12.55
Ich war zu spät, schon wieder. Allerdings war es heute um einiges wichtiger, rechtzeitig da zu sein als sonst. Denn wenn ich heute nicht auf die Minute pünktlich käme, wäre mein schöner Plan komplett für den Arsch, und ich müsste wieder einige Wochen auf eine neue Gelegenheit warten.
12.56,
noch vier Minuten. Verdammt.
Ich beschleunigte meine Schritte und rannte die letzten drei Blocks zur Hampton Street. Dort angekommen, checkte ich ein letztes Mal die Zeit:
12.58.
Ich würde es also doch noch pünktlich schaffen. Ich bog schwer atmend um die letzte Ecke, die mich noch von meinem Ziel trennte. Als ich dann vor den großen weißen Eingangstüren - die ich schon so oft durchschritten hatte- stand, hatte sich meine Atmung wieder einigermaßen normalisiert.
Es war jetzt Punkt 13.00 Uhr und ich stand brav ,meinen gefälschten Ausweis in der Hand ,in der Eingangshalle, bereit meinen Masterplan in die Tat umzusetzen ,und die „Gen Labs" mal wieder um einige Ampullen des „X-Gen" Präparats zu erleichtern. Jetzt musste nur noch alles wie geplant funktionieren. Dann wäre ich in etwa 3 Stunden bei meinem Auftraggeber Mitch, der wiederum das Zeug bis spätestens übermorgen an Leute der unteren Mittelschicht verteilt hätte. Schnelligkeit ist in unserem Geschäft das oberste Gebot, da man das Präparat ziemlich einfach nachverfolgen konnte. Das war so einfach, weil das „X-Gen" gezielt Mutationen hervorrufen kann, damit man perfekt in seiner Arbeit war. Bei mir wurden zum Beispiel Sinne und Stärke hervorgehoben, da ich ursprünglich als Bodyguard arbeiten wollte. Mitch, der ausgebildeter und mutierter Schmied ist, hat dagegen die Fähigkeit, Metall schmelzen zu lassen. Es gibt aber noch viele weitere spezifische Mutationen. Das hört sich an und für sich ziemlich cool an, aber nicht jeder kann sich einen solchen Eingriff leisten und ohne Mutation bekam man für exakt dieselbe Arbeit nur einen Bruchteil des Lohns eines Mutanten. Deshalb hatte Mitch für genau solche Leute eine Art Hilfsorganisation gegründet, in der Leute wie ich das Präparat stahlen, und er es dann kostenlos an Menschen verteilte, die es brauchten. Das war unser Weg für Gerechtigkeit zwischen den Mutanten und „Normalos" zu sorgen.
13:01
Eine etwas untersetzte ältere Dame kam auf mich zu, um meine Personalien aufzunehmen, und mich etwas gestresst in eines der Konsultationszimmer zu bringen. Mitch hatte mir vorher eine Liste der gebrauchten Mutationen gegeben, von denen ich mir eine ausgesucht hatte. Damit konnte ich dem Berufsberater den Beruf, für den sich diese Mutation besonders gut eignete, ohne Umschweife nennen, um möglichst schnell in eines der Behandlungszimmer überwiesen zu werden . So zumindest die Theorie, in der Praxis gestaltete sich das alles etwas schwieriger, da der Berater wohl noch nicht lange hier arbeitete. Deswegen wollte er wohl sicher sein, dass seine Bewerber die perfekten Jobs haben konnten ,und mir schien er zweifelnd meinen vorgespielten Berufswunsch nicht ganz abzunehmen. Es kostete mich fast eine ganze Stunde und den treu-doofsten Hundeblick, den ich drauf hatte ,um den Mann von meinem Wunsch als Musikproduzent zu überzeugen.
13.57
Ich stand nun mit der für mich ausgestellten Akte endlich vor meinem wahren Ziel, dem Behandlungsraum. Vorsichtig klopfte ich an die glatte weiße Tür ,die einzig durch eine grünliche Plakette mit der Aufschrift; „Dr. Alecto Apgar; behandelnde Ärztin für X-Gen-Forschung" unterbrochen wurde. Die Tür schwang lautlos in den Innenraum und gab den Blick frei in einen weißen Raum ,der mit einer ebenfalls weißen Liege, einem imposanten Schreibtisch, der wenn ich mich nicht täuschte aus Mahagoni war, einigen exotischen Zimmerpflanzen und einigen raumhohen Regalen ausgestattet war. Die Ärztin, die hinter ihrem Schreibtisch saß, war nicht viel älter als ich, hatte schulterlange aschblonde Haare und wache eisblaue Augen. Nachdem ich ihr meine Akte überreicht hatte, nahm sie sich Zeit, diese genauestens zu prüfen. Zu viel Zeit für meinen Geschmack, aber da ich sie ja schlecht zur Eile antreiben konnte, weil das dann doch etwas auffällig wäre, gab ich ihr die Zeit. Als sie fertig war meine Akte zu betrachten, sah sie mich mit einem so durchdringenden Blick an, dass bei mir alle Alarmglocken auf einmal los schrillten. Nervös fuhr ich mir durch meine kurzgeschnittenen Haare. Plötzlich stand sie auf und schritt langsam auf mich zu. „Sie sind also Miss Coal und sie wollen Musikproduzentin werden?", fragte sie mich interessiert. Meine normale Selbstsicherheit wiederfindend bejahte ich ihre Fragen. Sie ging auf eines der Regale zu: „Haben sie schon eine Vorstellung welches Präparat ihren Bedarf am besten abdeckt?" Ich nannte ihr das vorher ausgesuchte Mittel und wartete darauf, dass sie das durch eine Glasscheibe abgeschlossene Regal öffnen und mir somit Zugang zu den ersehnten Präparaten gewähren würde. Dazu würde es aber gar nicht kommen.
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Projekt X
Science FictionQuinn Earheart und Dr. Alecto Apgar zwei Frauen mit zwei völlig unterschiedlichen Vorstellungen der Welt. Die eine tut alles um den Fortschritt voranzutreiben, die andere versucht genau das zu verhindern. Doch mit einem unfreiwilligen Treffen veränd...