Es war einmal eine Sonnenblume. Sie war noch klein und zart und ihre Blüten waren noch verschlossen. Die Sonnenblume stand in einem Garten, in dem sie gut umsorgt wurde. Immer, wenn sie Wasser brauchte, bekam sie welches. Die ersten Monate bekam sie es immer von der selben Frau, einer Dame im mittleren Alter mit einer Familie, welche 3 Kinder, sie selbst und ihren Mann einfassten. Die Frau kam meistens alleine in den Garten und betrachtete jede Pflanze mit der selben Liebe im Blick. Auch die Sonnenblume betrachtete sie so und wenn es ihr schlecht ging, gab die Frau ihr Bestes, dass es der Blume besser ging. Unter der Führsorge der Frau wuchs die Blume und wurde größer und kräftiger.
Dann wurde es Sommer und die Blume beschloss, dass es Zeit sei, der Frau mit der schönsten Blüte weit und breit zu danken. Doch die Frau kam nicht. Die Sonnenblume wurde größer als alle anderen Blumen im Umkreis von vielen Kilometern und ihr Blüten wurden die größten und schönsten auf der ganzen Welt, doch die Frau kam nicht und konnte sie deswegen nicht bewundern. Stattdessen kam ein Mann, welchen die Blume nicht kannte. Er kam nur selten und pflegte den Garten nur oberflächlich. Er betrachtete auch die Blumen nicht und erfreute sich nicht an deren Schönheit. Und seit die Frau nicht mehr kam, blieben auch die Insekten weg. Kein einziger Käfer und erst recht keine Biene oder Hummel kam zu der Blume. Sie summten nur um die anderen Blumen und ignorierten die schöne Sonnenblume. Diese versuchte, noch schöner zu werden und strahlte mit ihrer Schönheit bald mehr als die Sonne, welche sie die ganze Zeit ansah. Doch niemand kam und bestaunte die Sonneblume. Als nun bald zwei Wochen vergangen waren, seit die Frau das letzte Mal erschienen ist, wurde die Blume traurig. Sie wurde so traurig, dass sie sich von der Sonne abwendete und nur noch traurig zur Holzwand des Gartenhauses sah. Doch ihre Schönheit ließ nicht nach. Im Gegenteil, durch die Trauer wurde sie auf eine Art um Weise schön, auf die keine andere Pflanze schön sein konnte.
Wie sie so stand, bemerkte sie nicht, dass eines Tages nicht mehr der Mann, sondern ein Junge den Garten betrat. Hinter diesem Jungen kam noch eine junge Frau und schließlich auch die Frau in den Garten. Die Blume bemerkte auch nicht, wie sie von den Dreien bestaunt wurde und wie die Frau kurz darauf zum Schuppen ging und einen Schlauch zum gießen der Pflanzen holte. Erst, als die Blume, so zärtlich wie schon seit langer Zeit nicht mehr, gegossen wurde, bemerkte sie, wer da im Garten war und sie mit so viel Liebe im Blick betrachtete, wie es wohl kaum ein Wesen nachahmen könnte. Als die Sonnenblume das sah, wurde sie so glücklich, wie noch nie. Und mit der Frau kamen auch die Insekten zu der Blume und bewundeten sie. Als es Abend wurde und die Bienen und die Hummeln zu ihren Völkern zurückgekehrt sind, da kam ein Taubenschwänzchen zur Sonnenblume. Die Blume hatte noch nie ein solch schönes und wundersames Geschöpf gesehen und war sehr verwundert, als es sich zu ihr gesellte und sprach, dass es die Blume schon so lange bewundere und dass auch alle anderen die Blume so schön fanden, dass sie sie lieber von Weiten beobachteten, um ihr gar keinen Schaden zuzufügen, bis die Frau wiederkäme und sie bewundern könnte. Als die Blume die hörte, da wurde sie noch glücklicher als zuvor und gleichzeitig auch noch schöner und fing an zu strahlen, sodass auch die Wesen der Dämmerung und der Nacht sie in ihrer täglichen Schönheit bewundern konnten.