Snowfield

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Ein Kribbeln durchzuckt meine Beine. Ein Kribbeln von der Kälte ausgelöst. Ich öffne meine Augen und schaue aus dem Fenster direkt neben meinem Bett. Alles was ich sehe ist weiß. Nichts als weiß. Es sind bestimmt -10°C, vielleicht auch mehr. So ist das hier in Snowfield. Es gibt 13 Monate hier bei uns und alle davon sind weiß. Weiß ist ein weiter Begriff, denn nicht alles ist einheitlich weiß. Die Häuser sind alle weiß gestrichen, auf den Dächern liegt weißer Schnee. Die Straßen sind überzogen von einer dicken, weißen, kristallenen Eisschicht. Ein Wunder, dass wir uns darauf überhaupt fortbewegen können. Unsere Kleidung ist weiß und selbst die Haare meines Volkes sind weiß. Von wirklich jedem, außer mir. Ich habe Pastellblaue Haare. Schon seit meiner Geburt sind sie so. Meine Mutter sagte mir immer als ich noch klein war, dass meine Haare blau sind, da ich direkt nach meiner Geburt von einem Engel geküsst wurde. Dieser prophezeite unserem Volk vor langer Zeit Frieden mit unseren Erzfeinden. Daran glaube ich jedoch nicht. Ich bin verdammt dazu ein Außenseiter zu sein. Es schaut mich jeder so komisch an. Als hätte ich mir meine Haare gefärbt, was als Schande gilt, denn mein Volk ist stolz auf seine Haare. Sie symbolisieren unsere Macht. Schon seit Jahrtausenden ist mein Volk von einer reinen Seele umarmt. Und jetzt komme ich mit blauen Haaren und alle denken, dass unser Ende naht. Ein schreckliches Ende wie im Bilderbuch. Nein wirklich, es gibt ein Buch, in welchem schon seit Generationen unser Ende prophezeit wurde. Es heißt, dass eine junge Frau, außergewöhnlich seit Geburt an, der Anfang vom Ende sein soll. Nach meinem Wissen geht es dort um Tod, böse Kreaturen, Feuer und Vernichtung. Das Übliche eben. Doch niemand weiß genaueres, denn dieses Buch liegt verschlossen unter der Stadt. Und keiner der jetzt hier Lebenden kennt den Eingang. Es heißt, der Eingang kann nicht von jemandem gefunden werden, der danach sucht. Er zeigt sich zufällig einer Person die sich als würdig erweist. Den Legenden nach findet man zuerst eine Art Labyrinth vor. Das soll der einfachste Teil sein. Danach sollen tödliche Fallen und Monsterangriffe folgen. Von den Monstern hat aber keiner hier eine Ahnung. Weder weiß jemand wie groß sie sind, noch wie sie aussehen, noch wie sie ticken. Viele denken dabei an so etwas wie die roten Drachen. Die roten Drachen leben im Norden. Sie sind 3 Meter hoch, haben einen langen gestachelten Schwanz und große Flügel. Ihre Köpfe ziert eine goldene Krone. Ihr Körper ist überzogen mit glänzenden, feuerroten Schuppen. Es sind schöne Tiere. Für mich jedenfalls. Aber die anderen sehen in ihnen nur das Monster, denn sie können sehr gefährlich sein. Jedenfalls wenn sie wollen. Mit ihren scharfen Krallen und Zähnen können sie alles sehr fein zerteilen. Demnach kann es nicht sein, dass dieser Engel, der mich küsste, für Frieden steht, wenn doch alle an den Untergang glauben. Letztlich denke ich, ich bin ein Monster geworden. Aber noch nicht lange. Erst seit ungefähr einer Stunde. Es gab gestern mal wieder einen Angriff unserer Erzfeinde aus dem Norden. Die verfeindete Stadt heißt Firesoul. Was für ein Zufall, wo dort doch die roten Drachen leben. Jedenfalls kamen die roten Ritter auf ihren Drachen angeflogen und versuchten uns Angst einzuflößen. In meiner jungen Naivität, wie es alle so schön nennen, konnte ich natürlich nicht widerstehen und wollte mir die Drachen genauer ansehen. Ich nenne es Mut. Ich trat also einem soeben gelandeten Drachen gegenüber. Langsam näherte ich mich ihm. Sein Anblick war majestätisch. Noch nie hatte ich eine so schöne Kreatur gesehen. Ich streckte ihm meine Hand entgegen, ließ ihn schnuppern. Er war ruhig, ließ sich auf mich ein. Wir blickten uns direkt in die Augen. Die Traurigkeit in seinen Augen war nicht zu übersehen. Auf einmal hörte ich einen Aufschrei. Der Aufsitzer stach den Drachen in seinen Hals um ihn anzustacheln. Natürlich gerade dann, als ich vor ihm stand. Ein stechender Schmerz war alles was ich spürte. Dann wurde es weiß. Tatsächlich weiß und nicht schwarz. Vor einer Stunde bin ich aufgewacht. Keine Ahnung wo ich bin oder wie ich hier her kam. Ein Bett, ein Fenster, ein Briefumschlag, ein Kleidersack – blickdicht, ein Spiegel und ein großer Saphir inmitten einer weißen Wand. Ich stehe auf, will zum Spiegel gehen. Und was ist? Ich kann nicht laufen. Innerlich macht sich Panik breit. Doch es ist seltsam. Ich spüre wie ich laufe, habe jedoch keinen Kontakt zum Boden. Ich schwebe. Mit Leichtigkeit gleite ich durch den Raum. Vor dem Bett mache ich halt. Mit dem Rücken zum Bett lasse ich meinen Körper fallen. Kein Aufprall zu spüren. Bin ich etwa tot? Nein, dann könnte ich doch nicht in einem so realen Raum sein. Aber was ist dann mit mir passiert? Meine Augenlider werden plötzlich schwer. Sie schließen sich wie von selbst. Es ist kalt. Erstarrt liege ich da, obwohl ich eher schwebe. Ein Kribbeln durchzuckt meine Beine. Ein Kribbeln von der Kälte ausgelöst. Ich öffne meine Augen und schaue aus dem Fenster direkt neben meinem Bett. Alles was ich sehe ist weiß. Nichts als weiß. Es sind bestimmt -10°C, vielleicht auch mehr.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 11, 2018 ⏰

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