Fünfzehn Minuten. Fünfzehn endlose Minuten klingelte der Wecker mit seiner ohrenbetäubenden, abgrundtief nervigen Melodie. Seit er den ersten verhassten Ton von sich gab war ich bereits wach, doch erst jetzt finde ich die Kraft meinen Oberkörper aufzurichten. Ich beuge mich vorsichtig über Maik, die tief schlafenden Mauer zwischen mir und dem klingelnden Monster, und schalte es aus.
Ich setze mich wieder aufrecht hin – mehr oder weniger – und bekämpfe mit aller Kraft die gewaltige eiserne Feder, die gewaltsam versucht mich wieder in die Waagerechte zu ziehen. Zum Glück ist hinter mir die Wand, an der ich mich anlehnen kann. So kann ich mich ganz auf meine Augenlider konzentrieren, die sich anfühlen als würden Gewichte an ihnen hängen.
Ohne hinzusehen schiebe ich meine Hand unter mein Kopfkissen und hole mein Handy hervor. Das Licht des Displays schmerzt in den Augen. Viertel vor sechs. Nachdem ich mein Handy wieder abgelegt habe greife ich zu dem Regal über dem Kopfende und ergattere nach und nach Brille, Aschenbecher, Zigaretten und Feuerzeug. Ich setze meine Brille auf, zünde mir eine Zigarette an, nehme einen tiefen Zug und lege den Kopf an die Wand. Warum tue ich mir das eigentlich jeden Morgen an? Ich bin 21, ich muss nicht mehr zur Schule; ich könnte mich einfach wieder hinlegen und weiterschlafen.
Mit brennenden Augen schaue ich zum immer noch tief schlafenden Maik. Ich bewundere seinen festen Schlaf. Die letzte Nacht war eine von den schlechten: viel zu spät eingeschlafen und dann noch immer wieder aufgewacht. Mit einem leisen Mauzen springt Bates auf das Bett, stellt sich mit beiden Vorderpfoten auf meinen Oberschenkel und schaut mich mit seinen großen, grünen Augen an. Ich streiche mit der Hand über seinen Rücken. „Na du kleine Nervensäge?", flüstere ich leise.
Ich drücke die Zigarette im Aschenbecher aus und schaue erneut auf die Uhr. Fast sechs Uhr, Zeit aufzustehen. Träge aber vorsichtig klettere ich über Maik, der wie ein Fels im Bett liegt und ziehe mir ein Paar frische Socken an. Auf meinem Weg zur Einbauküche werde ich von einem miauenden Bates begleitet. Ich bin schnell an meinem Ziel, denn wir haben nur eine 38 Quadratmeter große Einzimmerwohnung. Nachdem ich den ungeduldigen Kater gefüttert habe schleppe ich mich in Richtung Haustür, schalte das Licht in Wohnung und Badezimmer ein und gehe erst einmal auf die Toilette. Die Kontaktlinsen einzusetzen ist nicht gerade angenehm wenn die Augen noch ganz trocken und müde sind. Der Blick in den Spiegel erschreckt mich schon lange nicht mehr. Ich bin zwar nicht blass, aber dennoch fehlt meiner Haut eindeutig Farbe und die Augenringe sind ebenfalls ein alltäglicher Anblick geworden. Nichts, was sich mit etwas Make-up nicht verbergen lässt.
Nur gegen den leeren, müden und freudlosen Blick, dagegen hilft kein Make-up, sondern ausschließlich schauspielerisches Talent.
Bevor ich mich unter die Dusche zwinge, wasche ich mir mein Gesicht mit kaltem Wasser um mir wenigstens einen Teil der Müdigkeit aus dem Gesicht zu waschen und putze mir die Zähne. Mit einem kleinen Handtuch auf dem Kopf und in ein größeres eingewickelt verlasse ich das winzige, fensterlose Badezimmer und begebe mich erneut zur Küche und bereite mir ein gesundes und ausgewogenes Frühstück zu. Heute auf der Speisekarte: Cornflakes. Welch Überraschung.
Während ich den letzten Rest Milch aus der kleinen Schale aus schlürfe, schaue ich auf die Uhr. Halb sieben. Wieder begebe ich mich in das Miniatur-Badezimmer und schminke mich zur Musik des viel zu lauten Lüfters, immer unter der Aufsicht des nervigsten aber auch süßesten Katers der Welt – zumindest unter den ausgewachsenen Katern. Um viertel vor sieben bin ich fertig und fange an meine Schultasche zu packen und denke darüber nach, ob mein Rucksack zu klein ist oder die Bücher zu dick. Es ist Montag. Ich hasse Montage. Erst Mathe, dann Kunst, dann Englisch, eine halbe Stunde Mittagspause, Politik und Sport, alles doppelstündig. Um fünf habe ich dann endlich Schluss, darf dann aber zweieinhalb Kilometer nachhause laufen, was bedeutet, dass ich erst gegen viertel vor sechs zuhause bin.
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Montag
RandomEin Montagmorgen wie ihn nicht jeder wahrnimmt durch die Augen einer Person die mit ihren Dämonen jeden Tag zu kämpfen hat.