Jeonghan
Es war bereits 03:45 Uhr, als mich so viel Unruhe erfasste, dass es mich nach oben aufs Dach verschlug. Joshua hatte geschlafen, also hatte ich mich so leise wie möglich raus geschlichen, um ihn nicht zu wecken.
Ich saß im Schneidersitz auf dem Rand des flachen Daches, des Komplexes in dem sich meine Wohnung befand und sah nach unten auf die Stadt. Ich war immer wieder erstaunt, dass diese Stadt wirklich nie zur Ruhe kam. Das war nicht immer so gewesen. Ich hatte diese Stadt wachsen sehen.
Es zeigte mir wieder, wie viel Zeit vergangen war.
Ich sah den Auto zu, wie sie sich ihren Weg durch die Straßen suchten, aufgehalten von roten Lichter und ließ meine Gedanken ein bisschen schweifen. Warum wollte mir Joshua nicht sagen, wer denn nur sein letzter Meister gewesen war?
Offensichtlich jemand, der es für nötig gehalten hatte ihm zu schaden. Was wohl der Wunsch gewesen war, den er abgelehnt hatte? Ich war mir ziemlich sicher, dass es was sehr gemeines gewesen sein musste, denn so wie ich Joshua kannte war seine Toleranzgrenze ziemlich hoch, vor allem wenn ein Ablehnen des Wunsches eine Trennung von mir bedeutete. Zumindest hatte ich ihn damals so eingeschätzt.
Ich sass noch eine Weile so da und dachte nach, als ich hörte, wie die Tür zum Dach geöffnet wurde. Offensichtlich war ich nicht leise genug gewesen, denn als ich mich kurz umwandte konnte ich Joshuas Gestalt erkennen. Er kam zu mir rüber und setzte sich zu mir. "Irgendwie wusste ich, dass ich dich hier oben finde", meinte er. Ich sah zu ihm rüber und legte den Kopf schief. "Es passt einfach zu dir", meinte er nur und lächelte.
Ich zuckte nur hilflos mit den Schultern. Ich schätze ich hatte mich einfach nicht allzu sehr verändert. Joshua rechte mir einen Becher, den er bei sich hatte und der mir vorher noch nicht aufgefallen war. Ich nahm den Geruch von Kaffee war, der von dem Becher aufstieg. Ich nahm Joshua den Becher vorsichtig ab und probierte.
Okay, dafür das Zeug für giftig hielt konnte er sehr gut Kaffee kochen.
"Ist der okay so?", fragte er und ich nickte. "Wie weit ist denn die Synchronisation?", fragte ich leise und Joshua seufzte. "Zwei Weltkriege. Zwei. Ich dachte, die Menschheit könnte nicht noch bekloppter werden aber offensichtlich habe ich mich getäuscht", meinte er nur und ich trank einen weiteren Schluck von meinem Kaffee. "Die Dummheit des Menschen ist unendlich", erwiderte ich.
"Und verstehst du jetzt auch den Sinn von Kaffee?", fragte ich weiter und Joshua sah mich betont verständnislos an. "Nein, immer noch nicht. Ich muss dir das abgewöhnen. Koffein ist nicht gut für dich, zum Schluss kannst du wieder nicht schlafen", echauffierte er sich. Ich prustete. "Soso", meinte ich und trank noch mal davon, "weil mir nicht schon andere Sachen den Schlaf rauben." "Vampirismus ist keine Ausrede", meinte Joshua altklug.
Ich verdrehte halb amüsiert die Augen. "Auch in den letzten 300 Jahren haben wir Vampire nicht angefangen zu schlafen", ließ ich ihn wissen. Joshua streckte die Hand nach mir aus und strich mir eine Strähne hinters Ohr. "In meinen Armen hast du geschlafen", meinte er leise und ich wurde nur wieder rot und senkte den Blick auf die Straßen unter uns. Zumindest hatte ich in seinen Armen die Zeit vergessen und vor mich hin getagträumt ohne mir auch nur irgendwelche Sorgen zu machen. Das kam dem Schlafen wohl am nächsten.
Ich sagte nichts weiter dazu und Joshua blickte nach oben. "Die Lichter machen die Sterne schwach", sagte sanft und klang dabei sehr nostalgisch. "Wir haben schon stärkere Sterne gesehen, Jeonghan."
Joshua sah sich um. "Das letzte Mal, das wir auf etwas Hohem gesessen haben war, als wir den Berg zu diesem Tempel hochgekraxelt sind", meinte er. Ich lachte leise. "Keine paranormalen Kräfte", meinte ich leise, denn das hatte ich damals gesagt. Ich hatte den Berg mit begrenzten Kräften bezwingen wollen, so wie es alle anderen auch taten. "Keine paranormalen Kräfte", bestätigte Joshua und lachte ebenfalls. "Ich hab dich ein bisschen dafür gehasst, aber ich hatte auch so einen harten Crush auf dich, wie hätte ich dich alleine lassen sollen?"
Ich senkte verlegen den Blick auf die Straße unter uns und kratzte mich am Kopf. "Da schon?", fragte ich. Joshua lachte wieder. Lauter diesmal. "Vom ersten Moment an, Jeonghan. Vom aller ersten Moment als ich dich gesehen habe. Ich dachte sofort: Was für ein hübsches Mädchen!" Ich stieß empört die Luft aus meinen Lungen aus und schubste ihn vom Sims in die Tiefe.
Ein kleines "Uahg" und keine Sekunde später erschien der wieder neben mir und hatte die Chance auch gleich genutzt, um einfach näher neben mir wieder zu erscheinen und mir auf die Pelle zu rücken. Ich hätte es wissen sollen. "Nicht nett, Jeonghan", äußerte er und beugte sich zu mir. "Das letzte Mal hast du mich wenigstens runter geworfen nachdem ich dich einfach geküsst habe."
Mein Herz würde aussetzten.
Wäre es nicht sowieso von Haus aus ein eher ruhiger Geselle. Doch so konnte es wenigstens nicht verraten. Allerdings war das verräterische Stocken meines Atem Joshua sicher nicht entgangen. Damn you, Körper. Ich schluckte leer, doch ich brachte es nicht fertig mich zurückzuziehen, auch wenn ich seinen Atem bereits auf meinen Gesicht spüren konnte.
"Sag, Han, würdest du mich noch mal runterschubsen?", fragte er leise und ich bemerkte wie sein Blick sich kurz auf meine Lippen senkte. Ich antwortete nicht, sondern trank nur demonstrativ einen Schluck von meinem Kaffee, weshalb er sich zurückziehen musste.
"Sag du mir lieber, was es für ein Wunsch war, den du abgelehnt hast", meinte ich schließlich und er seufzte. "Ich denke ich kann mir inzwischen ohnehin denken, wer hinter der Sache steckt", erzählte ich weiter, "also macht es keinen Sinn es weiter zu verheimlichen."
Joshua schwieg für ein paar Augenblicke, doch dann seufzte er erneut und sammelte sich. "Na, schön", sagte er, "sag an. Wenn du Recht hast reden wir darüber, wenn nicht lassen wir es einfach auf sich beruhen." Ich nickte, denn ich wusste, das ich schon richtig vermuten würde.
"Es war Tamieh", vermutete ich dunkel und ich konnte an Überraschung, die kurz über Joshuas Gesicht huschte erkennen, dass ich Recht hatte. Tamieh. Das mochte nach einem niedlichen Mädchen klingen, doch Tamieh war eine ziemliche Bitch gewesen. Eine Vampirin mit zweifelhafter Moral, geboren in eine Familie, die - im Gegensatz zu meiner Familie - gerne die Weltherrschaft der Vampire vorantreiben wollte. Eine absurde Welt mit Menschenfarmen und Blutbar.
Ich hatte schon damals nur ein Augenrollen für solche Labereien übrig gehabt und das Tribunal, dass die Angelegenheiten der Vampire regelte sah es auch genauso, dementsprechend wurde Tamiehs Familie eher belächelt. Trotzdem war vor allem Tamieh ein Garant für Ärgern gewesen. Blöde Bitch.
"Also ging es um mich, oder? Der Wunsch den du abgelehnt hast?", fragte ich weiter und Joshua stieß gestresst die Luft aus den Lungen aus. "Genau deswegen wollte ich nichts sagen, du machst dir einfach viel mehr Gedanken, als gut für dich ist." Er nahm mein Gesicht zwischen die Hände und sah mich fast ein Hauch verzweifelt an. "Ich will nicht, dass du dir wohl möglich noch die Schuld gibst, dafür, dass sie so eine Arschgeige ist", meinte er.
Er hatte Recht. Ich hatte augenblicklich das Gefühl, dass ich Schuld war. Schließlich hatte sich Joshua offensichtlich mehr oder weniger für mich geopfert. Er wusste sicher, was passiert, wenn er den Wunsch nicht erfüllt. Mein Herz wurde warm, aber gleichzeitig auch schwer. Doch das vor mir zu verheimlichen war auch Bullshit. "Was ist denn das Letzte mal passiert, als du mich aus deinen Problemen raus halten wolltest?", fragte ich spitzfindig.
Er biss sich auf die Lippe. Mach das nicht, Joshua, ich konnte so nicht denken. "Du hast Recht, es tut mir leid", erwiderte er leise. Diesmal war ich es, der sich ein bisschen näher beugte. Vielleicht wirkte es das ja auch bei ihm.
"Was war ihr Wunsch?", wollte ich wissen.
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Falling for you
FanfictionGut Ding will Weile haben? Der Vampir Jeonghan ist sich nicht ganz sicher, ob er das so unterschrieben kann, doch nach mittlerweile um die 400 Jahre hat er sich ein Leben aufgebaut, mit dem er ganz zufrieden ist. Der Job als Krankenpfleger macht ihm...