Zu Hause angekommen zog Shaira den Schlüssel aus dem Schloss, legte das Schlüsselbund auf die Kommode vor dem Spiegel im Flur und zog sich ihre Schuhe aus. Sie streifte sich ihre Jeansjacke ab und hing sie an die Garderobe. Dann ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich auf ihren Lieblingssessel. Ihr Blick wanderte durch den Raum. Schweifte über die Fensterbank mit ihren Grünpflanzen zu den gerahmten Fotos an der Wand und verweilte schließlich an ihrem Couchtisch. Auf diesem lag ein Brief, der weder einen Absender noch eine Anschrift aufwies. Doch sie wusste von wem der Brief kam. Wusste, dass sie es nicht länger vor sich hinschieben könnte diesen zu öffnen. Und obwohl die Aufschrift auf dem Briefkuvert mehr als eindeutig war, scheute sie sich doch etwas davor, was mit ihr passieren würde, wenn sie diesen Brief las. Seufzend streckte sie die Hand nach dem Umschlag aus, auf dem handschriftlich geschrieben stand: P.s: Ich liebe dich
Die Schrift hätte sie sofort erkannt, auch wenn es schon länger hergewesen ist, dass sie sie gesehen hatte. Das Kuvert war versiegelt. Behutsam, bedacht darauf das Siegel nicht zu zerbrechen, öffnete sie ihn, nahm die Papierbögen heraus und begann zu lesen.Shaira, mir ist es nicht leicht gefallen, dir nach so langer Zeit diesen Brief zu schreiben. Um ehrlich zu sein hadere ich gerade immer noch mit mir. Doch auch wenn vieles, was du hier lesen wirst vor einigen Jahren geschrieben wurde, ist es mir wichtig, dass du endlich erfahren sollst, was in mir vorgegangen ist. Denn es hat sich durch meine Teenizeit und auch in der Zeit als Jugendlicher hindurchgezogen. Manchmal für mich nicht so offensichtlich, um es mir selbst wirklich einzugestehen. Ich ägere mich heute noch, dass ich mich nicht getraut habe ehrlich zu dir, auch zu mir, zu sein und es dir offen zu sagen. Einmal, weiß ich noch, habe ich es. Doch ich bin feige gewesen und sagte es dir, als du mich nicht hören konntest.(...)
Mit klopfenden Herzen legte Shaira den Brief beiseite. Ihr Hals zog sich zusammen und Tränen stiegen ihr in die Augen. Das stimmt nicht, dachte sie. Ich habe dich gehört.
Flashback: (Vier Jahre zuvor)
Schwer lagen die Wimpern auf ihr und ihre Augenlider waren noch verschlossen. Langsam begann sie zaghaft die Augen zu öffnen und das grelle Licht der Deckenbeleuchtung flutete in ihre Pupillen, sodass sie ihre Augen sofort wieder schloss. Die Decke lag leicht über ihr und bedeckte sie bis zu den Schultern. Dennoch fühlte sich diese für sie wie Blei an. Als sie einen neuen Versuch unternahm die Augen zu öffnen und sich allmählich an die Beleuchtung gewöhnt hatte, wurde ihr bewusst, wo sie war. Wie hätte sie sich auch dessen nicht sicher sein können. Die helle, fast eintönige weiße Wand. Das scheinbar besonders künstlerische Bild an der Wand, auf dem eine Blumenwiese gemalt war. Die Leuchtröhren an der Decke, die mit ihren Spiegelkacheln den ganzen Raum mit seinen insgesamt zwei Betten in ein einheitlich kühleres und grelles Licht erstrahlen ließ. Der ausklappbare Nachtisch aus einem Metall, das einen hellen und breiten Klang erzeugte, wenn man dagegen klopfte. Die große graue Tür, aus der man mit etwas Geschick, das nicht gerade einladenste Bett, mit seinen Rollen, hinaus- oder hineinschieben konnte. Ganz klar: Sie war im Krankenhaus. Mit einigem Kraftaufwand versuchte sich Shaira etwas aufzusetzen. Brach ihr Vorhaben jedoch augenblicklich ab, als unterhalb ihres Rückens etwas zu ziehen begann. Behutsam legte sie sich wieder zurück und schloss die Augen, während sie tief einatmete. Sie wurde am Vortag operiert. Shaira wusste selbst nicht, wie sie das vergessen konnte. Am liebsten hätte sie sich zur Seite gedreht und würde weiter schlafen. So kann ich wenigstens die Zeit gut überbrücken, kam ihr der Gedanke. Doch in diesem Moment klopfte es kurz an der Tür und die Klinke wurde langsam heruntergedrückt. Shaira wollte niemanden sehen. Schon gar keinen Arzt oder Besuch. Sie fühlte sich nicht besonders. Was auch kein Wunder ist, wie jeder nach einer Operation findet. Also ließ sie die Augen geschlosesen, versuchte, so gut es ging, gleichmäßig zu atmen und lauschte wachsam, ob die Person nun gehen würde. Fehlanzeige. Schritte näherten sich ihrem Bett und so leise wie möglich wurde ein Stuhl herangezogen. Die Stuhlbeine scharbten kaum zu überhören über den Boden. Auch wenn das keines Falls die Absicht des Besuchers gewesen war. Die Sekunden verstrichen, ohne das jemand etwas sagte. Wie denn auch? Shaira tat so, als ob sie schlief und ansonsten war niemand anderes bis auf die Person, die gekommen war im Raum.
Mit der Zeit wurde Shaira tatsächlich wieder müde. Ein Gähnen wollte ihr entweichen. Doch dieses hätte angedeutet, dass sie wach werden würde, was im Gegenteil der Fall war. Somit unterdrückte sie diesen Reiz und konzentrierte sich auf die Geräusche, die sie jetzt vernahm. Der Besucher erhob sich und stellte den Stuhl wieder zurück an den einzigen Tisch im Zimmer. Danach kam er wieder an ihr Bett heran. Shaira war sich nicht hundertprozentig sicher, doch er schien an der linken Seite von ihr zu stehen. "Shaira,...", hörte sie die Stimme eines Freundes und sofort wusste sie, wer es war. Josua. "ich,... Ich liebe dich!" Das erste 'ich' kam leise, fast krächzend aus seinem Mund. Dann holte er tief Luft und schien neuen Mut zu fassen, während er die so bedeutungsvollen Worte aussprach.
Wenn sie in diesem Moment die Kraft dazu gehabt hätte, wäre Shaira am liebsten voller Freude und Glück aus dem Bett gesprungen und Josua, der bestimmt verblüfft gewesen wäre, um die Arme gefallen. Doch sie fühlte sich körperlich matt, obwohl ihr Herz im selben Moment schneller schlug, als sie diese Worte vernahm. Wieder lagen ihre Lider schwer auf ihr und obwohl es ihr so vorkam, als würde sie ihre Augen zu öffnen versuchen, blieben diese geschlossen. Auch noch, als sich die Schritte entfernten und die Tür kaum hörbar ins schloss gefallen war.
- Flashbackende
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Was sagt ihr bis jetzt dazu?
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The secret
RomanceVor ihr lag ein Brief. Es stand weder die Anschrift darauf, noch war der Absender angegeben. Doch Shaira wusste von wem der Brief kam. Auch wenn es schon einige Zeit hergewesen ist, seit sie zuletzt diese Handschrift gelesen hatte. Und obwohl die Au...