Gegensätze

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Sie unterscheiden sich wie Tag und Nacht.
Weiß und schwarz.
Gut und schlecht (oder böse?).
Leben und Tod.

Doch sie existieren zeitgleich und die vorhandene Bindung bleibt trotz der Unterschiede bestehend.

Gegensätze.

Sie und er.

Sie.
Blond, blau-äugig, hellhäutig, unschuldig, Schulmädchen aus gutem Hause.

"Ich will nicht mehr leben."

Er.
Schwarzhaarig, braunäugig, dunkelhäutig, Sohn des Teufels, aus der Schule geflogen und obdachlos.

"Tod ist kein Ausweg aus der Hölle ."

Und jetzt?

Zwei komplett unterschiedliche Personen, Identitäten. Gegensätze. Jedoch nichts besonderes. 'Normal'.
(Doch was bedeutet schon normal?)
Zwei Menschen die ihr eigenes Leben leben. Unfreiwillig, dazu verdonnert zu existieren. An den Unterschiedlichen Enden der Welt. Beide wissen nicht, dass der jeweils andere existiert. Woher auch? Vielleicht sind sie sich schon mal über den Weg gelaufen. Unbewusst, irgendwann im Urlaub. Nebensächlich.

Beschließen wir, dass sie nie bewusst aufeinander getroffen sind.
Dies könnte sich ändern, jederzeit. Morgen, nächstes Jahr, aber vielleicht auch jetzt, in genau diesem Moment. Auf einer Party in New York, in einem unbekannten Pub in einer Seitengasse, nachts. Wieso auch nicht?

Ihr engelblaues Chiffonoberteil würde vom abendlichen Wind New Yorks erfasst werden und unvorteilhaft verrutschen .
'Wie kalt es doch ist.' Würde Sie sich wahrscheinlich denken, während Sie ihren Cardigan aus teurem Cashmir enger an sich ziehen würde und in den nächstbesten Pub hasten würde , um sich dann an der Bar niederzulassen.
Wieso Sie hier war? Unwichtig. Was zählen würde, wäre das hier und jetzt. Nicht das 'wieso?' , welches bereits in der Vergangenheit läge.
Wie Sie hier gelandet war?  Ebenso unwichtig. Wichtig wäre es jedoch, dass Sie jetzt hier war.

Es ist nicht alles wichtig, was dir im Moment wichtig erscheint. Wichtig ist, was Ihr jetzt passiert. Und Sie fokussiert sich vollkommen auf Ihn.

Er säße wie Bestellt und nicht abgeholt , wie auf dem Servierteller, einsam auf einem der anderen Barhocker und schlürfe einen Drink. Sein T-Shirt wäre im Gegensatz zu ihrem in dunkelroter Farbe getränkt und seine Jacke läge achtlos hingeworfen auf dem Thresen.

Beide würden  sofort die Präsenz des Anderen spüren. Ihre Gehirne würden, Unterbewusst vor Angst vorm Unbekannten Adrenalin durch ihre Adern pumpen und sie würden zueinander finden.

"Hey." Würden wahrscheinlich beide zeitgleich sagen. Sie würde peinlich berührt lächeln, während Er aus dem Fenster sähe. Dann Stille. Was tut man auch in einer solch ungewöhnlichen Situation??

"Alles gut bei dir?" Würde Er Sie vielleicht fragen. Sie würde aus Reflex nicken und Er würde spüren, dass dies nicht die Wahrheit ist. Er würde zwar nicht nachhaken, aber Er wäre sich sicher, dass noch etwas dahinter steckt. Er würde ihr intensiv in die Augen starren und das Eis würde brechen. Sie würde Anfangen vom hohen Druck erzählen, der auf  Ihren zarten Schultern lastet. Sie würde Ihm -einen Ihr unbekannten Typen -Ihre Gefühle ausschütten und Ihre Suizidgefährtheit offenbaren.

slam  • poetryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt