenheit, unterbricht das Wort zu ihrem Großvater und schaut mich böse mit ihren blauen Augen an. „Hey, wer bist du, Mädchen? Und was willst du von Großvater?" Der Mann reißt seine trüben Augen weit auf. „Also bin ich nicht verrückt Ina? Da ist tatsächlich jemand?" Die Frau richtet ihren Blick zurück an mich und stemmt die Hände in die Hüften. „Ja und sie ist maskiert." Ihre knielangen, zu einem Zopf gebundenen schwarzen Haare schwingen bei jedem Wort was sie sagt mit. Sie ist wahrlich eine Schönheit. Verzweifelt greife ich mir an den Hals und versuche so zu zeigen, dass ich nicht sprechen kann.
Die Frau zieht ungerührt eine Augenbraue nach oben und kratzt sich hinterm Ohr. „Großvater, ich glaube, sie kann nicht reden." Heftig nicke ich mit dem Kopf und greife in eine meiner Kuttentaschen, aus der ich alte Zeitungsseiten herausziehe und ein Stück Kohle. Hastig schreibe ich nun in deutlichen Buchstaben:
Habt keine Angst, ich will nichts Böses. Ich habe nur ein paar Fragen an Ihren Großvater, denn er besitzt Erinnerungen an längst vergessene Tage.
Genervt zieht Ina nun die Schultern hoch. „Na und was soll ich damit jetzt anfangen, ich kann nicht lesen, sonst wäre ich jetzt nicht hier auf der Straße und müsste nicht um mein Überleben und um das meiner Kinder betteln." Traurig ziehe ich die Stirn kraus und stütze mir den Kopf auf die Handfläche. Toll was mach ich jetzt? „Mama?" Ein kleiner, vielleicht 6-jähriger Junge biegt aus der Gasse. „Eden, was willst du? Solltest du nicht mit deiner Schwester was zu Essen für heute Abend kaufen?" Der Junge hat nun Tränen in den Augen. „Blanca ist einfach ohne mich weg, sie sagte, ich bin ein blöder Giftzwerg und sie kann mich nicht gebrauchen. Blanca ist so gemein, ich hab sie nicht mehr lieb." Eden lässt sich auf den Boden im Schneidersitz fallen und schiebt die Unterlippe vor. „Na, na." Mischt sich jetzt der alte Mann ein: „Man sollte so was nie sagen, wenn man es nicht ehrlich meint Eden, jetzt komm her und lese deinem Großvater mal den Brief von diesem Mädchen, welches vor mir steht vor." Erst jetzt schien der Kleine zu bemerken, dass er nicht alleine mit seiner Mutter und seinem Großvater ist. Er läuft rot an und sieht mit denselben Augen wie seine Mutter, panisch zwischen seinen Vertrauten hin und her. Sichtlich schämt er sich davor mir in die Augen zu sehen. „Komm schon mein kleiner Eden, wozu hat dir dein Freund, der zur Schule geht denn das Lesen beigebracht", gluckst die Mutter. Wodurch Eden nur noch dunkler im Gesicht anläuft, doch dieses Mal nicht vor Schamm, sondern vor Wut. Er reißt mir den Zettel aus der Hand und liest laut aber stockend vor.
Als Eden fertig ist, gibt er mir den Zettel zurück und stellt sich vor Stolz kerzengerade hin. Seine Mutter streichelt ihm durch die blonden Haare und sagt: „Sehr gut mein Schatz, das kannst du schon super." Der Junge grinst und kuschelt sich gemütlich in den Rock seiner Mutter. Der Großvater schaut mir direkt in die Augen, obwohl er blind ist. „Was willst du wissen, du im 4. Grad?" Geschockt schaut die Frau nun zwischen mir und ihrem Großvater hin und her. Sie kuschelt ihren Jungen noch mehr in den Rock und hält ihn das Ohr zu. „Verschwinde", giftet sie mich nun an, jede Zärtlichkeit war aus ihrem Gesicht gewichen. „Ist gut Ina, ich will ihr Antworten geben. Frag nur mein Kind." Unter den Blicken dieser Ina ziehe ich meine Kohle wieder vor. Und schreibe folgende Zeilen:
Was wissen Sie über den Fürsten von Hier? Erzählen Sie mir alles und lassen Sie keine Kleinigkeit aus. Ich danke Ihnen aus tiefstem Herzen.
DU LIEST GERADE
Name 269 (nicht überarbeitet)
Science FictionIch heiße 269, ich bin ein Verbindungsstück des vierten Grades dieses Dimensionsnetztes. Die Welt ist verwoben mit unser aller Schicksal. Zeit und Raum, verbunden durch Seelen, gewebt aus Liebe, Glück, Hass und Zorn. Ich kann es sehen dein Schicksal...