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Während das heiße Wasser der Dusche auf mich prasselt, denke ich darüber nach, inwiefern ich mein Leben verändern möchte. Natürlich muss ich etwas an meiner Einstellung tun. Ich ziehe mich oft einfach selber runter; diese ganzen negativen Gedanken müssen raus aus meinem Kopf. Das geht nicht so einfach wie es klingt, aber ich bin guter Dinge, dass es mit jedem Schritt in die Zukunft besser wird.

Es fühlt sich an, als hätte ich gestern vor allem einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan. Dadurch, dass das Bild nun mich mehr seinen Platz auf meinem Schränkchen hat, habe ich auch die letzte Sache aus meiner Wohnung entfernt, die mich an die Vergangenheit erinnert.

Ich fühle mich merkwürdig befreit, auch wenn es nur eine sehr kleine Geste war. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich mich nicht von heute auf Morgen verändern kann und einfach so einen Schalter in meinem Kopf umlegen kann, der mich alles vergessen lässt, aber ich kann etwas dafür tun, aus meiner Haut zu kommen und endlich etwas zu verändern.

Nachdem ich mich eingeseift habe und schließlich mit kaltem Wasser abdusche, rubbele ich mir einmal kurz über die Haare und binde mir dann das Handtuch um die Hüften. Mit meiner Hand wische ich einmal über den vom Wasserdampf beschlagenen Spiegel, nachdem ich aus der Dusche gestiegen bin.

Und wie ich dort so stehe und mein Erscheinungsbild betrachte, fasse ich einen Entschluss. Ja, ich werde etwas in meinem Leben verändern! Und jede Veränderung braucht einen Neustart.

Deswegen werde ich als aller erstes meinen Job kündigen und mir stattdessen einen Neuen suchen, bei dem ich mehr mit Menschen zu tun habe. Denn, obwohl ich schon drei Jahre hier lebe, kenne ich so gut wie niemanden.

Jin ist nach Seoul gezogen und natürlich besuchen wir uns manchmal, aber das reicht nicht. Jiwoo und Jungsu sind die einzigen, die ich zu meinen Freunden in Seoul zählen kann und deren kleiner Sohn an manchen Wochenenden meine Wohnung mit seinem Kinderlachen erhellt.

Aber auch durch meinem Job in der Bibliothek habe ich selten irgendwelche Menschen kennengelernt. So ist es doch nur mein Chef, ein älterer Herr und die alte Frau Kim, die regelmäßig Bücher ausleiht und mit der ich mich zwar sehr gut unterhalten kann, sie aber eben nicht in meinem Alter ist. Aber was will ich schon erwarten - heutzutage gibt es nur noch wenige Menschen die oft in eine Bibliothek kommen, um ganz oldschool Bücher auszuleihen.

Mein Leben hat in den vergangen Jahren aus aufstehen, arbeiten, nach Hause kommen und vor mich hinvegetieren bestanden. Ich habe mich verkrochen, jeglichen Kontakt zu anderen Leuten vermieden und mich selbst bemitleidet. Das muss jetzt aufhören.

Welcher Job würde sich also gut machen, um mal neue Menschen kennenzulernen?

Ich nehme einen Kamm aus einer Schublade und während ich mir grob einen Scheitel ziehe, überlege ich, welcher Job sich für meinen Neustart eignen würde.

Da ich nichts studiert habe und auch anderweitig keinerlei Ausbildung hinter mir habe, blieb mir nichts anderes übrig, als irgendwo als Aushilfe zu arbeiten. Meine Eltern haben mich, nachdem ich ausgezogen bin, nicht mehr unterstützt - als hätten sie dies überhaupt mal getan - und deswegen muss ich mich selber über Wasser halten, mit einer Anstellung.

Als erstes kommt mir ein Café als neuer Job in den Sinn, doch das ist mir viel zu Standard. Macht das nicht jeder? Genau das ist der Sinn, Jimin.

Eigentlich habe ich nicht wirklich Lust den ganzen Tag irgendwelchen launischen Leuten einen Kaffee zuzubereiten und nachmittags Kuchenstücke zu servieren, aber vielleicht werde ich den Job lieben lernen, wenn ich es erst mal probiere? Ein Versuch ist es immerhin wert.

Mit neuem Tatendrang verlasse ich mein Badezimmer, mache laut Musik in meiner Wohnung an und gehe in mein Zimmer. Während diese meine Laune deutlich verbessert, öffne ich meinen Kleiderschrank, um mein heutiges Outfit rauszusuchen.

Nachdem ich mir eine Boxer angezogen habe, rubbele ich mit dem Handtuch noch einmal durch meine Haare, damit sie etwas unordentlicher fallen und fische ich mir eine einfache schwarze Jeans und ein schwarzes Shirt raus, um  mir sie überzuziehen. Als ich anschließend vor dem Spiegel stehe, fahre ich mich unschlüssig durch die Haare.

