29.Kapitel: Dort im Inneren des Vulkans

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Kajatans Herz fühlte sich an, als treibe jemand tausend winzige Nadeln hinein. Als er sich umdrehte und Ri zurück ließ, war ihm, als bohrten sie sich immer tiefer, bis er sicher war, der Schmerz würde ihn zerreißen. Er wusste was ihn vertreiben würde.
Er brauchte nur zurück zu ihr gehen und all das wäre vorüber. Vielleicht hätte er ihr wenigstens sagen sollen wo er hin ging. Dann würde sie es verstehen wenn er nicht zurück kam, aber er hatte es einfach nicht gekonnt.

Genauso wenig, wie er jetzt umkehren konnte. Denn dann würde man sie finden, früher oder später und das wäre auch ihr Tod.
Und das war es, letzten endes, wovor er sich am meisten fürchtete.

Damals, als Ryu ihr die Kehle zerfetzt hatte und sie leblos vor ihm lag, war seine Welt zusammen gebrochen.
Das wollte er nie wieder erleben.

Natürlich, sie war wieder aufgestanden, war zu ihm zurück gekehrt. Auch wenn er bis heute nicht verstand wie und seine Welt hatte sich wieder zusammen gefügt. Aber wie mit allem, was einmal zerbrochen war, so würde es nie wieder ganz das selbe sein.
Narben waren in ihm zurück geblieben. Bruchkanten, so scharf das es vorkam, das er sich an ihnen schnitt und der Schmerz und die Angst von neuem aufblühten.
Dann wurde er fast wahnsinnig vor Sorge um sie, denn auch wenn es viel gab was sie überleben konnte, so war er sich sicher das es auch für sie den tot bedeuten würde, wenn man ihren Kopf von den Schultern trennte.

Und genau das würden die Jäger tun, wenn sie sie fanden.
Das einzige was er tun konnte, um das zu verhindern, war sie zuerst zu finden.

Taynari war eine Jägerin.
Sie kannte ihre Beute, kannte ihre Aufgabe und sie erfüllte diese.
Immer.
So war es immer gewesen und so würde es immer sein.

Also warum hatte sie Kajatan entkommen lassen?

Diese Frage hatte sie sich selbst wieder und wieder gestellt.

Vielleicht lag es an den Bildern von Tyron, die seit der Nennung seines Namen immer wieder vor ihren Augen auftauchte. An seinen Blick, der sie durch ihre Erinnerungen verfolgte. An seiner Stimme, die sie rief und den Teil in ihr berührten, den sie seit langem tot geglaubt hatte.
Den sie seit dem Mord an ihm, tot geglaubt hatte.

Kajatan.
Der Name hallte wie ein stehtes Echo durch ihren Geist.

„Ich war heute mit Kajatan unterwegs.“
Die Worte ihres Bruders hafteten an ihrem Verstand wie die Fetzen eines Traumes, den sie einfach nicht vergessen konnte.

Er hatte Kajatan geliebt. Manchmal glaubte sie mehr, als er sie geliebt hatte.
Hatte ihn bewundert und angebetet.

„Er hat mir neue Strategien bei gebracht, jetzt kann ich ihm noch besser helfen.“

Die Erinnerungen schmerzten und wahren doch zugleich von einer bitteren Süße erfüllt, die sie vergessen ließ wo sie sich befand.
Unter wessen Auftrag sie sich befand.

Es machte sie wütend.
Die Wut brodelte wie ein aktiver Vulkan in den alten Legenden ihres Volkes.
Heiß und überschäumend und genauso launisch. Von einem Moment auf den nächsten konnte die Glut erlöschen und sie mit nichts als Asche und verbrannter Erde zurück zulassen.
Einer dieser Momente war es gewesen, ein Augenblick der Schwäche, in dem sie ihre Begleiter in den falschen Teil der Stadt geschickte hatte.
Fort von ihm.
Fort von dem Mann den ihr Bruder verehrt hatte.

Denn der Grund, weshalb ihr Zorn immer wieder aufgeflammte und erlosch, war der, das sie einfach nicht wusste gegen wen sie ihn richten sollte.

Gegen Kajatan, oder gegen den König?
Ihre Gedanken sprangen zwischen diesen beiden hin und her und stachelten ihre Wut weiter an.

Sie richtete sich auch gegen die Männer, die es damals zu töten galt. Gegen die Wachen, die diese beschützt hatten. Gegen die Männer des Königs, das System, das diesem so viel Macht verlieh und gegen die gesamte Menschheit. Und gegen sich selbst.

Wegen ihrer Unfähigkeit den Schuldigen zu finden und ihrer Machtlosigkeit diesen zu bestrafen.

Sie kam sich pötzlich nicht mehr wie die starke Jägerin vor, die sie doch eigentlich sein sollte. Das sie keine Antwort fand, war eine Schwäche.
Das erste mal schien es ihr nicht, als wäre sie diejenige die über allem stand, sondern als wäre sie ein Spielzeug. Eine Hauskatze, die auf Kommando Mäuse fing und sich einbildete irgendwie wichtig zu sein.

Was spielte es in den Augen des Königs für eine Rolle ob sie lebten oder starben. Was waren sie in den Augen der Welt?

Die Wut in ihrem Inneren entlud sich in einem plötzlichen Schlag auf den massiven Holztisch. Splitter regneten zu Boden und vermängten sich dort mit dem Staub der vergangenen Jahrzehnte.
Ihr Versteck war nicht gerade prachtvoll, aber die Jäger hatten noch nie wert darauf gelegt besonders bequem zu hausen. Vor allem weil sie diese Orte schnell wieder verlassen mussten, wenn es darauf ankam.

Frustriert stieß sie die Luft aus, die sie ohne es zu merken angehalten hatte
Es brachte nichts über ihre eigenen Fehler zu grübeln.
Sie musste sich entscheiden wem sie die Schuld am Ableben ihres Bruders gab. Dem Mann der versagt hatte oder dem der den Befehl gegeben hatte.

Manche würden denken diese Entscheidung wäre leicht, doch das war sie nicht.
Der König war immer etwas unantastbares gewesen.
Eine unverrückbare Größe in dieser Welt, in die sie gehörte.

Er war der Gott dieser, ihrer Welt.
Ihn anzuzweifeln wäre wie der Sonne die Schuld zu geben.
Was konnte sie mit ihrer Wut schon gegen ihn ausrichten.

Als Jägerin hatte sie geglaubt stark und bedeutend zu sein, aber nun kam es ihr wie eine Lüge vor, die sie sich selbst all die Jahre erzählt hatte.
Ihre Machtlosigkeit wurde ihr von neuem überdeutlich bewusst. Sie schien sie nieder zu drücken, wie ein nasses Decke, egal wie sehr sie sich wehrte.

Auf gewisse Weise beneidete sie Kajatan. Ja, er war ein Verräter und dem Tode geweiht, aber bis dieser Tag kam, war er frei.
Er konnte gehen wohin er wollte und wenn er sich nur lang genug vor ihnen versteckte...

„Hallo Tay.“

Beim Klang der dunklen Stimme wirbelte sie herum und ihre gelben Raubtieraugen weiteten sich, als sie sah, wer da zu ihr gesprochen hatte.

Dort, im Rahmen der niedrigen Tür, lehnte der junge Beschaffer, der in ihr einen solchen Sturm an Gefühlen ausgelöst hatte.

Hey, da es mit dem Schreiben in letzter Zeit so gut klappt, habe ich mich entschlossen heute zwei Kapitel hochzuladen😊
Alles liebe, eure Wolfsspuren🐺

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