Raindrops.

Die Neue.

Die Neue. Melodie kann es nicht mehr hören. Sie ist sechzehn Jahre alt, steht kurz vor einem erneuten Umzug und ja, sie ist mal wieder die Neue an der Schule. Man könnte meinen sie habe sich mittlerweile daran gewöhnt, aber wahrscheinlich gewöhnt man sich nie an die unangenehme Aufmerksamkeit, die man bekommt, wenn einen niemand kennt. 

Seit dem Tod ihrer Mutter vor zwei Jahren hat ihr Vater an keinem Ort mehr Ruhe gefunden. Es scheint fast, als würden sie vor dem flüchten, was damals passiert ist. Vor dem Feuer, dass alles veränderte. Ihr Vater redet nicht darüber. Das hat er nie. Deswegen tut sie es auch nicht.

Wie an jedem anderen ihrer ersten Schultage war sie nervös. Wie wichtig der erste Eindruck ist, wurde ihr vor zwei Jahren an ihrer Schule deutlich. Damals wurde sie gemobbt. Einmal weil sie zu arrogant war, dann wieder, weil sie als Streberin galt, ein Anderes mal, weil sie ein zu kurzen Rock an hatte. Ihr kennt das sicherlich...man kann es nie jedem recht machen. Und Gerüchte verbreiten sich schnell, auch wenn sie nicht wahr sind...

Melodie hat lange braune Haare und helle blaue Augen. Früher, als ihre Mutter noch lebte, nannte sie sie immer Schneewittchen. Sie sei genauso klug, interessant und warmherzig wie Schneewittchen es war. Ihre Mutter liebte Märchen. Als Melodie noch ein Kind war, laß sie ihr und ihrem kleinen Bruder immer aus dem großen alten Märchenbuch ihres Großvaters vor. Das war eine glückliche Zeit.

Als Melodie vor dem Spiegel stand und sich betrachtete, dachte sie darüber nach, wer sie hier in der neuen Stadt sein will. Das einzig Gute am Umziehen, ist, dass man neu anfangen kann. Man kann sich selbst neu erfinden. Das tat sie jedes Mal, wenn sie umzogen. Eine Rolle spielen. Eine Maske aufziehen. Aber als sie ganz hinten in ihrem Schrank einen der Umzugskartons mit dem Kleid ihrer Mutter fand, wusste sie, es ist an der Zeit, die Person zu sein, die sie wirklich ist - oder die sie glaubt zu sein.

Als sich Melodie an diesen Morgen auf den Weg zu ihrem ersten Schultag machte, fühlte sie sich überraschend gut. Das Gefühl, sie kann endlich sie selbst sein, machte sie selbstbewusst. Sie schnappte sich ihr Fahrrad und fuhr los. Die Sonne schien ganz sanft auf ihre Haut und der Wind strich ihr ihre Haare aus dem Gesicht. Sie fühlte sich in diesem Moment ihrer Mutter sehr Nahe. Als würde sie ihre Entscheidung, sie selbst zu sein, befürworten. Dieses Gefühl hatte sie schon lange nicht mehr.

Sie war sich sicher: Das ist der Start in etwas Wunderbares.