Immer Lucy

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Mein Wecker klingelte und riss mich unsanft aus dem Schlaf. Ich blinzelte und stellte fest, dass es schon 7:30 Uhr war.

Erschrocken setzte ich mich auf. Ich hatte tatsächlich verschlafen! 

Ich stürmte aus meinem Zimmer ins Badezimmer und machte mich bereit für die Schule. Mein Spiegelbild sah mir dabei verschlafen zu. Es war ein kalter Tag im November. Niemand mochte es, an einem kalten Tag aufzustehen, oder etwa doch?

Dazu kommt, dass mich heute in der Schule sowieso nur genau das gleiche wie gestern erwartete. Ich könnte mich genauso gut wieder in mein Bett legen und weiterschlafen. Aber stattdessen zog ich mir schnell meinen liebstenPullover und eine Jeans an, schmierte mir ein Brot und rannte aus der Tür.

In der Schule angekommen, holte ich erst einmal tief Luft. Zwar war der Weg von Zuhause bis in die Schule nur ein paar hundert Meter lang, aber wenn man so unsportlich ist wie ich und den ganzen Weg rennt, kommt man ganz schön ins schwitzen.

"Hallo Dakota!!", rief eine vertraute Stimme. Ich drehte mich um und sah Lucy strahlend auf mich zulaufen.

Lucy war meine beste Freundin und ich mochte sie an sich sehr gern.

Da gab es nur das Problem, dass wir uns von Grund auf unterschieden. Ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, wieso es so war, aber Lucy zog die Aufmerksamkeit aller Menschen auf sich, während ich bloß in ihrem Schatten stand. Egal in welcher Situation wir waren, alle schauten nur sie an.

Das war schon immer so, und trotzdem hatte sie sich mit mir angefreundet. Es fühlte sich manchmal so an, als wäre sie die Einzige, die mich sehen konnte. Und wenn mich jemand ansprach, dann bedeutete das meißtens nichts gutes.

Vielleicht war das der Grund, warum ich sie so mochte. Lucy war immer fröhlich und lächelte rund um die Uhr. Selbst, wenn sie einmal traurig war, sah es so aus, als seie sie die Fröhlichkeit in Person. Sie war unglaublich.

"Und? Wie war dein Wochenende?  Warum warst du nicht auf Beckas Geburtstagsfeier? Alle aus der Klasse.. Ach was, der Stufe waren da!!"

"Also... Ich... Mir hat niemand gesagt, dass eine Feier stattfindet", ich atmete einmal tief durch. "A...Aber das ist doch halb so wild!! Ich hatte wirklich Spaß am Wochenende! Ich habe nämlich einen neuen Horror-Roman gelesen! Ich hätte also garkeine Zeit dazu gehabt, dorthin zu gehen."

Ich brachte unter großer Anstrengung ein Lächeln zustande.

"Waaas?!", fragte Lucy entrüstet. "Das geht doch nicht!! Ich werde mit Becka reden. So eine Gemeinheit!" Sie klang ehrlich aufgebracht. "Ach Lucy, sie wird doch ihre Gründe haben. Vielleicht hat sie auch einfach nicht mehr dran gedacht. Und wenn mindestens die ganze Klasse dort war, bin ich auch ehrlich gesagt nicht traurig, dass ich nicht hingegangen bin."

Das war nur zum Teil wahr. Zwar mochte ich keine Menschenmassen und war wirklich ein Bücherwurm, andererseits hätte ich dort vielleicht die Chance gehabt, Freunde zu finden und vielleicht sogar einen Jungen kennen zu lernen. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie es war, verliebt zu sein. Aber weil Lucy andauernd davon erzählte wie toll es ist, wollte ich ich es unbedingt kennen lernen.

Dass ich dazu nie die Chance bekam, war zum Teil aber auch  Lucys Schuld. Aber das machte sie natürlich nicht bewusst und auch nicht mit böser Absicht, desshalb hätte ich ihr nie etwas vorwerfen können. Die Sache war die, dass Lucy die Aufmerksamkeit aller Jungs ohne Ausnahme auf sich zog. Und zwar immer. Als wäre sie ein Magnet für Gefühle. Desshalb hatte ich nie die Chance, auch nur mit ihnen zu reden. Dabei würde ich mich auch nicht gut fühlen.

Lucy starrte mich immernoch ganz entrüstet an und ich fing langsam an, mich wirklich unwohl zu fühlen. Also sagte ich schnell:"Komm, lass uns in die Klasse gehen, wie haben schon 7:58 Uhr. Wir müssen püntlich sein. Sonst habe ich mich umsonst abgehetzt."

Lucy kicherte. "Du olle Streberin. Okay, komm."

In der Klasse war es laut wie immer. Lucy setzte sich auf ihren Platz mitten in der Klasse, während ich auf meinen Tisch ganz hinten am Fenster zusteuerte. Ich setzte mich hin, kramte mein Buch aus der Tasche und las, bis unsere Lehrerin angekommen war.

Ich hatte nicht den Mut, mich in die Masse zu begeben. Das hatte ich schon sehr oft versucht, war jedoch immer wieder gescheitert.



I try to hate you, but I can't (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt