04.01.2018
Der Zeiger auf Helenes Wecker sprang auf 7:30 Uhr und es erklang die Melodie von „London Bridge is falling down".
Ein Kinderlied das ich ihr beigebracht hatte als wir kleiner waren.
Es war der erste Montag nach meinem Begräbnis.
Helene hatte fast nicht geschlafen, jetzt rappelte sie sich langsam auf.
Normalerweise wäre das Frühstück jetzt schon auf dem Tisch und meine Mutter hätte sich fröhlich im Bad die Haare geföhnt.
Aber nein.
Nichts der Gleichen war passiert.
In der Küche saß nur eine Frau, die komplett neben sich stand.
In der Hand eine Tasse Orangen Tee.
Den ich jeden Morgen getrunken hatte.
Langsam ging meine Schwester auf sie zu und setzte sich zu ihr.
„Darf ich auch einen Schluck?" fragte sie mit rauer Stimme.
Ohne ein Wort reichte Mama ihr die Tasse.
Sie saßen beide nur da.
Weder die Eine noch die Andere trank tatsächlich von dem Tee.
Ich hätte nie gedacht welche Macht und Wichtigkeit sie meinem Tod geben würden.
Aber den ganzen TamTam in der Öffentlichkeit einmal weggelassen.
Blieb nur Verzweiflung zurück.
Verzweiflung und Verbitterung.
Das tut mir leid.
Genauso düster und zäh gestaltete sich der Weg zur Schule.
Ich ging neben meinem kleinen Schatz her.
Schritt für Schritt.
Fußspur für Fußspur, im frischen Schnee.
Man sah schon die einladenden gelben Lichter der Mittelschule, in die auch ich gegangen war.
Helene blieb stehen und hob zum ersten Mal seit sie aus der Tür getreten war den Kopf.
In ihren Augen sah ich wieder Tränen.
Sie glänzten im Licht der Straßenlaternen.
Wäre ich noch in meinem Körper würde ich sie jetzt in den Arm nehmen.
Sie drehte auf dem Absatz um und ging den Weg zurück.
Vorbei an dem Park in dem mein Leben geendet hatte.
Vorbei an dem kleinen Einkaufszentrum.
Vorbei am Friedhof.
Ich wusste jetzt welches Ziel sie hatte.
Das verfallene Haus.
Der Klang der Schrillen Klingel.
Der Geruch von Zimt und Alkohol als die Tür geöffnet wurde.
Es kam mir vor als wäre ich erst gestern hier gewesen.
Auf dem Bett gesessen.
Voll mit Wünschen und Erwartungen an die Zukunft.
Die Tür wurde geöffnet.
Rasima sah aus als wäre sie gerade aus dem Bett gekrochen.
So wie eigentlich immer.
Aber ihr Make-up sagte mir, dass sie schon lange wach gewesen sein musste.
Vor einem Jahr hatte sie ihre Schule abgebrochen.
Ihr Ziel war es wohl reich zu heiraten, denn gemacht hatte sie seitdem nichts mehr.
„Leni, was machst du hier? Solltest du nicht in der Schule sein?"
„Solltest du das nicht auch?"
„Touche" Rasima wich zur Seite um sie herein zu lassen.
Meine Schwester ging der Einladung nach.
„Wer ist da?" , die tiefe Stimme von Felix, Rasimas Freund, ertönte aus dem Wohnzimmer und löste bei Helene sichtbares Unbehagen aus.
Mir war es auch immer so gegangen, wenn ich diesem Neandertaler begegnet war.
„Es ist Leni, die kleine Schwester von... von Lina"
„Leni und Lina, sehr einfallsreich", die Art wie er meinen Namen aussprach klang als würde er spucken.
„Nimm nicht noch einmal den Namen meiner Schwester so in Mund", Helenes Worte hatten einen gefährlichen Unterton.
„Ganz ruhig Kleine. Ra, wenn ich zurück bin will ich essen."
Ein Tür knallen später standen meine Schwester und meine frühere beste Freundin alleine im Wohnzimmer.
„Was willst du hier?" Rasimas stimme durchbrach die Stille.
„Antworten"
„Wieso denkst du das ich welche habe?"
„Du warst ihre beste Freundin"
„Ich war, du weißt von unserem Streit. Ich hab nicht mit ihr gesprochen, seit sie weggezogen ist."
Der Streit.
Ich war furchtbar verletzt gewesen.
Helene sah sie forschend an.
„Worum ging es da?"
„Tut das etwas zur Sache? Du solltest lieber Rita oder Madlen fragen, immerhin haben sie diese Gerüchte in die Welt gesetzt." Rasimas gereizte Stimme sagte mir, dass sie sich schuldig fühlte.
Aber meine Schwester verzog keine Miene.
Sie blickte ihr in die Augen.
So lange bis Ra dem nicht mehr stand hielt und auf den Boden sah.
„Welche Gerüchte?"
„Na die, dass Lina Geld für Sex verlangen würde. Wusstest du das nicht?
Dein Schwesterlein war nicht so brav wie alle dachten.
Die Prinzessin hatte Geheimnisse"
Mit einem dumpfen Geräusch schlug Lenis Hand auf Rasimas Wange auf.
Ihr Gesichtsausdruck hätte überraschter nicht sein können.
Ohne ein weiteres Wort stand Helene auf.
„Du kommst einfach nicht mit der Wahrheit klar. Frag doch die Anderen. Ich kann nichts für ihren Tod verdammt!"
Rasimas aufgebrachte Stimme wurde immer leiser je weiter Helene sich von dem Haus entfernte.
Die Gerüchte.
Sie fielen mir wieder ein.
Ich wusste nicht wie oder warum sie zu Stande gekommen waren.
Das Einzige was ich wusste war, dass sie nur ein Teil der Wahrheit gewesen sind..
Heiße Tränen tropften auf das Papier des Notizblocks, auf dem Helene sich die genauen Worte von Rasima aufschrieb.
Was war mit Rasima passiert?
So etwas hätte sie früher weder gesagt, noch geglaubt.
Rasima schickt mich zu Madlen und Rita, vielleicht wissen sie mehr. Ich werde der Sache auf den Grund gehen. Und wenn es das letzte ist was ich tue. Schrieb sie in ihrer ordentlichen Handschrift.
Ich verstehe, das du es wissen willst mein Liebling, aber pass auf dich selbst auf kleine.
![](https://img.wattpad.com/cover/144109692-288-k838036.jpg)
YOU ARE READING
Why
Bí ẩn / Giật gânWie ihr bereits erraten haben dürftet, waren die beiden auf dem Weg zu einem Begräbnis. Ich werde dieser Todesfeier auch beiwohnen. Darauf hatte ich mich schon lange gefreut. Ob ihr es glaubt oder nicht. Nein, ich bin kein herzloser Mensch. Aber das...