Kapitel 18

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Nachdem ich es geschafft habe Riley den kompletten Montag entweder zu ignorieren oder aus dem Weg zu gehen verlässt mich mein Glück bereits Dienstag in der ersten Stunde. Als erstes habe ich Mathematik bei Frau Rothenburg. Einer unglaublich strengen Vampirin, die jede Lüge sofort durchschaut. Da ich aber bereits die letzten Jahre bei ihr Unterricht hatte, lege ich mir bereits eine Wahrheit zurecht, die nichts mit Riley zu tun hat.

Und wie erwartet, ich sitze in der vorletzten Reihe neben Victoria, kommt Frau Rothenburg zielstrebig auf mich zu. "Miss Snow. Wo waren sie letzte Woche? Falls ich mich recht erinnere hatten wir da bereits Unterricht!" Normalerweise ist sie eine sehr nette Frau, doch wenn es um ihren Unterricht geht, da versteht sie keinen Spaß. "Ich hatte letzten Dienstag eine kleine Auseinandersetzung und musste mich erstmal dringend abreagieren. Sonst hätte nicht nur ich ihrem Unterricht nicht folgen können, sondern auch der Rest der Klasse."

"Ach sie haben im Speisesaal für Unruhe gesorgt? Das hätte ich mir ja denken können." Mit einem kurzen Lächeln in meine Richtung wendet sie sich nun Riley zu, der schräg hinter mir in der letzten Reihe sitzt. Wie gesagt, sonst ist Frau Rothenburg sehr nett und verständnisvoll. "Und sie haben es auch nicht für angebracht gehalten in der ersten Stunde meinem Unterricht beizuwohnen? Auch wenn sie sich bereits das zweite Mal den Stoff anhören müssen, verlange ich ihre Anwesenheit. Wären sie gut, dann müssten sie ja nicht hier sitzen. Also, was ist ihre Ausrede Mister McKane?"

Hoffentlich hat sich dieser Vollidiot eine gute und plausible Ausrede einfallen lassen, die auch noch der Wahrheit entspricht. "Ich war im Wald." Wenn ich könnte würde ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn schlagen. Doch das wäre zu auffällig. "Sie waren im Wald?" Die Stimme von Frau Rothenburg wird gefährlich ruhig. Fieberhaft überlege ich, wie ich Riley helfen kann ohne ihn, und somit auch mich, zu verraten. Aber das einzige was mir einfällt bricht unseren Waffenstillstand. Ein ordentlicher Streit. Hoffentlich hat der Wolf noch ein paar Gehirnzellen und bemerkt den Unterschied zwischen einem Streit und der Diskussion, die ich jetzt absichtlich vom Zaun breche.

"Sag bloß du bist wieder einem Weiberrock hinterher gerannt.", zische ich ihn mit einem missbilligendem Ton an, bevor er Frau Rothenburg antworten kann. Sofort schießt sein Blick zu mir und ich kann das Funkeln in seinen Augen erkennen. "Und wenn es so gewesen wäre würde es dich trotzdem nichts angehen.", gibt er ruhig zurück, doch ich kann das leichte Heben seiner Mundwinkel sehen. Er hat es offenbar verstanden. "Du bist erbärmlich."

"Meiner Meinung nach war die Person froh über meine Gesellschaft." Bevor unser scheinbarer Streit ausarten kann greift Frau Rothenburg ein. "Das reicht! Wir fangen jetzt mit dem Unterricht an! Ich will kein weiteres Wort hören. Von beiden nicht!", ruft sie aufgebracht und wedelt wütend mit den Händen in der Luft umher. Dann beginnt der Unterricht, dem ich glücklicher Weise folgen kann, da Selena gestern so nett gewesen ist und mir ihre Aufzeichnungen gegeben hat.

Das habe ich von meiner Mutter geerbt, die auch immer gut in der Schule gewesen ist. Von meinem Vater habe ich eher die magische Begabung. Dachte ich zumindest, da auch er auf der siebten Stufe gestanden hat. Genauso wie mein Bruder. Doch nun stehe ich auf Stufe zehn und bin nicht mal in der Lage ihnen davon zu erzählen. Sie wären bestimmt Stolz gewesen. Und James hätte nicht mit mir geredet, weil er geschmollt hätte. Wie immer wenn ich in etwas besser gewesen bin als er.

Die Pausenklingel reißt mich aus meinen traurigen Gedanken und ich verbanne sie in den hinteren Teil meines Kopfes. Schnell packe ich meine Sachen zusammen und begebe mich mit Selena, Victoria und Luise zu Geschichte. Auf dem Weg begegnen wir Abigail und Shawn, welche in einer Klasse sind und sich offensichtlich heftig streiten.

Verwirrt bleibe ich einige Meter entfernt, an die Flurwand gelehnt, stehen und beobachte das Schauspiel. Die beiden streiten sich so laut, dass ich sogar verstehen kann um was es geht. Shawn gefällt nicht, dass Abigail sich so freizügig anzieht und die Vampirin sieht gar nicht ein sich von ihm Vorschriften machen zu lassen. Und ich dachte immer nachdem man seinen Gefährten gefunden hat ist man ein Herz und eine Seele.

Verwirrt runzel ich die Stirn, als auf einmal jemand sehr viel größeres neben mir stehen bleibt. Victoria, Selena und Luise sind bereits verschwunden. Bei sowas mischen sie sich nicht ein. "Der Paarungsrausch der Beiden ist wirklich amüsant.", bemerkt Riley, als die beiden Streithähne mitten in der Diskussion auf einmal wild küssend übereinander herfallen. "Ist das immer so?", kann ich mich nicht zurückhalten ihn zu fragen, obwohl ich eigentlich unglaublich wütend auf ihn bin.

"Nein. Das ist bei jedem Paar anders. Es kommt ganz auf die Spezies an. Und den Charakter. Beide sind sehr aufbrausend und dominant. Keiner lässt sich von dem anderen etwas sagen oder ordnet sich unter. Wahrscheinlich wird ihre Beziehung ein ewiges hin und her.", versucht mir Riley zu erklären, aber ich steige noch nicht ganz durch. "Dann ist diese Gefährtensachen gar keine Garantie für eine glückliche Beziehung?"

Zum ersten Mal seit Sonntag sehe ich den Werwolf ohne Groll oder Wut in die Augen. In seinem türkisenen Blick kann ich sowohl Überraschung als auch Freude erkennen, was mich ein wenig verwirrt. Freut er sich über Shawn und Abigail oder darüber das ich mit ihm rede? Wahrscheinlich messe ich mir selbst mal wieder zu viel Bedeutung zu. Wie schon nach unserem, zugegeben sehr schönem, Kuss.

"Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es bei anderen Konstellationen ist, weil ich es nicht kenne. Meine Eltern sind beide Werwölfe und auch in meiner Familie gibt es maximal Menschen. Doch das fällt nicht weiter auf, da sie durch den Biss ihres Gefährten ebenfalls zu Werwölfen werden. Deshalb kann ich dir nur sagen, dass es zwar ab und an mal Reibereien gibt, aber durch die Bindung beider Partner wohl niemand den anderen hassen oder verabscheuen kann. Ich kann dir leider auch nur sagen was mir erzählt worden ist.", meint er entschuldigend, doch ich weiß zu schätzen, dass er es wenigstens versucht hat.

"Komm, lass uns zu Geschichte gehen. Nicht das wir von Herr Brian einen größeren Anschiss bekommen als von Frau Rothenburg.", murmel ich und will schon im Klassenzimmer verschwinden, als Riley mich noch einmal aufhält. "Elli? Ich wollte dir noch danken, dass du mir gerade geholfen hast." Kurz wende ich mich noch einmal zu ihm um. "Kein Problem. Das heißt aber nicht, dass ich dich leiden kann, Wolf."

Auf Rileys Gesicht erscheint ein breites Grinsen, welches seine Augen förmlich zum Strahlen bringt. "Das hätte ich auch nie vermutet, Hexe." Ich kann nicht anders als das Lächeln zu erwidern und ihm ein kleines Stück mehr zu verzeihen als er es verdient. Vielleicht schaffen wir es ja doch Freunde zu sein.

Gemeinsam gehen wir in den Unterricht. Und ich muss feststellen, dass ich diesen Gleichklang und diese gegenseitige Akzeptanz ziemlich vermisst habe. Aber das würde ich nie im Leben zugeben. Wenn ich jetzt nett zu Riley bin versuchen meine Freundinnen nur mich mit ihm zu verkuppeln. Und das würde nichts bringen. Irgendwo ist seine Gefährtin und wenn er sie dann irgendwann findet wird er mir unweigerlich das Herz brechen. Deshalb schütze ich mich am Besten, wenn ich ihn niemals an mich ran lasse. Da kann er noch so gut küssen.

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt