Nervös ging sie den langen Gang des Krankenhauses entlang. Die Wände waren in einem mattem gelb gestrichen und viele Türen durchbrachen sie. An jeder dieser Türen hing ein Schild mit einer Nummer und einigen Namen oder einem kleinen Bild.
Sie schenkte diesen Dingen jedoch wenig Beachtung. Sie wollte nur zu ihm. Zu ihm am Ende des langen Ganges.Also lief sie weiter und rieb die Hände dabei unruhig aneinander. Umso näher sie dem Zimmer kam, umso schneller wurden ihre Schritt und ihr Herz begann zu rasen.
Vielleicht hatte sie endlich mal Glück und er würde sie begrüßen wenn sie eintrat.
Vielleicht würde sie endlich wieder seine warmen Hände an ihren Wangen spüren und seinen zittrigen Atem auf ihren Lippen.
Vielleicht könnte sie wieder mit ihm reden, wie früher und er würde ihr sagen das alles gut werden würde.
Aber eigentlich würde ihr auch nur sein Blick genügen.
Ein Blick mit seinen grünen Augen in dessen geheimnisvolle Tiefe sie sich immer verlor. Das wäre alles. Mehr bräuchte sie jetzt nicht.Endlich stand sie vor der hellen Tür am Ende des langen Ganges. Der silberne Griff schimmerte matt und sie hatte plötzlich Angst ihn herunter zu drücken.
Sie würde sicher wieder enttäuscht werden, wie so oft in den letzten Tagen.
Er würde wieder nur da liegen und schlafen. Wie Dornröschen.
Die ganzen Geräte unverändert um ihn herum und der Zimmernachbar, der ihr als einziger zuhören würde wenn sie doch mit ihm sprach.Unsicher starrte sie auf die Türklinke und sah sich nervös um. Dann atmete sie tief durch und drückte den Griff hinunter.
Sie würde es schaffen. Sie musste es schaffen. Auch wenn er nicht für sie da sein würde, musste sie das wenigstens für ihn.Vorsichtig trat sie in das, vom hellem Sonnenlicht geflutete, Zimmer. Der Zimmernachbar von ihm begrüßte sie höflich und richtete sich leicht auf.
Das tat er immer. Sich aufrichten. Er mochte es wohl nicht, einer Dame gegenüber Schwäche zu zeigen.Sie nickte ihm nur freundlich zu und bog dann um die Ecke zum zweiten Bett in dem Raum. Und wie so oft erblickte sie das gleiche undankbare Bild.
Ein Mann, blass, mit blauen Lippen und strubbeligen braun-grauem Haar, lag regungslos in dem Bett vor ihr. Seine Gesicht durchzogen schon ein paar Falten und seine Hände lagen zusammengefallen neben ihm.
Einige Geräte zeichneten ununterbrochen seinen Herzschlag und Blutdruck auf. Andere hielten ihn mit Luft und mit Flüssigkeiten am Leben.Sie seufzte und trat zu ihm. Vorsichtig, ja keins der Kabel oder keinen der Schläuche berührend, setzte sie sich neben ihm und strich ihm sanft über die kalte Hand. Mit aller Kraft versuchte sie die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken und schluckte schwer.
Es tat so weh ihn so zu sehen. So schwach. So hilflos. So allein.
Sie kannte ihn so gar nicht. Er war immer der Starke an ihrer Seite gewesen. Der, der sie gehalten hatte und jeder Kritik entgegen getreten war die er bekommen hatte. Und davon hatte er viel bekommen.
Er war reich. Ein alter reicher Mann mit großem Herz. Aber das glaubte ihr niemand.
Das Vorurteil "wer reich ist, ist auch geizig" hielt an und das nur weil er nichts ohne einen Preis tat.
Was jedoch niemand wusste ist, dass dieser Preis auch einfach eine Einladung zu einer Grillparty oder einem Picknick mit der Familie des Kunden sein kann. Er nimmt niemanden das Einzige was er hat. Er weiß zu genüge, wie das ist nichts zu besitzen.
Denn er war allein. Er war schrecklich einsam bevor sie sein Herz berührte. Niemand hatte mit ihm reden wollen oder sich mit ihm beschäftigen.
Er war der ärmste Mensch der Welt gewesen, obwohl er am meisten besaß.Doch nun war das anders und sie wollte, dass dies endlich alle Welt erfuhr. Also hatte sie beschlossen es aufzuschreiben. Alles. Ihr ganzes Leben und vor allem dem Teil mit ihm.
"Der Verlag fand es gar nicht schlecht. Ihnen gefällt die Idee", murmelte sie schniefend zu ihm und hielt fest seine Hand, "Ich- Ich möchte das Buch mit dir zusammen schreiben, also bitte werde schnell wieder gesund. Bitte." Sie schluckte erneut schwer und sah ihn einen Moment lang schweigend an. Aber mehr als den üblichen völlig entspannten Gesichtsausdruck konnte sie nicht sehen. Keine Reaktion auf das gesagte. Nichts.
Dann erhob sie sich seufzend, um ein Buch aus ihrer Tasche zuholen. "Ich habe dir was zum lesen mitgebracht." flüsterte sie leise damit es nicht der Zimmernachbar hörte.Der hielt sie sowieso schon für verrückt und wenn er jetzt sähe wie sie ihrem im Koma liegenden Mann ein Buch gab, würde er definitiv einen Arzt holen und der sie in eine Klinik schicken. Das wäre dann das Ende für sie und ihn.
Sie legte das Buch auf den Nachttisch und nahm das von der letzten Woche wieder zu sich. Nachdenklich blätterte sie durch es durch und betrachtete es eingehend.
"Die Märchen der Gebrüder Grimm."
Er hatte Märchen geliebt. Eine seiner wenigen Schwachstellen neben Rosen und feinem Tee.
Sie musste lächeln und ein paar Tränen tropften auf das feine Papier.
Sie hätte ihm so gern nochmal am Kamin vorgelesen.
Sie hatte es bis jetzt nur ein einziges Mal gekonnt und es war der schönste Moment in ihrem Leben gewesen.Er war sehr geschafft an jenem Tag gewesen und seine Augen hatten vom vielen Verträge lesen geschmerzt. Also hatte er sie gebeten ihm ein Märchen vorzulesen. Am liebsten hatte er Rumpelstilzchen gemocht und da besonders genau zu gehört. Manchmal hatte er auch die Augen geschlossen und nur ihrer schönen Stimme gelauscht.
Dann sah er immer so zufrieden aus. Er hatte in sich hinein geschmunzelt und sich entspannt. Er war glücklich gewesen. Und er war dies doch so selten.Weinend sackte sie neben seinem Bett zusammen. Sie wollte diese Zeit zurück. Jetzt. Sie brauchte ihn. Jetzt. Sie musste wieder sein lächeln sehen. Jetzt.
Sonst würde sie bald zu Bruch gehen. Warum gab es diesen Zauberkuss der wahren Liebe nur im Märchen. Warum konnte sie ihn nicht einfach küssen und dann würde er die Augen aufschlagen wie Dornröschen? Warum war sie nur so allein? Warum half ihr denn niemand?Schluchzend drückte sie das Märchenbuch an sich und tastete nach seiner Hand. "Komm zu mir zurück. Bitte. Ich brauche dich. Ich bin so allein. Das Haus ist so leer ohne dich. Bitte komm zu mir zurück." wimmerte sie und griff nach seiner Hand. Fest umschloss sie diese und schluchzte. Als sich zögerlich auch seine Hand um ihre schloss. Wenn auch schwach, ließ der plötzlich Druck sie erstarren.
Erschrocken hob sie den Kopf und starrte auf ihn. Seine Augen schienen zu blinzeln, sein Herz schneller zu schlagen und seine Hand schloss sich fester um ihre. Sofort erhob sie sich und kam näher zu ihm, ließ aber seine Hand nicht los. "Hörst du mich? Schatz. Ich- du- hörst du mich?" hauchte sie leise und brach in Freudentränen aus, als er schwach nickte. Sie legte ihre Stirn auf seine und sah ihm in die einen Spalt breit geöffneten Augen. Dieses grün. So schön wie Smaragde und so tief dass sie darin ertrank.
Glücklich lachte sie ihn an und ihre Tränen tropften auf sein Gesicht. Langsam begann auch er zu lachen wenn auch leise und hob seine andere Hand um ihr über den Rücken zu streichen. Sie sahen sich einfach nur in die Augen und lachten.
Alles war in diesem Moment ihnen egal. Der, nach den Ärzten wild klingelte, Zimmernachbar, die piepsenden Geräte und das heruntergefallene Buch.
Auch die wenig später eintreffenden Doktoren, die sie von ihm weg zogen und sich dann den Geräten widmeten, konnten ihr Glück nicht zerstören.
Sie waren nicht mehr allein. Sie waren wieder zusammen. Sie waren nicht mehr eingesperrt und getrennt voneinander. Sie hatten sich wieder. Sie waren nicht mehr unglücklich. Sie waren vom Glück betrunken.
“Am Ende wird alles gut. Und ist es noch nicht gut, so ist es noch nicht das Ende.”
So hat auch jedes Märchen sein Happy End und er glaubte auch immer fest daran, dass es auch eins im wirklichen Leben gibt. Nun glauben sie und er daran.^.^ Hallöchen und herzlich willkommen zu meinen kleinen Geschichten. Ich hoffe ihr werdet euch hier wohl fühlen und mit mir gern in die Welt der Träume eintauchen, umso die verschiedensten Menschen zu begleiten.
Über bisschen Feedback und Verbesserungsvorschläge würde ich mich sehr freuen. Immerhin möchte auch ich dass es euch gefällt und noch etwas dazu lernen. Eure Jupiter ^.^
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Ein Glas voll Träume
Short StoryGedanken, Träume. Geschichte, Szenen. Charakter, Welten. All das was mir so im Kopf rum schwirrt, werde ich hier zu Papier bringen. Geschichten, die nicht mehr als nur einen Gedanken lang sind. Kurzgeschichten. Mit viel Liebe und Gefühl. Meist Shi...