Der Zwischenfall

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Es war nun endlich große Pause. Ich erwartete, dass Lucy zu mir kam, um mich zu überreden, mit ihr zum Bäcker neben der Schule zu kommen. Das tat sie jeden Tag. Wir aßen beide immer einen Donut. Ich mit einem etwas schlechtem Gefühl, denn anders als bei Lucy hatte ungesundes Essen bei mir Einfluss auf meine Figur.

Aber letztlich konnte mir das auch egal sein, denn mir würde auch niemand nachsehen, wenn ich so aussähe wie Lucy.

In der sechsten Klasse wollte ich es einmal genau wissen und zog mich so an, wie Lucy es jeden Tag tat. Schicke Klamotten und viel Schmuck. Als ich vor meinem Spiegel stand, erkannte ich mich kaum wieder.

In der Schule änderte sich nichts. Die Leute haben mir nicht einmal hinterher gesehen oder abfällige Kommentare abgegeben. Es lag wohl an meiner persönlichen Ausstrahlung, dachte ich mir.

Seitdem sind schon vier Jahre vergangen!, dachte ich erstaunt.

Seitdem trug ich nur noch Dinge, die mir persönlich gefielen.

Als ich also auf Lucy wartete, fiel mir auf, dass sie sich mit einem schüchtern ausehendem Jungen unterhielt. Jack, glaube ich.

Das konnte also noch dauern.

Als ich gerade aufstehen wollte, knallte eine Hand vor mir auf den Tisch.

Es war Brianna, ein hochnäsiges Mädchen das zwei Reihen vor mir saß.

"Wartest du auf deine Freundin Lucy?", fragte sie herausfordernd.

"Ja... Ich... Denke schon. Wieso fragst du?", erwiderte ich unsicher.

Sie grinste abschätzig und sah mir in die Augen.

"Jetzt hör' mir mal gut zu, Schätzchen.", sagte sie eindringlich. "Langsam sollte dir klar sein, dass du nicht die einzige in Lucys Leben bist. Du hast nicht das Recht, sie andauernd für dich zu beanspruchen. Das geht nicht nur mir auf die Nerven." Sie machte eine kurze Pause. Als ich nichts erwiderte, fuhr sie fort:"Lucy hat auch echte Freunde in der Klasse. Auf jemanden wie dich, der nur ein Klotz am Bein und dazu total unscheinbar ist, kann sie bestimmt verzichten."

Ich war wie vom Blitz getroffen und rührte mich nicht vom Fleck. Sah es für alle anderen so aus, als sei ich eine Belastung für Lucy?

"Besser du gehst. Lucy kommt in der Pause heute mit uns. Du verschwendest nur ihre Zeit."

"Mit wem ich die Zeit in der Pause verbringe, ist meine Sache. Und Dakota ist meine Freundin, also verschwinde. Du kennst sie doch garnicht richtig."

Brianna drehte sich erschrocken um.

Hatte Lucy das ganze Gespräch mit angehört?

"Aber Lucy, du solltest...", setzte Brianna an.

"Was sollte ich?", fragte Lucy daraufhin herausfordernd.

Brianna funkelte mich böse an, machte kehrt und stolzierte davon.

"Also wirklich!", schimpfte Lucy. "Ist alles okay bei dir? Mach dir nichts draus!"

Lucy schnaubte verächtlich. "Sie weiß nicht, wo ihre Grenzen liegen. Dakota, lass dir so etwas doch nicht immer gefallen!!"

Ich wurde rot.

"Lucy, es ist halb so wild. Du musst mich nicht mehr beschützen, wenn es dir zu nervig wird. Ich kann das nachvollziehen!", sagte ich zögernd.

"Waaaas?! Du glaubst doch nicht ernsthaft das, was diese Zicke von sich gibt, oder?! Du bist nicht nervig!! Ich mag dich! Schließlich bist du meine beste Freundin!"

"Wirklich?" "Wirklich."

Ich atmete auf. Lucy hatte mich wirklich gerettet. "Ich hätte ohne dich nicht gewusst, was ich gemacht hätte." "Na siehst du! Aber in Zukunft musst du es schaffen, dich selbst zu verteidigen! Wenn jemand gemein zu dir ist, dann gib eine ebenbürtige Antwort! Lass' dir etwas einfallen! Du bist kreativ und hast nichts zu verlieren."

Ihre Worte ermutigten mich.

Ich nickte dankbar und wir machten uns auf den Weg zum Bäcker-Wie jeden Tag. Und ich aß einen pinken Donut mit bunten Streuseln.

Zu diesem Zeitpunkt verspürte ich zum ersten Mal dieses Stechen in meinem Herzen.

I try to hate you, but I can't (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt