Femke hatte schon zu oft versucht, zu fliehen.
Ihr erster Fluchtversuch lag mittlerweile gut zwei Jahre her; sie hatte diesen unternommen, nur wenige Tage nachdem sie in dieser unbekannten Zeit angekommen waren. Es war Sommer gewesen, damals, die Nächte waren lang und sie hatte tagelang die perfekte Ehefrau gemimt, hatte alles getan, was Lucas von ihr verlangt, und noch mehr. Sie hatte ihre ehelichen Pflichten erfüllt, sie hatte sich ganz zu der gemacht, die er wollte- mit einem netten Lächeln und einem Essen zu jeder Mahlzeit. Nicht einmal hatte sie angesprochen, was er getan hatte.
Für eine Sekunde war es auch alles einfach gewesen; sie hatte das Grundstück hinter sich gelassen, ihre Schritte wurden mit jeder Sekunde leichter. Sie wusste sogar, wohin sie wollte- Anthony hatte ihr gesagt, an wen sie sich wenden solle, und sie wusste, wo er lebte. Es war, als würden alle Strapazen von ihr abfallen, als würde sie endlich wieder atmen können.
Bei Simon angekommen war auch noch alles in Ordnung; er nahm sie auf, er gab ihr ein Bett sobald sie gesagt hatte, dass Anthony Mayr sie geschickt hatte. Es war alles so leicht- viel zu leicht.Als sie am nächsten Morgen aufwachte lag sie wieder in ihrem Bett daheim, in einem Haus in dem sie unglücklich war und in dem Lucas Fabray über dem Bett thronte und auf sie herunter sah.
Er schlug sie nicht, wie sie gedacht hatte, wie daheim in Weimar noch; er legte ihr nur die Hand auf, und Femke schrie unter den Verbrennungen.
" Lass mich gehen", wimmerte sie, "Ich liebe dich nicht, Lucas. Lass mich gehen"Lucas legte nur den Kopf schief, während sie sich immer noch wand und die Wunden kühlte; es funktionierte nicht besonders gut, aber ihr Eis hatte noch nie bei Lucas gewirkt.
" Bleib hier", sagte er schlicht, und obwohl sie sich wehrte, blieb sie. So schwach konnte sie nicht fliehen.Aber sie versuchte es erneut, denn Femke Schmidt wäre nicht Femke Schmidt, würde sie nicht kämpfen; dieses Mal mit einem noch besseren Plan und einem Zugticket zu Marie Pontmercy, einer langjährigen Freundin Anthonys.
Anthony, der in Weimar sein Leben gelassen hatte- Femke musste schon alleine für ihn fliehen, vor seinem Mörder, um seinem Erbe gerecht zu werden.
Sie floh, als Lucas nicht da war, für zwei Tage sollte er außerhalb der Stadt sein; eine bessere Gelegenheit gab es nicht. Sie packte, sie verließ das Haus und sie machte sich auf den Weg zu Marie Pontmercy. Und wieder klappte es.
Als Femke aufwachte lag sie in ihrem Bett daheim, Lucas stand über ihr und sah sie mit einem ausdruckslosen Gesicht an; sie schrie, und sie wehrte sich. Er schwieg, bis ihr von den Schmerzen schlecht wurde.
Würde er sie wenigstens einsperren, dann könnte sie nicht mehr fliehen- doch die Türe stand immer offen, sie kam hier nur weg. Egal, wie viel sie schrie und ihn anflehte.
" Ich liebe dich nicht!", schrie sie, wehrte sich unter seinen Berührungen, "Ich liebe dich nicht! Ich habe dich nie geliebt, es war immer nur Anthony! Du bist ein Mörder", schrie sie.
Lucas Fabray legte den Kopf schief, ein Lächeln huschte über sein Gesicht, ganz kurz.
" Lass mich gehen", wimmerte sie.
" Träum weiter, Schlafwandlerin", murmelte er, beinahe schon sanft, "Träum weiter, Schlafwandlerin", wiederholte er dann, drückte sie zurück in die Kissen; Femke weinte leise auf, als er sich neben sie legte.
Sie versuchte nur noch einmal zu fliehen.
Zwei Wochen später, und dieses Mal lief sie einfach nur weg, ohne Ziel und ohne irgendwelche Pläne; sie blieb wach, damit sie nicht wieder in ihrem Bett aufwachen müsse.
Nach zwei Tagen brach sie zusammen.
Am nächsten Morgen wachte sie auf, mit Lucas Fabray neben sich, und furchtbaren Schmerzen.
" Dreimal sollte genug sein", sagte Lucas schlicht und ergreifend, "Und du hast es jetzt sicher verstanden, nicht, Femke?", fragte er, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, unter dem sie beinahe erbrach.
" Lass mich gehen", flehte sie, fast schon pathetisch.
" Träum weiter, Schlafwandlerin."
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Sleepwalker
Short StoryLock these chains Throw away the key Lucas und der Zeitalmanach Femlucas // Oneshot