Prolog

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Schwarzblau, mittellanges Haar umwehte sanft ein volles, trauriges Gesicht. Tanzende topasgelbe Augen, die aufgeweckt in ihren Höhlen ruhten, beäugten gedankenverloren die seichten Wogen des brachliegenden Meeres und das kleine belebte Dorf in Küstennähe. Unauffällige Sommersprossen umspielten ihre Nase und Wangen und hinterließen wertvolle Erinnerungen an längst vergangene Zeiten an der Seite ihrer viel zu früh dahingeschiedenen Mutter. Dies ist das Gesicht von Shinrai D. Shimizu, eine auf ihrer Heimatinsel, Aazar, angebetete Dämonin. Sie differenzierte sich von den Inselbewohnern durch ihre flauschige Rute und den dazu passenden blauschwarz, aufgestellten Wolfsohren.

Shinrai D. Shimizu ist ein eine 21-jährige Wolfsdämonin, deren Leben sich seitdem viel zu frühen Tod ihrer Mutter hauptsächlich in dem Schrein, den die Inselbewohner ihr gewidmet hatten, und den umliegenden Wäldern abspielte. Momoko Shimizu wurde elf Jahre zuvor grausam von ein paar betrunkenen Banditen zu Tode geprügelt, während sich die Marine nie die Mühe gemacht hatte, der Toten Gerechtigkeit zu verschaffen oder sich um den damals erst zehn-jährigen, zurückbleibenden Vollwaisen zu scheren. Fortan wuchs sie allein im Schrein auf, wobei nur die pilgernden Dorfbewohner ihr hin und wieder etwas Gesellschaft leisteten und sie mit allem Nötigen versorgten. Ihr Vater verließ sie, als sie noch klein war, und ließ sie mit einer liebenden Mutter im Schrein in den Wäldern nahe des großen Dorfes an der Küste zurück. Derzeit war Shinrai alleinstehend. Ihre letzte Beziehung war mit einem kleinen Fischer namens Daisuke Arata, der genauso alt war wie sie. Sie trennten sich, weil Daisuke der von Shinrai so verhassten Marine beitrat, um sich dort einen allbekannten Namen zu verschaffen. Durch die Rarität der bekannten Dämonen waren auch schnell Banditen und Piraten auf Shinrai aufmerksam geworden, die mit ihr den großen Reichtum erlangen wollten. Doch die Bewohner der Insel ließen nie zu, dass ihre angebetete Dämonin von der Insel entwendet wurde. Shinrai hatte Jahre zuvor von der Anbā-Anbā-Frucht gegessen, welche es ihr erlaubte, die Kräfte des mit zuletzt in Kontakt gekommenen Teufelsfruchtnutzers zu kopieren und selbst zu verwenden.

Wehmütig an die gemeinsame Zeit mit Momoko zurückdenkend, nahm Shinrai trotz geschärften Gehör das leise Knacken von Geäst knapp hinter ihr nicht wahr. Nicht eingestellt auf den plötzlich nach vorne schnellenden haarigen Herrenarm, verblieb Shinrai kaum Handlungszeit, bevor sich ein fleckiger Lumpen gegen ihr Gesicht presste. Aussichtslos gegen eisernen Griff des unbekannten ankämpfend inhalierte die gefährdete Dämonin den beißend chemischen Geruch, welcher augenblicklich kleine tanzende schwarze Punkte hervorbrachte. Und jetzt, wo dieser betäubende Odeur sich bereits in den brennenden Bronchen der schwarzblau haarigen Frau abgesetzt hatte und ihr klarer Verstand von einer Art Schleier verhüllt wurde, nahm sie die beißenden Ausdunstungen des Lumpen weiter in ihrem ermüdenden Korpus auf. Mit einem letzten fatalen Atemzug schlossen sich die schweren Augenlieder der 21-jährigen und ihr Körper erschlaffte gegen den eisernen Griff des Unbekannten.

