Ein Klopfen riss mich aus meiner Arbeit. Doch ich schaute noch nicht auf. Wer es schaffte an Donna vorbei zukommen, musste irgendwas Dringendes von mir wollen und würde sich daher selbst zu Wort melden. Außerdem ging ich gerade einen Deal für McKernon Motors durch.
„Ich habe mich gerade nett mit deiner Sekretärin unterhalten. Donna war ihr Name, richtig?" Diese Stimme kam mir bekannt vor nur konnte ich sie in jenem Moment nicht recht zu ordnen. Mein Blick schweifte von meinem Laptop auf und ich sah sie, meine verwitwete Nachbarin. „Ah, guten Abend, Mrs. Sutton, was führt sie heute zu mir?"
„Nun... dasselbe wie beim letzten Mal und hatte ich nicht erwähnt, dass sie mich auch mit dem Vornamen ansprechen können. Sonst fühle ich mir so... alt.", sie schenkte mir ein kokettes Lächeln und zückte aus ihrer Handtasche ein Brief. „Es kam wie es kommen musste und nun ist es soweit. Ich würde gerne ihre Dienste in Anspruch nehmen." Mit einer galanten Handbewegung reichte sie mir den Zettel der Klageschrift und ich überflog ihn rasch. Anscheinend hatten sie nicht mal richtige Beweise. Es würde einfacher werden als gedacht. Zu meinem Glück...
Entspannt lehnte ich mich zurück und musterte sie noch einmal eingehend. Sie wirkte nicht ängstlich oder unruhig oder nervös wie die meisten anderen, sobald diese des Mordes beschuldigt wurden. Den Eindruck, dass sie möglicherweise alles verlieren konnte, was ihr lieb und teuer, erweckte sie nicht gerade. Stattdessen trug sie ein edles weißes Etui-Kleid mit Blütenmuster sowie dazu passende Handtasche und hochhackige Schuhe. Alles samt muss es wohl nicht wenig gekostet haben. Ihr Make-up und ihre Haare saßen perfekt. Kein Anzeichen dafür, dass in ihrem Leben zurzeit etwas aus der Bahn geriet. Wie immer war sie hervorragend gekleidet und ihre Gesichtszüge waren sanft so als wäre es ihr völlig gleichgültig, was als nächstes mit ihr geschehen würde. Doch ich war mir fast sicher, dass dem nicht so war. Allein deswegen weil kein Mensch gerne oder freiwillig in den Knast ging. Sonst wäre sie ja auch nicht zu mir gekommen.
Trotzdem wunderte es mich. Normalerweise musste ich meine Mandanten trösten und umsorgen, wenn etwas Schlimmes passiert war. Sagen dass ich es wieder hinkriegen würde und dann auch mein Wort halten und das Ganze in Ordnung bringen. Das war mein Job, den ich über alle Maßen liebte. Und sie nahm mir gerade einen entscheidenden Teil meiner Arbeit weg. Irgendwie war ich enttäuscht.
Nach einer längeren Pause meinte ich schließlich: „Das kriegen wir hin. Alles kein Problem. Die haben sicher keine handfesten Beweise." „Das ist mir auch klar. Deshalb möchte ich das besonders schnell wieder vom Tisch haben. Schließlich gehört mir jetzt eine Firma und ich muss die Verantwortung dafür übernehmen.", entgegnete sie mir leicht schnippisch und stemmte ihre Hände in die Hüften.
Ihr Blick fiel noch einmal zum Brief. „Eine Frechheit ist das! Nach sieben Jahren Ehe soll ich ihn umgebracht haben?! Das ist doch alles Irrsinn!" Nach ihrem kleinen Wutausbruch rieb sie sich erst mal ihre Schläfen.
Ich seufzte. Erleichterung machte sich in mir breit. Endlich konnte ich sie wieder einordnen. Sie war keine dieser Frauen, die alles immer bedauerten, nein, sie war eine Frau, die wenn es nötig war, auf den Putz zu hauen. So jemanden mochte ich. Sowohl Jessica als auch Donna waren solche Damen. Beide verdienten meinen Respekt, also würde ich auch Mrs. Sutton ernst nehmen.
Gelassen stand ich auf und schenkte uns beiden ein Glas Scotch ein: „Hier, trinken sie. Das beruhigt die Nerven." Energisch nahm sie- wohl eher entriss- sie mir das Gefäß und leerte es in einem Zug. „Danke. Ich weiß ihre Fürsorge zu schätzen." Etwas verdutzt starrte ich sie an. Das war schließlich das erste Mal, dass ich sah wie jemand meinen tausend Dollar Whiskey einfach runter kippte als wäre es Wasser. Doch daran konnte man nun auch nichts mehr ändern. Stattdessen rang ich mich zu einem höflichen: „Kann ich ihnen sonst noch etwas anbieten?" durch.
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The arduous life of Harvey Specter
Ficção GeralHarvey Specter- einer der Topanwälte in New York, ein sogenannter Closer für die besonders schwierigen Fälle, beliebt bei den Damen, gefürchtet von den Herren. Klingt nach einem tollen Leben, oder nicht? Wären da nicht Mike Ross, sein Protegé, der e...