Mit den Gedanken stand er schon in der Parklücke. Nur noch eine Straße musste er überqueren. Eine Millisekunde bevor die Ampel auf rot schaltete, schoss er mit 100 Meilen pro Stunde über die Haltelinie.
Bevor alles schwarz wurde, sah er nur noch rot. Es fühlte sich an, als stünde die Zeit still. Nur für einen kurzen Augenblick. Kaum einen Zoll vor seinen Scheinwerfern stand ein Cadillac Eldorado Biarritz, in dieser Situation war es ihm leider nicht mehr möglich nach dem Baujahr zu fragen, in knallrot. In seiner Farbintensität nur vom Lippenstift der 20-jährigen Beifahrerin übertroffen. Auf dem Fahrersitz ein Mann, Mitte 50, ergraute Schläfen, ansonsten pechschwarze Haare. Keiner von beiden schrie, sie hatten ihn nicht kommen sehen. Doch nun taten sie es, mit aufgerissen Augen starrten sie ihn an. Es sollte kein sanfter Kuss am Morgen zwischen roten und schwarzen Lippen werden. Als die Zeit wenigstens in Zeitlupe wieder weiter zu laufen begann, riss es ihn aus seinem Sitz. Es folgte eine unglückliche Begegnung mit der Windschutzscheibe, keine empfehlenswerte Art und Weise sein Fahrzeug zu verlassen. Aber den Anblick einer blitzblankgeputzten, roten Motorhaube eines solchen Klassikers im Überflug würde er sein Leben lang nicht mehr vergessen können. Abgesehen davon, dass seine Lebenserwartung wohl noch knapp eine, maximal zwei Sekunden betrug. Es schoss ihm nur noch ein Gedanke durch den Kopf: Jetzt ist es gelaufen. Game Over. Schwärze umhüllte ihn.
In dem Moment, als er erwartetungsgemäß auf den Beton aufschlagen sollte, riss er seine Augen auf.
War das alles nur ein Traum?
Er sah sich um, rundherum hingen weiße grüngepunktete Laken im Abstand von drei Fuß von dem Bett, in dem er lag. Ganz sicher nicht sein eigenes Bett und auch nicht seine Wohnung. Ein Krankenhaus.
Hatte ich den Unfall auf wundersame Weise überlebt? Was war mit den Insassen des anderen Fahrzeugs? Bevor er seine Gedanken und Erinnerungen in die richtig Reihenfolge ordnen konnte, wurde auch schon eines der Laken mit dem gleichen Ton aufgezogen, den auch Duschvorhänge machten, wenn man sie aufzog. Eine Schwester trat an sein Bett, nahm das Klemmbrett mit dem Krankenblatt, wie er glaubte, in die Hand und las: "Allen, Sean. Geboren: 24.10.1993. Gestorben: 03.08.2018. ..."
Wie war das? Gestorben?
Er schrie innerlich, obwohl er es selbst nicht für wahr haben wollte.
"... Todesursache: Schädelbasisbruch. Weitere nicht sofort tödliche Verletzungen: mehrfacher Genickbruch, Risse in der Arteria carotis interna, eine Vielzahl an Unterarmknochenbrüchen und daraus resultierende arterielle Blutungen sowie Schnitt- und Schürfwunden verteilt über den ganzen Körper."
Sie machte eine Pause, doch weder hatte er ihr wirklich zugehört, noch hatte er irgendwas davon verstanden. In seinem Kopf hämmerte ein Wort: tot.
Wie kann das sein? Ich bin auf dem Weg zur Uni gewesen, an der letzten Kreuzung habe ich nochmal beschleunigt und einen Unfall mit einem roten Sportwagen gebaut.
Die Schwester fing wieder an die Lippen zu bewegen, noch in Gedanken drang ihre Frage an seine Ohren: "Wie geht es Ihnen?"(Der Song Beauty from pain, den ich euch oben angepinnt habe, beschreibt wirklich sehr gut wie ich mir die Phase zwischen Tod und Auferstehung vorstelle. Und zusätzlich ist er echt gut, hört ihn euch einfach an, wenn ihr wollt.)
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Und jetzt bist du tot
FantasyWas passiert nach dem Tod? Niemand weiß es, aber viele glauben es zu wissen. Tauche ein, in eine Welt wie niemand sich den Tod vorstellt. Cover by Wattpad Covers