Ein Gespräch im Kerzenschein (ger)

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Die Gaststätte war, trotz der vielen Besucher in dieser späten Stunde, nur spärlich beleuchtet. Eine Tatsache, die nicht gerade erstaunlich war, wenn man bedachte, dass nur zwei Dutzend Kerzen, die auf den hölzernen Tischen vor sich hinflackerten, als Lichtquelle zur Verfügung standen. Licht in Form von elektrischer Energie gab es schon lange nicht mehr. Die ersten Stürme hatten die Stromleitungen durch umherfliegende Gegenstände, sowie umstürzende Bäume außer Gefecht gesetzt. Doch da die Menschen eine sehr anpassungsfähige Rasse waren, dauerte es nicht lange bis sie auf altmodischere Methoden umstiegen, die zwar nicht ganz so zufriedenstellend waren, aber dennoch ihren Zweck erfüllten.

Die mit Kraft aufgestoßene Tür und das Heulen des Windes, das nun in den Raum drang, lenkte die Aufmerksamkeit auf die in eine dicke Wolljacke gekleidete, mittelgroße Gestalt. Eine angespannte Stille legte sich über den Raum, als mehr als ein Dutzend Augenpaare verfolgten, wie die Gestalt die Tür schloss und sich zwischen den unregelmäßig aufgestellten Tischen einen Weg zur Bar suchte. Im Schein der Kerzen konnte man erkennen, dass der Mann noch relativ jung war, gerade erst in der Blüte seines Lebens, wie viele Überlebenden der Naturkatastrophen. Das Licht warf einen hellen Glanz auf seine kurzen, dunkelblonden Haare, als er sich der Person hinter der Theke zuwandte.

»Guten Abend. Sie haben doch bestimmt eine Tasse Tee für mich, oder?«

Die Wirtin, eine junge unscheinbare Frau mit kurzen, mausbraunen Haaren nickte mit einem Lächeln.

»Gerade erst über dem Feuer aufgebrüht«, bestätigte sie.

Die anderen Gäste, die bisher alles argwöhnisch beobachtet hatten, begannen sich nun langsam zu entspannen. Schließlich würde ja ein Vagabund, wie sie jetzt ziemlich oft aufzufinden waren, nicht höflich nach einem warmen Getränk fragen. Ein leises, aber stetiges Murmeln war zu hören, als sich die Besucher des Gasthauses wieder ihren Gesprächen zuwandten, während der Neuankömmling und die Wirtin ihren Tausch besiegelten: Heißen Tee gegen einen halben, noch relativ frischen Brotleib. Da das ganze Bankensystem zusammengefallen war, handelte man nun nun des Öfteren mit Waffen, Nahrungsmitteln und Trinkwasser statt Geld und Wertgegenständen.

Die Wirtin musterte den jungen Mann neugierig.

»Was treibt dich denn in dieser späten Stunde noch umher? Wenn du ein Zimmer suchst, muss ich dir leider mitteilen, dass ich kein freies mehr habe...«

Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf.

»Nein, nein, ich bin heute hauptsächlich hier um mich ein wenig zu entspannen und mich mit fremden Leuten zu unterhalten.«

Er lächelte schief und streckte seine Hand aus.

»Mein Name ist übrigens Neco. Erfreut dich kennenzulernen.«

Sie schüttelte Necos Hand und stellte sich mit einem knappen, aber nicht unfreundlichen »Vivienne«, vor.

Beide verbrachten die nächsten Minuten in einvernehmlicher, angenehmer Stille. Ab und zu trank Neco kleine Schlückchen seines dampfenden Tees und ließ währendessen seine Augen über die anderen Menschen schweifen. Schließlich wandte er sich Vivienne wieder mit einem nachdenklichen Blick zu.

»Glaubst du an Gott? «

Sie blinzelte, überrascht.

»Ich bezweifle, dass du jemanden finden wirst, der noch religiös ist.«

»Das habe ich auch nicht gefragt«, antwortete er. »Ich wollte wissen, ob du gläubig bist.«

»...Meine Mutter ist sonntags immer in die Kirche gegangen, aber ich selber verspürte nie den Wunsch.«

Vivienne warf ihrem Gegenüber einen fragenden Blick zu.

»Warum willst du das wissen? Bist du etwa gläubig?«

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 05, 2023 ⏰

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