Schwarz, schwarz, immer nur schwarz. Das habe ich die vergangenen Jahre getragen und als ich erneut einen Blick in meinen Kleiderschrank werfe, entdecke ich auch nicht wirklich andere Farben, außer vielleicht ein paar vereinzelnde Blau-, Grau- und Weißtöne. Alles in allem sieht es ziemlich trist aus. Wollte ich mich nicht verändern? Wäre es da nicht auch eine gute Idee etwas an meinem Style zu ändern?

Kurzerhand ziehe ich das eben angezogene T-Shirt gleich wieder aus und nehme stattdessen eines der wenigen hellen, blauen Oberteile zur Hand. Nun es ist nicht viel, aber wenigstens etwas mehr Farbe.

Beim Verlassen meines Zimmers nehme ich mein Handtuch mit, hänge dies im Badezimmer auf und mache mir in der Küche ein kleines Frühstück.

Heute ist Montag, das heißt zu meinem Glück muss ich heute noch nicht arbeiten. Montags hat die Bibliothek immer geschlossen, weshalb ich mich dazu entscheide, meine Gedanken gleich in die Tat umzusetzen und die Veränderung in meinem Leben bei meinem Aussehen zu beginnen.

Als ich mein Frühstück schließlich vertilgt habe, schalte ich die Anlage aus, wickele ich mir einen Schal um den Hals und ziehe eine dicke Jacke an, sowie ein Paar wärmere Schuhe.

Mit einem Beutel über der Schulter, in dem sich mein Portemonnaie, mein Handy inklusive Kopfhörer und eine Wasserflasche befinden, verlasse ich meine Wohnung.

Als ich schließlich die Haustür hinter mir zuziehe und schnellen Schrittes das Treppenhaus hinabsteige, summe ich die Melodie von vorhin, welche sich hartnäckig in mein Kopf gesetzt hat. Wenn ich mich recht erinnere, hieß das Lied Imperfetto und hat ziemlich gute Laune gemacht.

Nachdem ich unten angekommen bin und die letzten paar Treppenstufen hinuntergehüpft bin, stoße ich die schwere Tür auf und atme gleich darauf die frische Luft ein.

Es riecht wunderbar so kurz nach dem Gewitter und dem Regen von heute Nacht und das, obwohl ich doch ziemlich in der Mitte von Seoul wohne. Den Geruch nach Regen habe ich schon immer geliebt und zum Glück konnte mir das auch nicht nach den letzten Jahren verübelt werden, wo ich doch sowohl den Regen als auch Gewitter angefangen habe zu hassen.

Ein Blick in den Himmel genügt, um die Sonne zu sehen, die erfolgreich ein paar Strahlen durch die sich auflösende Wolkendecke bahnt.

Lächelnd richte ich meine Tasche und mache mich langsam auf, in Richtung Einkaufs-Mall. Von der Panikattacke heute morgen ist, genau wie von dem Gewitter, nichts mehr zu merken.

Gestresst aussehende Menschen mit Mundschutz und Aktenkoffern laufen an mir vorbei und als gerade die eine Ampel gegenüber von mir auf Grün schaltet wird, finde ich mich augenblicklich in einer Menschenmasse wieder, die eilig ihren Weg fortsetzt.

Schnell gehe ich etwas zur Seite, damit ich nicht dumm angemotzt werde und schlendere in eine etwas ruhigere Seitengasse hinein. Dort riecht es angenehm nach frischen Backwaren, aber da ich selbst gerade erst gefrühstückt habe, verkneife ich es mir, ein oder zwei frische Brötchen zu kaufen.

Deswegen gehe ich weiter und, als nach kurzer Zeit auch schon die vielen Geschäfte in meinem Blickfeld erscheinen, stürze ich mich gleich auf den ersten Shop.

Hier und da, finde ich - wohlgemerkt nicht nur schwarze - Shirts und viele andere schöne Sachen.

Natürlich kann ich nicht von eben auf jetzt meinen Style umändern, aber ich versuche einfach mehr darauf zu achten, welche Sachen ich normalerweise nicht trage.

Oft sehe ich wildfremde Menschen, bei denen ich mir denke, dass ihr Style wirklich cool ist und ich soetwas, wenn ich ehrlich bin, auch gerne tragen würde, aber ich komme nie dazu, weil ich mir sowas einfach nie kaufe.

Deswegen bin ich jetzt sogar leicht aufgeregt, als ich die vielen neuen Sachen anprobiere und die Geschäfte abklappere.

Als ich gerade aus einem relativ kleinen Laden trete, in dem ich mir einen langen beigen Mantel gekauft habe, sticht mir ein Friseurladen ins Auge, den ich hier noch nicht gesehen habe.

Wäre es nicht eine gute Idee auch meine Haare zu färben?

words: 1338

just one lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt