1. Kapitel

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Ich schob den schweren  Samtvorhang zur Seite, der das sonst störende Sonnenlicht draußen halten sollte. Heute dagegen waren Wolken aufgezogen und jegliches Licht war hinter ihnen verschwunden. Es schein mir sogar heller, nachdem ich den Vorhang passiert hatte.
Vor mir lag ein Zirkuszelt, indem heute Abend aber einige Dokumentarfilme gezeigt wurden, deren Regisseure und Produzenten ebenfalls anwesend sein würden und zu ihren kleinen, selbstfinanzierten Projekten etwas sagen würden.
Einige Menschen hatten sich bereits auf ihren Plätzen eingefunden, aber doch weniger als erwartet. Ich suchte mir einen Platz am Rand aus, fast ganz hinten, mehr im Schatten des Geschehens. Ich war mein ganzes Leben lang stiller Beobachter gewesen, ich genoss es, die Menschen betrachten zu können, fern davon, auch von ihnen beobachtet zu werden.
Ich nahm Platz auf dem gepolsterten Gartenstuhl und stellte mein eines Bein auf dem Stuhl ab, um meinen Kopf darauf legen zu können.
Ich schloss ein wenig die Augen. Es würde noch einige Minuten dauern, bis die Vorstellung beginnt und ich genoss das beruhigende Geräusch der ersten Regentropfen, die auf das Zelt fielen. Nach kurzer Zeit wurde es bereits heftiger, vielleicht beginnt jetzt endlich der Sturm. Ich versank im Geräusch des niederprasselnden Regen und vergaß ganz, wo ich war. Wasser hatte für mich schon immer eine schöne Bedeutung gehabt.

Ein Räuspern ließ mich hochfahren.
Eine Frau hatte neben mir Platz genommen und ich war wohl eingenickt, jedenfalls fand ich mich auf ihrem Schoß wieder.
Gott, wie peinlich. Schnell richtete ich mich auf.
"Das tut mir furchtbar Leid. Das passiert mir sonst wirklich nicht, das können Sie mir glauben.." stotterte ich beschwichtigend und sah peinlich berührt zu ihr, nachdem ich nun wieder meine eigentliche Sitzposition eingenommen hatte.
Sie schmunzelte bloß amüsiert, und richtete ihren Blick wieder nach vorne.
Etwas erstaunt, dass dieser Aktion keine Schimpftirade folgte, sah ich auch nach vorn. Der Film hatte längst begonnen, es ging um Nashörner.
War ich hier überhaupt richtig?
Ich hatte etwas über einen Film über Buckelwale in der Zeitung gelesen, nur deswegen war ich überhaupt hier.
Vielleicht war das der zweite Film und ich hatte den ersten verschlafen?
Ich strich über meine Stirn. Dass das gerade auch immer nur mir passiert.
Das Zelt war mittlerweile noch etwas leerer geworden, vielleicht fühlten sich die Menschen gestört vom Regen, der noch immer zu hören war.
Warum die Frau wohl nichts gesagt hatte?
Noch immer etwas schläfrig aber neugierig wandte ich meinen Blick zu ihr.
Nach genauem Betrachten stellte ich fest, dass sie ziemlich attraktiv war. Sie war keine klassische Schönheit, der man von Anfang an hinter her sah, aber in ihrem Augen lag ein Schimmer, es ließ das ganze Gesicht erstrahlen. Sie hatte lange leicht gewellte dunkelbraune Haare, die mich an die ruhigen, nächtlichen Wellen des Meeres erinnerten.
Ihre Nase war nicht schmal, aber auch nicht zu breit. Sie hatte insgesamt ein schönes Profil, ihre Lippen standen leicht hervor und gaben der Form die nötige Rundung.
Ich versuchte mir ihr Gesicht einzuprägen, um es später in meine Bilder einzuarbeiten.
Ich liebte es umherzureisen und alle kleinen und großen ästhetischen Reize in meinem Herzen zu sammeln und dann gemeinsam auf die Leinwand zu bringen.
So entstanden ganz eigene, immer wechselnde Bilder.
Wenn ich manchmal nicht genug Geld hatte, denn meine Arbeit war nicht immer gleichermaßen angesehen, setzte ich mich auf die Straße und zeichnete Menschen.

Ich fühlte mich ertappt, als die unbekannte Frau ihren Blick auch zu mir wendete.
Sie sah mich bloß mit diesem ganz leichten Lächeln an und ich fragte flüsternd und peinlich berührt "Ehm.. Ich hatte gelesen, dass hier ein neuer Film über Buckelwale ausgestrahlt wird. Habe.. Habe ich den verschlafen?"
Sie lachte und beugte sich ein wenig vor, um nicht so laut zu sprechen. Sie roch nach Holz und Wald und ließ mich sehnsüchtig an meine letzte Wanderung zurück denken.
Sie sah mich an und sagte leise lachend, "Keine Sorge, der Film läuft seit etwa einer Stunde.. Und Sie haben mich nicht im Geringsten gestört, nur wollte ich irgendwann meine Beine wieder bewegen.", zwinkerte sie mir zu.
Oh Gott, mir war das wirklich so peinlich.

LejlaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt