Kapitel 1 - Nicht mein Tag

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Stuck in my head again
Feels like I never leave this place
There's no escape
I'm my own worst enemy...

Dröhnte aus meinen Kopfhörern die Stimme des Linkin Park Sängers.
Der Kopf nickte im Takt, die Finger klopften auf den Schenkeln zum Beat des Schlagzeugs und auch der Fuß wippte mit.
Völlig versunken in meiner eigenen Welt saß ich hier und es gab nichts, nichts was in irgendeiner Weise von der Außenwelt durchdrang und störte.
Mit Ausnahme von Nick's Hand, die nun unerbittlich, und langsam auch schmerzhaft, auf meinen Oberarm schlug.
Seufzend kramte ich mein Handy hervor, stellte die Musik aus und nahm den Kopfhörer von meinem linken Ohr.
"Was ist?"
Nicht gerade der umgangfreundlichste Ton, aber ich hasste es eben aus meiner kleinen heilen Welt gerissen zu werden.
"Woah! Alles gut, man. Ich wollt dir nur Bescheid geben, dass wir gleich an der Schule sind"
Mein bester Kumpel grinste mich auf eine komische Art und Weise an, die ich nicht richtig einordnen konnte.
"Wenn du deine Musik hörst, bist du echt unerreichbar. Nächstes Mal werde ich dich einfach sitzen lassen und schauen an welcher Station man dich aus dem Bus schmeißt."
Scherzte er weiter, aber als Antwort kam nur ein müdes Lächeln meinerseits.
Egal, was Nick mir immer im Spaß androhte, es waren nur Scherze und er würde soetwas nie durchziehen. Im Gegenteil. Nick war der netteste und fürsorglichste Mensch, den ich kannte. Selbst wenn er es immer leugnete, um -besonders vor den Mädels- einen auf Bad Boy zu machen.
Während ich meine Kopfhörer einräumte, wurde mir leider wieder schmerzhaft vor Augen geführt, warum ich so an meiner kleinen Traumwelt hing: die Realität war ein Trauerspiel.
Erst ein wütender Aufschrei eines jüngeren Schülers, dann ein für dieses Alter unangemessenes Schimpfwort und schon knallte mir die Vesperdose samt Inhalt gegen meinen Hinterkopf.
Sofort explodierten die Kopfschmerzen von heute morgen erneut, obwohl ich diese mit einer Kopfschmerztablette einigermaßen unter Kontrolle hatte.
Betonung liegt auf hatte.
Im nächsten Moment konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen und wimmerte nur kurz auf vor Schmerz.
Nick, mit der blauen Vesperdose in der Hand, stand nun im Gang und brüllte die kleinen Unruhestifter zusammen.
Normalerweise wäre ich ihm echt dankbar dafür gewesen, aber jetzt könnte ich ihn für sein Gebrüll aus dem fahrenden Bus werfen.
Und während der Bus anhielt, Nick fast fünf Reihen nach vorne flog und die kleinen Kinder deswegen loslachten, kam mir ein einziger Gedanke:
Ich hätte zuhause bleiben sollen. Heute war nicht mein Tag...

Vorsichtig führte mich Nick durch die Massen von Unterstufenklässlern. Ein Todesblick, dazu ein schroffes " aus dem Weg!" und schon wurde für uns die Menge geteilt.
Doch das bekam ich nur am Rande mit, da ich noch viel zu sehr damit beschäftigt war, meine Kopfschmerzen einigermaßen zu unterdrücken.
Jeder Schritt entfachte eine kleine Welle von Schmerzen, die sich langsam aber sicher durch meinen ganzen Körper bahnten.
Nachdem er sich in beide Richtungen versichert hatte, dass kein Auto kam, gab Nick mir ein Zeichen und wir überquerten zusammen mit einem Schwarm 5 und 6 Klässlern die Straße Richtung Schule.
Plötzlich nahm ich aus dem Augenwinkel etwas Rotes war. Rote Haare.
Ruckartig drehte ich meinen Kopf in die Richtung und mein Kopf beschwerte sich lautstark mit einer Schmerzensflut über die plötzliche Bewegung.
Durch eine Traube von Schülern wechselte sie die Straßenseite. Das Taillenlange rote Haare wehte ihr hinterher und in der frühen Morgensonne sah es aus, als ob es brennen würde. Wie für eine Königin bildeten die Schüler eine Gasse und sie schritt nicht minder majestätisch hindurch.
Als ob sie den Blick bemerkt hätte, der auf ihr ruhte, drehte sich Karma zu mir um.
Karma, das komische Mädchen aus dem niemand schlau wurde, das kaum Freunde hatte, das sich nie auf einen Typen unserer Schule eingelassen hatte - nicht einmal auf den Schulschwarm Justin.
Karma mit den katzengleichen, fast schwarzen Augen.
"Verdammt! James, pass auf!" riß mich Nick's panische Stimme aus meinen Gedanken.
Vor lauter Karma anstarren war ich mitten auf der Straße stehen geblieben.
Nick hatte meinen Arm los gelassen und stand auf der anderen Straßenseite, in der Annahme ich sei ihm gefolgt.
Nun rannte er panisch auf mich zu.
Ich wante meinen Kopf nach rechts und plötzlich schien es als drehte sich die Welt langsamer.
Und während der hupende Bus in Zeitlupe auf mich zuraste, stand ich da, unfähig mich zu bewegen und nur ein einziger Gedanke schoss mir durch den Kopf:
Heute war echt nicht mein Tag...

Rot. Kokosnuss.
Ich sah nichts außer dunkles Rot und ich war umhüllt von einem penetranten Kokosnuss Geruch.
Das Jenseits hatte ich mir anderst vorgestellt.
Wenn man schon tot war konnte man wenigstens erwarten, dass die Kopfschmerzen verschwinden würden, aber im Rhythmus mit meinem Herzschlag pochte auch mein Kopf.
Badumm. Schmerzen. Badumm. Schmerzen. Badumm. Schmerzen...
Moment mal...Herzschlag? Das Ding, dass einem am Leben hielt?
Was war ich denn jetzt? Tot? Lebendig? Verrückt?
Langsam, wie wenn man Musik lauter dreht, hörte ich Stimmen. Schreie. Leute brüllen unverständliche Worte. Und ich wünschte mich wieder in meinen vorherigen Zustand zurück.
Ein Stöhnen ertönte und etwas begann sich auf mir zu bewegen. Der rote Schleier bewegte sich und zum Vorschein kam ein schmales, blasses Gesicht. Aber das wirklich fesselnde daran waren die Augen. Giftgrün. Und sie starrten mich direkt an. Unwillkürlich musste ich schlucken.
Die Welt um uns herum bewegte sich weiter. Schrie und brüllte. Aber unter Karmas roten Haaren, unter unserem Schleier, der uns vor der Außenwelt schützte, lieferten wir uns ein Blickduell. Wir starrten uns einfach nur an. Direkt in die Augen.
Ihr kennt doch sicher den Spruch "Die Augen sind die Fenster zur Seele"? Weil wenn dieser Spruch der Wahrheit entsprach, dann war Karma hoffentlich eine Ausnahme. In ihren Augen war keine Wärme, keine Sorge oder sonstige Gefühle. Nur dieses stechende Grün, dass mich kalt und hart anfunkelte.
Was war nur mit diesem Mädchen los?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 22, 2019 ⏰

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