Das nächste Mal, dass die Wolfsdämonin die Augen aufschlug, fand sich Shinrai mit einem dröhnenden Schädel mit stramm zusammengebundenen Gliedern in einer ihr fremden Umgebung wieder. Der dunkle Raum schaukelte durch die wogenden Wellen gleichmäßig auf und ab. Doch davon schien sich die dunkle maskuline Gestalt, welche die prächtigen Gewänder des Kapitäns ausfüllte und mit ihrem Korpus dem matten Sonnenstrahlen den Zugangang durch das einzige Bullauge ins Zimmer verwerte, nicht beirren zu lassen. Sich nicht zu seinem unfreiwilligen Gast herumdrehend brummte der fremde Pirat: „Na, endlich wach?! Dachten schon Zankoku hätte dich unbeabsichtigt abgemurkst. Da hatten wir ja nochmals Glück gehabt...Denn tot wärst du wohl für uns wertlos und würdest kaum einen Berry einbringen...Also dann, wenn die Dame mich entschuldigen würde, wir werden in knapp zehn Minuten an der nächsten Insel vor Anker gehen. Und du wirst sicherlich verstehen, dass ich als Käpt'n dem Haufen präemptiver Affen Befehle geben müssen." Damit wand sich der noch immer namenlose Pirat vom Bullauge ab und verließ nach einem flüchtigen Blick zur am Boden liegenden Dämonin die Kajüte, welche er von außen verschloss. Kaum dass die Kajütentür hinter dem schmierigen Piraten ins Schloss fiel rollte Shinrai sich in eine aufrechte Position, in welcher sie ihre stramm zusammengebundenen Handgelenke über ihr Haupt erhob. Tief durchatmend brachte die Dämonin sie kurz darauf mit Wucht gegen ihren Unterleib, wobei sie ihre Ellenbogen an ihrem Rumpf vorbei lenkte und damit den Strang auseinanderriss. Die Überreste des Taus, welches zuvor ihre Handgelenke stramm umschlungen hatten, achtlos beiseite schleudern begann die schwarz haarige Dämonin den Knoten an ihren Knöcheln aufzuknoten, während außerhalb des Bullauges bereits die ersten Docks vorbeizogen. Ihre einschneidenden Ketten, welche Shinrai kurzerhand aufgelöst hatte, von sich tretend raffte sich die 21-jährige hastig auf und griff sich den nächstbesten Gegenstand, welcher sich als eine kleinere Abbildung eines kupfernen Ankers mit einem angeknoteten Tau herauswies. Bedenkenlos mit dem ergriffenen Gewicht ans Bullauge herantretend schmetterte die Dämonin den massiven Sockel der Skulptur gegen empfindliche Glas des Bullauges, ehe sie die verbleibenden Scherben des gesplitterten Glases rausschlug. Alarmierte Stimmen wurden in den Fluren vor der Kajüte laut, weshalb Shinrai eilig ihren Oberkörper und anschließend mit etwas mehr müh ihren Rumpf durchs ausgeschlagene Bullauge schlüpfte. Sich aufrappeln nahm die geflüchtete Dämonin ihre Beine in die Hand und stürmte, ohne eine Sekunde zu vergeuden ins Inselinnere. Durch das Klirren der berstenden Scheibe alarmiert hetzte die laut brüllende Crew ihrer flüchtigen Gefangenen hinterher, welche durch ihre überlastete Aufmerksamkeit mit den erstbesten Marinesoldaten kollidieren, weshalb sie nun auch von der leichtfertig um sich schießenden Marine durch die vollen Straßen gehetzt wurde. Und auch wenn die 21-jährige geschickt den tödlichen Kugeln auswich, so trafen einige mehr oder weniger doch ihr Ziel. So hatten sich beispielsweiße eine splitternde Kugel problemlos die Schulter des fliehenden Dämons durchbrochen und eine weitere hatte sich tief in Shinrais Oberschenkel gebohrt. Den beißenden Schmerz verzweifelt verdrängend preschte Shinrai weiter voran, auf der Suche nach einem rettenden Ausweg oder wenigstens einen nützlichen Teufelsfruchtnutzer. Unachtsam durch Schmerzen und flüchtige Gedanken kollidieren Shinrai erneut mit einem umstehenden Passanten. Abrupt kam die gehetzte Dämonin zum halt und auch ihre pochenden Wunden rückten in Hintergrund, als Shinrai sich schlagartig einem 2.40m großen, aufrechtstehenden Polarbären in einem orangenen Overall gegenüber fand. Noch nicht recht diese ungewöhnliche Begegnung verarbeitet, nutzte der Bär die Verblüffung aller und ergriff die deutlich kleinere weibliche Gestalt. Die ihm eigentlich vollkommen unbekannte Dämonin in seine Arme hebend eilte der pelzige Riese los. Shinrai eines kurzen Blickes würdigen spurtete der Polarbewohner durch die nur semibellebten Straßen, unterdessen er auf einmal ein wenig panisch artikulierte: „Keine Sorge, Käpt'n kriegt dich schon wieder hin. Alles wird wieder gut...A-ach ich bin Bepo...Entschuldigung." Na klasse, nun konnte dieser gigantische Bär sich also auch noch artikulieren, oder lag es eventuell an dem Blutverlust und den und den stechenden der die verschiedenen Wunden? Apropo stechender Schmerz, nun wo das Adrenalin allmählich nicht mehr durch das gesamte System der 21-jährigen gepumpt wurde, traten auch das schmerzhafte Pochen wieder mehr in den Vordergrund. Stöhnend den Kopf gegen die breite Schulter des Polarbären plumpsen lassend, sackte Shinrais ausgelaugter Körper in sich zusammen und ihre Lieder schlossen sich flatternd. Dies blieb auch dem in Panik geratenden Eisbären nicht verborgen, welcher unter Zeitdruck sein Tempo noch ein wenig anzog. Kaum das quich-gelbe U-Boot welches Bepo mitsamt seinen Crewmates und seinem Käpt'n als zuhause betitelte, die Polar Tang, erblickend stürmte ein Mann in einem ähnlichen weißen Overall wie der von Bepo, dessen schulterlanges rotes Haar von einer Türkis-roten Kappe bedeckt wurde, auf den herbeieilenden Eisbären zu. Sich dem Tempo des Eisbären anpassend und gemeinsam mit diesem zurück zu ihrem U-Boot stolpernd, fragte Bepos Crewmate ein wenig atemlos: „Man Bepo, wo hast du dich rumgetrieben? Käpt'n meinte wir legen besser ab, bevor die hier eintreffende Marine uns erblickt...Und woher hast du dieses Mädchen? Wer ist sie überhaupt?" Den Worten seines Kammeraden keine Achtung schenken, eilte der weiße Polarbär zu seinem Käpt'n, welcher sich am Deck etwas ausruhte und welcher ihn angesichts der bewusstlosen Fremden mit einer hochgezogenen Augenbraue fragend besah. Die bewusstlose Shinrai etwas seinem Kapitän entgegen drückend bettelte der schneeweiße Bär: „Käpt'n, wir müssen ihr helfen sie braucht dringend ärztliche Versorgung. Ohne unsere Hilfe ist sie aufgeschmissen...Entschuldigung." Die ohnmächtige Dämonin von sich drückend erwiderte Angesprochener: „Nun mach mal halblang, Bepo. Hast du etwa schon vergessen, dass wir kein Hilfsorganisation sind...Ihr wäre besser geholfen, wenn du sie dort gelassen hättest, wo du sie aufgegabelt hast. Die Marine hätte ihr sicherlich geholfen..." Die Worte seiner Käpt'n unterbrechen, warf der Polarbär erbittert ein: „Nein du verstehst nicht, die Marine hat auf sie geschossen. Die werden ihr nicht helfen...Wenn wir ihre Wunden nicht versorgen, wird sie ihren Verletzungen vermutlich auf kurz oder lang erliegen...Entschuldigung." Während sein rothaariger Kamerad aufgrund Bepos ersten Satzes im Hintergrund sowas wie 'Warum haben die wohl auf sie geschossen?! Sie muss irgendwas verbrochen haben, dass die Marine auf sie schießt...Wir sollten also lieber gut überlegen, ob wir sie auf unser Schiff lassen' brüllte, gab der eigentliche Entscheidungsträger der Polar Tang der Bitte seines Navigators, mit einem von einem Seufzen begleiteten Nicken nach.

The Heart pirates and the Amber WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt