Nach einem anstrengenden Arbeitstag kehrte ich Heim in mein Luxus-Apartment, das ich nun schon länger pflegte als den Kontakt zu so mancher Frau. Keine meiner Beziehungen mit dem anderen Geschlecht hatte je die drei Monatsgrenze überschritten, außer vielleicht die zu meiner Nachbarin. Obwohl man das nicht als Verhältnis bezeichnen konnte, da mehr als Gucken nicht drin war.
Aber allein der Blickkontakt überzeugte mich schon davon, wie sie wohl im Bett sein müsste. Und wer mich kannte, der wusste, dass ich nicht leicht zu überzeugen war. Außerdem handelte es sich dabei nicht um etwas Einseitiges, weil es ihre feurigen Augen waren, die mich anheizten. Das Problem daran lag eher in dem Ring an ihrem Finger über den ich nicht hinwegsehen konnte, da dies gegen meinen Moralkodex verstoßen würde. Also blieben mir nichts als die Blicke.
Und auch heute nach einem verkürzten Arbeitstag traf ich sie im Aufzug an. Schön wie immer mit ihren blonden Locken und ihren haselnussbraunen Augen, welche dieses ruhige Feuer in sich trugen, das ich bisher bei keiner anderen gesehen hatte. Im selben Moment sah sie engelsgleich aber auch teuflisch gut aus. Ihr Kleid verschlimmerte meine Gelüste nur. Der enganliegende rote Stoff versteckte alles, was ich offen legen wollte. Am liebsten wollte ich ihr das Kleid gleich hier vom Leib reißen und endlich holen, was mir gehörte. Aber ich tat es nicht... weil sie gar nicht mir gehörte.
Sie war nämlich Paul Suttons Frau. Irgendein Modedesigner aus England und ich hätte sie ihm auch strittig gemacht, wenn ich gewollt hätte, dass sie mich für ein Arschloch hält. Was ich auch war, keine Frage, trotzdem war es das nicht wert. Und so verrückt das Folgende auch klang, so hoffte ich irgendwann von ihrer Scheidung zu erfahren.
Doch an diesem Tag schien etwas nicht mit ihr zu stimmen. Normalerweise und bei jedem anderen Menschen wäre es mir völlig egal gewesen, aber hier bestand die Möglichkeit, dass es von Vorteil für mich sein konnte. Dennoch würde ich nie auf die Idee kommen, sie danach zu fragen. Es käme auch reichlich komisch rüber, wenn wir vorher kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten und ich mich plötzlich um ihren Gefühlszustand sorgte.
Anstatt wie sonst auch immer mich anzuschauen, fand sie auf einmal den Boden des Fahrstuhls interessanter. Es musste irgendetwas nicht in Ordnung sein. Warum sollte sie sonst auf den Anblick meines wohlgeformten Gesichts verzichten?
Nun ja, es wurde nebensächlich als ich aussteigen musste und wortlos aus dem Aufzug marschierte. Hinter vernahm mir ein leises: „Schönen Abend noch, Mr. Specter." Anscheinend hatte auch sie ihre Hausaufgaben gemacht, obwohl es auch nicht wirklich schwer war, beim Portier nachzufragen, wer im Stockwerk über oder unter einem wohnte und dann kurz zu googeln.
In meiner Wohnung erwartete mich bereits Jessica, die mich, wie ich vermutete nochmals unter Druck setzte, weil ich doch nun endlich jemanden einstellen sollte. Aber Tatsache war, Harvey Specter brauchte keinen Lehrling und arbeitete besser allein. Andere bauten nur Scheiße, die ich dann wieder in Ordnung bringen durfte. Da konnte ich doch wirklich auf einen unerfahrenen Neuling verzichten. Davon versuchte ich auch meine Chefin zu überzeugen, doch es schlug fehl. Egal wie charmant ich war, Jessica war mir immer einen Schritt voraus und das mochte ich nicht. Auch wenn ich es bei ihr zu verkraften hatte. Schließlich war sie mein Boss.
„Warum habe ich dir eigentlich noch mal einen Schlüssel für meine Wohnung gegeben?", begrüßte ich sie wie üblich, als wie sie sich auf meiner weißen Couch einen Rotwein einschenkte. „Und wie ich sehe hast du dich auch wieder mal bedient. Sehr freundlich von dir."
„Weil du mich magst und mir vertraust, falls du das gerade vergessen hast.", sagte sie und genehmigte sich eines Schlucks meines Negroamaro, für den ich etwa 200 Dollar hingeblecht hatte.
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The arduous life of Harvey Specter
General FictionHarvey Specter- einer der Topanwälte in New York, ein sogenannter Closer für die besonders schwierigen Fälle, beliebt bei den Damen, gefürchtet von den Herren. Klingt nach einem tollen Leben, oder nicht? Wären da nicht Mike Ross, sein Protegé, der e...