Chapter I / part 2

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"Ich wollte sichergehen, dass du nach dem Unterrichtsende direkt nach Hause kommst. Aber was soll dieser Aufzug hier?"
Ihre Stimme klang aufgebracht, geradezu schrill.
"Ist das Marihuana?", fragte sie mit gesenkter Stimme.
"Reg dich nicht so auf!", erwiderte ich unbeeindruckt. "Als ob du dich immer an alle Regeln gehalten hast."
"Ja, genau das habe ich! Weil Mum und Dad uns so erzogen haben! Ich bin enttäuscht von dir!"
Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Das wollte ich mir nicht antun und so ging ich wortlos an ihr vorbei.
Du kannst mich mal, blöde Kuh!
Als ich durch die Cafeteria ging holte sie mich ein.
"Du bist eine Schande, Isabella!", schallte ihre Stimme hinter mir her.
Ich musste nicht einmal aufsehen, um zu wissen, dass alle Augen auf mir lagen.
"Ach ja?" Ich wandte mich ihr zu. "Nur weil ich mich nicht von unseren Eltern zurecht biegen lasse? Bist du nicht langsam genervt davon, die perfekte Tochter zu spielen?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen.
"Ich spiele das nicht", sagte sie langsam, während sie versuchte, die Kontrolle zu behalten. "Außerdem lasse ich mich nicht zurecht biegen."
"Ach so? Glaubst du allen Ernstes, dass du noch die beliebte Vorzeigetochter wärst, wenn du nicht Medizin in Harvard studieren würdest? Wie kommt man überhaupt auf sowas? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass du Menschen helfen willst. Aber verstehe schon, Geld, Macht, Ansehen. Hauptsache perfekt sein für Mummy und Daddy."
"Das gibt so Ärger, wenn sie erfahren, wie du hier herum läufst!"
"Oh nein, du wirst es ihnen nicht sagen!", fuhr ich sie wütend an.
"Und wie willst du mich davon abhalten?", funkelte sie zurück.
"Du miese kleine Schlampe!", zischte ich leise.
"Du kannst mich mal!", rief ich und wandte mich ab zum Gehen. "Ihr könnt mich mal!"
"Du bist eine Schande, hörst du? Du ziehst unseren Namen in den Schmutz! Ich hoffe, du wirst enterbt! ", feuerte sie mir mit ihrer schrillen Stimme, wie Giftpfeile hinterher.
Trotz ihrer Tonlage und dem was sie sagte, klang sie gefasst. Ich hatte Avery noch nie die Fassung verlieren sehen. Sie war eben rundum perfekt.
Verdammte Bitch!
Wie ich sie doch hasste!
Ich verzog mich in die letzte Ecke des Footballfeldes, unter der Tribüne, wie immer, wenn ich meine Ruhe haben wollte. So wartete ich, bis ich Robyn erblickte, wie sie in Begleitung von Tyler, Vince und Jenna, die ebenfalls zu unserer Clique gehörten, über den Parkplatz schlenderte.
Während sie im Auto saß und sich das Haar zusammenband, erreichte ich das Auto und sprang über die Tür.
"Alles okay?", fragte sie mich nur.
Ich nickte und wie erhofft ließ sie es auf sich beruhen. Robyn wusste, wenn ich meine Ruhe wollte.
Nachdem wir den Nachmittag bei ihr um die Ohren geschlagen hatten, fuhren wir am Abend zum Casa De La Fiesta Club, um uns mit den Jungs zu treffen.
"Haben sie gesagt, ob sie schon drinnen sind?", fragte ich mit einem Blick auf mein Smartphone, während wir an der Schlange von Wartenden vorbeigingen.
"Da wir, wie gewohnt, spät dran sind, gehe ich davon aus. Die suchen sich bestimmt wieder Opfer aus und schmeißen sich den Armen an den Hals", erwiderte sie und zog ihren schwarzen Minirock ein Stück höher.
"Na ja, so arm können die deswegen gar nicht sein, besonders nicht bei Finn. Abgesehen davon denke ich eher, dass die sich ihnen an den Hals schmeißen werden. Weißt du noch die Rothaarige mit der schrillen Stimme, letzte Woche?" Ich schüttelte mich bei dem Gedanken an ihre schreckliche Stimme. Das war wirklich nicht zum aushalten.
Finn? Finn? Finn! Bringst du mich nach Hause? Ich habe auch noch Sekt! Hihihi! Zum Kotzen!
"Furchtbar!", stimmte Robyn mir zu und gab Jared, dem Türsteher, nacheinander auf beide Wangen einen Kuss.
"Miss Saunders, Miss Graham", begrüßte er uns.
"Ey! Jared!" Ich hielt die Faust in die Luft und zuckte wie immer zusammen, wenn er sie mit seiner riesigen Pranke, die an dem vor Muskeln sprotzenden Arm hing, traf.
Autsch!
"Mister De Moreau und Mister Wilson erwarten euch bereits, ihre königlichen Hoheiten."
Robyn kicherte und boxte ihn gegen die Schulter, während sie mich bei der Hand fasste, um mich nach drinnen zu ziehen, ehe wir von der wütenden Schlange noch überrollt würden.
Es war, wie zu erwarten, bereits geschlagen voll. Nicht ganz so furchtbar wie an den Wochenenden, aber dennoch so sehr, dass man sich leicht verlieren konnte.
Robyn und ich ließen einander nicht los, während wir uns einen Weg zur Bar bahnten.
"Na schau mal einer an", rief sie mir zu, um die Musik zu übertönen. "Die beiden haben schon wen aufgerissen!"
Ich folgte ihrer Geste und entdeckte die beiden einen Moment später an der Bar sitzen. Zwischen ihnen eine Brünette und eine Blondine. Jeffrey, der Barkeeper, schob ihnen gerade ein paar Drinks über die Theke. Finn hob seinen in die Luft, um mit den dreien anzustoßen. Tyler und die Blondine wirkten jedoch zu beschäftigt. Sie betatschte seinen Oberkörper durch das T-Shirt, während er ihre zurecht gedrehten Locken zwischen den Fingern zwirbelte und sie währenddessen mit seinem umgarnenden Bad Boy Lächeln musterte.
Barbie dumm und Barbie hässlich oder wie?
Ich verdrehte die Augen, tauschte einen entsprechenden Blick mit Robyn und folgte ihr, bis wir die Bar erreichten.
Was das Abschleppen von Frauen betraf waren die beiden unbesiegte Weltmeister. Ich konnte nicht einmal sagen, was sie so unwiderstehlich machte. Es musste eine angeborene Ausstrahlung sein, denn die beiden waren bereits Draufgänger, als ich sie kennenlernte.
"Hey ihr beiden!", rief Jeffrey uns zu, während er bereits zwei Gläser in den Händen hielt. "Wie immer?"
"Hey Jeff!", rief Robyn zurück und bejahte seine Frage mit ihrem nach oben gestreckten Daumen.
"Alles klar?", begrüßte auch ich ihn.
"Wenn meine zwei Lieblingsladies hier auftauchen und mir den Abend versüßen, kann es gar nicht mehr besser werden", erwiderte er und zwinkerte, während ein Grinsen seine Mundwinkel umspielte.
Ich grinste zurück und beobachtete seine geschickten Handgriffe, mit denen er unsere Cocktails mixte.
"So, einmal Caipirinha und Cosmopolitan!" Er schob die gefüllten Gläser über die Theke.
Ich ergriff meinen Caipirinha und ließ mich auf dem Barhocker zu Finns Linken nieder.
"Wie ich sehe, amüsiert ihr euch schon", bemerkte ich spitz.
Er wandte sich mir zu mit einem Grinsen auf den Lippen.
"Auch endlich da", war alles, was er darauf erwiderte.
Die Brünette warf mir einen hasserfüllten Blick zu.
Ich zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe.
"Wow! Ganz ruhig Make-Up Barbie", bemerkte ich mit einem kritischen Blick in ihr Gesicht, für dessen Zubereitung sie mit Sicherheit länger als eine Stunde gebraucht hatte.
Ich nahm einen Schluck von meinem Getränk.
Ihre Augen verformten sich zu Schlitzen.
"Er gehört mir! Halt dich fern von ihm, du blöde Schlampe!"
Meine anfängliche Überraschung verwandelte sich in Spott.
Immerhin ist die Stimme erträglich.
"Hör zu, Süße! Ich habe nicht vor, ihn dir streitig zu machen. Nicht heute Abend. Jedoch verbindet uns beide mehr, als es dich jemals mit irgendjemandem wird. Also falls du wirklich vorhast, dich mit mir anzulegen, rate ich dir besser sofort, die Kurve zu kratzen. Ich bezweifle außerdem, dass du weißt, wen du vor dir hast, Kleines." Ich hatte mich vor Finn über die Bar zu ihr herüber gelehnt und funkelte sie gefährlich an.
"Lilly! Komm schon, hör auf damit!", redete ihre Freundin ihr von der Seite zu. "Leg dich nicht mit ihr an. Das ist Belle Graham!"
"Ganz recht, die bin ich", erwiderte ich und lehnte mich wieder zurück.
"Die?", fragte die Brünette etwas erstaunt. "Deswegen hat sie trotzdem nicht das Recht, mir zu befehlen, was ich machen soll!" Sie verschränkte die Arme.
Robyn war inzwischen hinter sie getreten.
"Das war kein Befehl, sondern ein Vorschlag. Ein freundlicher Hinweis darauf, was am besten für dich ist. Und ich kann dir nur raten diesen zu beherzigen, Süße!" Robyn war ihr so nah gekommen, dass sie mir ihrem Mund fast das Ohr berührte.
Ich sah, wie das Mädchen von einem Zittern durchfahren wurde. Robyn schien bei ihr eine Gänsehaut auszulösen.
Ich nahm, wohlwollend das Spektakel betrachtend, einen weiteren Schluck.
"Im Übrigen ist Belle nicht nur angesehene Stammkundin in diesem Club, sie regiert ihn. Wenn es ihr Wille ist, setzt ihr nie wieder einen Fuß über die Schwelle. Also zieht Leine. Ihr beide!"
Ohne einen weiteren Mucks erhoben sich beide und trabten davon.
Ich sah ihnen zufrieden nach und genoss es, die Oberhand zu haben.
"Gut gemacht, Ladies!", sagte Tyler und schüttelte genervt den Kopf. "Und wen legen wir heute Abend flach?"
"Stell dich nicht so an, Wilson! Du weißt genau, dass ihr jede haben könnt." Robyn verdrehte die Augen.
"Geht's dir jetzt besser?", fragte Finn und grinste.
"Jetzt ja", erwiderte ich.
"Das würde der perfekten Avery aber gar nicht gefallen, wenn sie das nur wüsste."
Ich verdrehte die Augen, trank mein Glas in großen Zügen leer und stand auf.
"Na los, gehen wir endlich zur Bühne! Die Band ist heute Gott sei Dank mal wieder verdammt gut!"
Ich steuerte durch die dichter werdende Masse auf die Bühne zu, während ich Robyn an der Hand hielt.
Eigentlich war es kaum zu glauben, dass selbst unter der Woche fast die Hölle los war. Wenn man am Wochenende hier war, fragte man sich in regelmäßigen Abständen, wie man das überhaupt aushalten konnte. Aber der Casa De La Fiesta war eben der angesagteste Club der ganzen Stadt.
Ich hielt nicht an, ehe wir an der Bühne angekommen waren. Vorn lockerte sich das Gedränge glücklicherweise auf, sodass man genügend Platz hatte, um zu tanzen.
"Cut my life into pieces this is my last resort!", grölte der ganze Raum.
"Verdammt! Die sind heute echt gut! Ich verstehe gar nicht, warum die nicht öfter spielen!", schrie Robyn mir ins Ohr.
Ich verzog schmerzvoll das Gesicht.
Das gibt morgen schön Ohrendröhnen!
"Wahrscheinlich spielen die hier schon öfter, allerdings sind wir auch nicht immer hier! Aber der Name kommt mir bekannt vor!", schrie ich zurück, während ich den knallroten Schriftzug im Hintergrund musterte.
Naked In Cleveland
"Kann schon sein, dass man den mal gehört hat, aber mal ehrlich, wer will schon nackt in Cleveland sein?"
Ich stimmte in ihr Gelächter mit ein.
Während ich mich im Takt der Musik bewegte, musterte ich die vier Jungs auf der Bühne. Mein Blick blieb an dem Sänger hängen. Er hatte schwarzes Haar, war muskulös gebaut, hatte ein markantes Kinn, auffallend schön geformte Wangen, fröhlich glitzernde Augen und ein süßes und gleichzeitig anziehendes Lächeln. Zusammengefasst: Er war unverschämt attraktiv.
Dazu kam die angenehme tiefe aber sanfte Stimme, die dennoch perfekt zu dem rockigen Lied passte und die Art, wie er die mattschwarze Gitarre, die über seiner Schulter hing, spielte.
"Hast du den Sänger gesehen?", rief ich an meine beste Freundin gewandt, während ich ihn nicht aus den Augen ließ.
"Meinst du den, mit den schwarzen Haaren? In der Mitte?", erwiderte sie in gleicher Lautstärke.
"Nein! Ich meine den am Rand mit der pinken Afroparücke! Der, der so albern auf seinem getigerten Zebra die Triangel schlägt!", schrie ich sarkastisch zurück und warf ihr nun doch einen entsprechend genervten Blick zu.
"Ach der!", gab sie grinsend zurück und warf einen Blick auf die Bühne.
"Jap! Und er dich offenbar auch!"
Was?
Ich zog die Augenbrauen nach oben und wandte mich zurück zur Bühne, zum Sänger, der mich inzwischen ebenfalls musterte.
Als sein Blick an meinem haftete, grinste ich ihn verführerisch an.
Nach einem kurzen Moment, in dem er keinerlei Reaktion zeigte, erwiderte er das Grinsen und hob die Hand zum Gruß.
"Den nehme ich mir nachher vor!", kündigte ich mein Vorhaben bei Robyn an.
"Frag ihn, ob er seine Gitarre verkauft!"
"Was willst du mit einer Gitarre?" Ich sah sie verständnislos an.
"Na, Jason Clark steht doch auf Musik! Vielleicht gibt der mir mal Gitarrenunterricht!"
"Der Blonde?" Ich legte die Stirn in Falten.
"Der ist doch heiß!"
Ich brach in Gelächter aus.
Robyn hatte von allen Menschen, die ich kannte, schon immer die besten Strategien gehabt. Ob es darum ging, jemandem etwas anzudrehen oder ihn zu etwas zu überreden, ihn zu manipulieren oder eben jemanden herum zu bekommen. Sie war einfach unschlagbar.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 27, 2018 ⏰

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