Die Pendeluhr

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Jemand ist in meinem Haus.

Sie schleicht die Treppen hoch und runter, durch die Räume, die ich dekorierte, sie zieht an Ecken und Kanten und zupft an Decken und Vorhängen. Gerade wischt sie den Staub von der Spieluhr, die er mir schenkte.

Später lag ich nur noch auf dem Bett und drehte an der Kurbel, und wartete, und drehte an der Kurbel, und wartete, und -

Das Geraschle und die Fußstapfen, es fühlt sich an, als sei er wieder zu Hause. Als würde er gleich zu mir in die Küche kommen und mich küssen und halten, bis der Schlag unserer Herzen ruhig und unsere Atemzüge gleichmäßig waren. Die Pendeluhr tickte im Hintergrund. Dann aßen wir gemeinsam und gingen ins Schlafzimmer.

Sie zupft an der Bettdecke, und die Staubwolke bringt sie zum Husten. Der Stoff ist samtig weich, mit einem kaum noch erkennbaren verschnörkelten Muster, das ich immer mit dem Finger nachfuhr.

Am Schminktisch schaut sie in den Spiegel. Sie ist jung, hübsch wie ich früher. Vielleicht spielt sie gerne Schach. Doch ihr Vater wird es ihr verbieten. Vom Denken kriegt man Falten, und sowieso will kein Mann, dass seine Frau sich in seine Geschäfte einmischt. Er hatte wohl recht.

Jetzt blickt sie aus dem Fenster. Der Garten sollte mein Meisterwerk sein. Ich fertigte tausende Skizzen an, stimmte die Farben und Blühzeiten aufeinander ab, plante die Figuren, die in die Buchsbaumbüsche geschnitten werden sollten. Es wurde nie etwas daraus. Alles war zu viel, und er wusste, dass ich Ruhe brauchte. Ich fand die Papierfetzen in der Asche. Er achtete immer auf meine Gesundheit.

Was tut sie da?

Sie reißt meine Kleider aus dem Schrank. Sie schmeißt den Brokat und den Samt auf den Boden.

Meine Kälte wird zu brennender Wut. Geschmeidiges Öl, vom Funken getroffen. Ich will nicht mehr, dass sie hier ist. Sie ist nicht wie ich.

*

Meine Besucherin ist wieder da. Ich habe Ordnung geschaffen, in der Zwischenzeit, und die Kleider sehen aus wie neu.
Nach einem Tag voller Arbeit war auch er zu müde, um aufzuräumen. Doch er hasste es, wenn morgens noch etwas da lag. Zu was ich sein Haus verkommen ließe. Unordnung im Raum schafft Unordnung im Kopf.

Diesmal ist sie ein wenig vorsichtiger. Stellt alles wieder an seinen Platz. Ihre Hand umklammert etwas, das ich nicht erkennen kann. Doch ich ahne, dass es scharf ist.
Ich kann nicht verstehen, wieso. Ihre Brandwunden sind schon fast verheilt. Aber Sicherheit schätze auch ich.

Das Knarren und Ächzen, wenn ich ihm nachts ein Glas Wasser holte, und die Schatten in den zugigen Korridoren ... Doch diese Zeiten sind vorbei. Wer in den Schatten ist, fürchtet sie nicht. Es hat etwas Beruhigendes, dort zu sein - wohin auch immer man blickt, ist es heller. In den Schatten sieht man eine Welt voller Licht.

Sie ist in der Küche. Dort zwischen den blanken Töpfen und dem kalten Stein verbrachte ich meine Tage. Ich kochte und aß und wartete und kochte im Voraus. Die hölzerne Pendeluhr war mein Feind, das langsame Tick-Tock, Tick-Tock interpunktierte meine Gedanken mit einer Hektik, die die langen Nachmittage in die Länge zog. Ich wünschte oft, ich hätte jemanden zum Sprechen gehabt, oder irgendeine Beschäftigung, die die dumpfe Leere füllen könnte. Vielleicht einen Schoßhund, wie die verrunzelten Jungfern meiner Heimatstadt, die sich freitagnachmittags zum Kaffeeklatsch trafen. Als Kind war meine größte Sorge gewesen, so zu enden wie sie.

Schon ein Buch hätte meinen Zustand lindern können, doch wir hatten nur wenige, eingeschlossen in seiner Studierstube. Der Geist einer Frau ist nicht für solche Anstrengungen gemacht, sagte er, ich sollte liegen und ruhen, und so lag ich und ruhte, und wartete, tick-tock tick-tock tick-tock. Ruhe ohne Ruhe, Warten ohne Ziel.

Die PendeluhrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt