Wake Me Up 1.1

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Ein helles Blitzen gefolgt von einem heißen Dampf, der meinen schmerzenden Körper umhüllte und auf einmal befand ich mich ganz woanders. Viele Schritte und das Gemurmel der Menschenmenge waren als ein leises Rauschen in der Ferne zu hören. Der Duft von frisch gemachtem Crêpe und heißer Schokolade drang in meine Nase und ließ mich weiter in das Hier und Jetzt gleiten. Ich schüttelte meinen Kopf, um den Schleier von mir zu bekommen, der sich um mein Bewusstsein schmiegte. Überfüllte Plätze, kleine Essensstände und die hell beleuchtete Einkaufsallee erstreckten sich vor mir. Hier gefiel es mir nicht. Ich trat meinen Weg zur Rückkehr ein, als mich die bloße Leere in meinem Kopf wieder zum Stehen brachte. Unwissend woher ich gekommen war.

„Träumst du schon wieder?"

Ein schnippender Finger zog meinen Schleier letztendlich ganz von mir. Ein schwarzhaariges Mädchen stand eingepackt in einem roten Schal vor mir und lächelte mich warm an.

„Hier geht es lang.", meinte sie dann und zog mich am Ärmel meiner dicken Jacke hinter ihr her.

Ohne großartig darüber nachzudenken, folgte ich ihr. Das war meine Schwester und sie wollte mit mir zusammen ein Weihnachtsgeschenk für unsere Mutter aussuchen. Stimmt ja. Heute ist Weihnachten und ich hatte es mal wieder total verpeilt etwas zu besorgen. Ohne Mikasa wäre ich in solchen Situationen wahrscheinlich völlig aufgeschmissen gewesen.

Der graue niedergetrampelte Schnee lag auf unserem Weg in den nächsten Laden, der uns mit einer angenehmen Wärme begrüßte und unsere Nasenspitzen und Backen langsam wieder auftauen ließ.

Während ich etwas schlaftrunken durch die Regale blickte, war Mikasa dabei den Laden neu einzurichten. Ihre Hände wanderten jedes der Objekte ab, in Hoffnung dieses eine richtige Geschenk zu finden. Sie hatte sich schon immer mehr Gedanken über so etwas gemacht als ich. Sei es ein Familienfest wie Weihnachten oder ein einfacher Geburtstag gewesen. Sie konnte nie mit leeren Händen kommen. Vielleicht war sie deswegen das Lieblingskind der Familie. Jemanden zu finden, der einen Dickkopf wie mich, der sich nur mit Mühen in der Schule durchsetzt, als Lieblingskind hatte, war weitaus schwieriger.

„Jetzt sag doch auch mal etwas, Eren.", sagte sie, als sie mir irgendetwas vor die Nase hielt. „Findest du es in rot oder blau schöner?"

„Blau.", antwortete ich, ohne mir das Teil genauer angesehen zu haben. Mein Kopf tat weh und meine Konzentration war wenig bis gar nicht vorhanden. Ich wollte einfach nur nach Hause. Selbst wenn ich mir in diesem Moment nicht einmal bewusst war in welche Richtung es lag.

Schließlich zog sie mich freudig mit zur Kasse, an der sich eine lange Schlange mit Leuten aufreihte, die vermutlich alle auf der Suche nach einem Last-Minute-Geschenk waren.

Warum sich Menschen an Weihnachten dazu gezwungen fühlten Menschen zu beschenken, wenn man sich doch gegenseitig das ganze Jahr über eine Freude bereiten konnte, verstand ich nicht.

Natürlich sollte ich meine Brieftasche zücken. Warum hätte sie mich sonst mitnehmen sollen? Sie hatte den Führerschein und ich das Geld. Aus ihren Augen teilten wir Geschwisterlich.

Mit einem nett eingepackten Geschenk machten wir uns auf dem Weg durch das Getümmel in Richtung Parkplatz. Mikasa redete auf dem Weg ununterbrochen darüber, wie sehr sie sich freute, dass endlich wieder Weihnachten war und wie sehr sie das Fest doch mochte, doch ich konnte ihr kaum zuhören. Meine Gedanken schweiften immer wieder ins Leere und ließen ihre Worte immer weiter in die Ferne rücken. Ich sah den großen Weihnachtsbaum an, der prachtvoll geschmückt in das Zentrum der Stadt gestellt wurde und so ziemlich das einzige war, was wirklich weihnachtlich aussah.

„Eren?" Wieder schüttelte ich den Schleier von meinen Augen.

„Was ist?", fragte ich schnippisch, doch sie lachte mich nur schulterzuckend an.

„Warst du schon wieder am Träumen?" Belustigt wuschelte sie durch meine Haare. „Ich habe doch gerade gar nichts gesagt.", meinte sie dann. Dabei hatte ich wirklich meinen können meinen Namen gehört zu haben.

Ich versuchte meinen leerenBlick abzulegen, um mehr auf meine Umgebung zu achten. Gar nicht so einfach beisolch einem tristen Bild. Provisorisch hingehängte Lichterketten, der billigeGlühwein am Rande der nassen Straße und vereinzelte graue Haufen, dievermutlich einst weißer Schnee waren. Weihnachten sah anders aus.

Wake Me Up || EreriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt