12.Kapitel

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"Das war ja mal wieder so was von klar, dass ihr beiden zu spät kommt. Was habt ihr denn gemacht??", fragt Sarah. "Habt ihr rumgemacht??", will Jessica wissen. "Nein, haben wir nicht. Und jetzt seid leise.", sage ich den beiden. "Ach, der Bösel merkt das doch eh nicht.", meint Jessica.
Alex und ich sitzen in einer Reihe mit Sarah und Jessica. Sarah und Jessica sind die größten Schlampen, die ich kenne. Sogar Theresa ist nichts im Vergleich zu denen. Und wenn ich das von ihr behaupten kann, dann heißt das schon was. Ich musste sie schließlich 2 Jahre lang ertragen und mit ansehen, wie sie und Alexandro sich immer halb aufgefressen haben. Aber ich möchte nicht zu viel von Alexandro und Theresa erzählen. Es war damals schon schmerzhaft und es hat noch nicht ganz aufgehört wehzutun. Was ich damit meine ist, dass ich Alexandro nicht gehen lassen kann, weil er immer ein Teil von mir bleiben wird. Als bester Freund natürlich. Aber darüber möchte ich jetzt nicht anfangen. Es ist Vergangenheit und außerdem ist das Thema dafür schon zu oft auf den Tisch gekommen. "Aber irgendwas müsst ihr doch gemacht haben.", geiert Sarah weiter nach Informationen. "Haben wir doch auch.", sage ich wahrheitsgemäß. "Ja und was??", fragen beide etwas lauter als vorher. Ich hoffe, dass sie es nicht absichtlich gemacht haben, aber dafür kenne ich die beiden zu gut. "Was ist eigentlich bei euch dreien dahinten los??", ist Herr Bösel jetzt auf uns aufmerksam geworden. "Nichts, Herr Bösel. Wir haben uns nur über die Judenvernichtung unterhalten. Also uns darüber ausgetauscht, was wir darüber denken.", lüge ich. "So?! Und was ist eure Meinung darüber??", möchte Herr Bösel jetzt wissen.
Mist! Ich hätte wissen müssen, dass er das jetzt fragt, aber so weit hab ich natürlich nicht gedacht. Ich muss irgendwas sagen. Die anderen starren mich schon so an; genauso wie Herr Bösel. "Ähm...also...wir..wir sind der Meinung, dass die Judenvernichtung die schlimmste Tat des Nationalsozialismus war. Ich meine, es wird doch gesagt, dass einige von ihnen auch Juden waren. Also wäre das auch sehr naheliegend.", sage ich. Hoffentlich hat sich das jetzt einigermaßen so angehört, als hätte ich mich wirklich mit dem Thema auseinander gesetzt. "Das hört sich vernünftig an. Ihr drei habt also doch zugehört. Zumindestens eine von euch dreien. Gut gemacht, Laura.", lobt er mich. Jessica und Sarah werfen mir von der Seite aus giftige Blicke zu. "Streberin" formen Jessica's Lippen.
Auf einmal bekomme ich eine Nachricht. Wer schreibt mir denn jetzt? Mitten im Unterricht??
Alex!! Er sitzt auf der anderen Seite vom Klassenraum. Herr Bösel hat uns letzte Stunde nämlich auseinander gesetzt, weil wir angeblich zu viel reden würden. Natürlich reden wir ein bisschen aber (fast) nur über den Unterricht.

Al(linksbündig): Vergiss die beiden, Schatz. Konzentrier dich lieber auf den Unterricht. Der ist spannender als das, was die beiden mit dir besprochen haben. Auch wenn ich nicht weiß, was sie dir erzählt haben.
L(rechtsbündig): Du hast recht.

Gerade als ich mich wieder richtig auf den Unterricht konzentrieren möchte, klopft jemand an unserer Klassenzimmertür. Herr Bösel macht die Tür auf und herein kommt ... Alexandro.
Ich falle fast von meinem Stuhl, als ich zur Tür und in diese tiefblauen Augen blicke. Zum Glück fange ich mich schnell wieder, sodass ich nicht hintenrüberfalle. "Aufpassen, Schatz. Nicht das ich dich wieder fast ins Krankenhaus bringen muss.", sagt Alex. Wow, er hat echt schnelle Reflexe. "Keine Sorge. Mir geht's nur irgendwie nicht so gut.", sage ich schnell. Hoffentlich merkt er nicht, dass es wegen Alexandro ist. "Dann lass uns kurz an die frische Luft gehen. Warte kurz. Ich frag mal eben Herrn Bösel.", sagt er und ist schon auf dem Weg zu Herrn Bösel nach vorne. Er fragt ihn, kommt zurück und nimmt seine und meine Jacke mit. Ich folge ihm unter den wachsamen Blicken von Jessica, Sarah und ... Alexandro.
Ich wäre fast nochmal hingefallen, aber zum Glück hält Alex meinen Arm zur Sicherheit fest. "Danke, Schatz. Ich muss eben etwas klären ok? Aber es ist mit Alexandro. Du darfst dabei sein, aber ich muss mit Alexandro alleine sprechen, in Ordnung?", frage ich. "Ja, alles klar. Mach ich.", sagt Alex. "Versprochen??", frage ich. "Versprochen. Ehrenwort.", verspricht er. "Ok, dann lass uns jetzt raus gehen.", sage ich.
Ich gehe auf Alexandro zu und bedeute ihm unauffällig mir und Alex zu folgen. Auf dem Flur stehen Alex und ich Alexandro gegenüber und ich starre ihn immer noch so an, wie wenige Augenblicken zuvor im Klassenzimmer. "W..w..was machst du hier??", frage ich. Ich bin noch so überrascht, dass ich es einfach nicht schaffe ganze Sätze von mir zu geben. "Ich musste dich einfach sehen.", sagt Alexandro. "Und ich wollte dich nie wieder sehen. Du hast mir damals das Herz gebrochen. Ich wollte mir Dinge an tun, die ich nie im Leben tun wollte. Jana und ich haben es uns mal geschworen, uns nie etwas anzutun. Aber in dem Moment wollte ich einfach nur befreit sein. Und dafür sah ich nur einen Weg; doch ich wurde durch Jana im letzten Moment abgehalten. Ich konnte einfach nicht mehr.", sage ich und muss aufpassen, nicht in Tränen auszubrechen. "Und daran war ich Schuld??", fragt er leise. "Ja. Du und Theresa. Ich hatte einfach keine Kraft mehr.", sage ich und dabei kullert mir eine Träne über meine Wange. "Sag so was nicht, Schatz. Du bist stärker als du vielleicht glaubst.", steht Alex mir zur Seite. "Und das sagst du nicht nur weil du mein Freund bist??", frage ich ihn etwas verunsichert. "Nein. Ich sage es, weil es der Wahrheit entspricht.", ist er ehrlich. "Danke.", sage ich und küsse ihn. Alexandro guckt uns mit einem total eifersüchtigem Blick an. Das geschieht ihm recht. Jetzt bin ich die jenige, die überglücklich ist. Ich bin einfach froh, dass er endlich mal sieht, wie es ist, wenn man jemanden möchte, der einen selber nicht möchte. Ich fühle so etwas wie Freude und Überlegenheit in mir. In diesem Moment hätte ich zu gerne mein Handy herausgeholt und Alexandro's Gesichtsausdruck fotografiert. Wie er mich und Alex so anstarrt, merke ich, dass er vielleicht wirklich in mich verliebt war bzw. noch ist. Aber ich kann auf ihn jetzt keine Rücksicht mehr nehmen, weil er mich damals genauso verletzt hat. "Also, ich geh jetzt mal wieder zurück in die Klasse weil ich nicht unbedingt noch mehr verpassen möchte. Wenn ihr beiden euch hier draußen noch irgendwie unterhalten möchtet, dann könnt ihr das machen aber ich möchte meinen Schatz heute Abend im oder vorm Kino nicht noch verarzten? Hast du mich verstanden, Alexandro??", lasse ich die beiden wissen. "Mach ich schon nicht, Laura. Nur hab ich keinen Bedarf mit deinem Freund zu reden.", sagt Alexandro. "Ich schon. Da sind noch einige Dinge, die du mir erklären musst.", macht Alex ihm klar. "Dann macht das mal. Ich geh dann mal wieder rein. Bis gleich, Schatz.", verabschiede ich mich. "Bis gleich." Alex küsst mich so lange und leidenschaftlich, dass Alexandro die Augen verdreht und sich schon fast zum Gehen abwendet. "Bleib mal schön hier, Freundchen. Du glaubst doch nicht, dass du dich einfach so aus dem Staub machen kannst oder??", fragt Alex. "Schon gut, Alter. Ich bleib hier. Nur beeil dich. Ich hab jemandem versprochen, dass ich nicht lange brauche.", beruhigt Alexandro Alex. "Und wem?", bin ich interessiert. "Ist das jetzt wirklich wichtig?", fragt Alex. "Ja. Ist es.", sage ich fest. Kurze Zeit sagt niemand etwas. Darum frage ich Alexandro noch einmal. "Also?? Wer wartet draußen auf dich?" Alexandro antwortet mir nicht sofort. Da dämmert mir schon wer diese Person ist, die draußen wartet. "Es ist Theresa, oder??", sage ich ärgerlich. "Eventuell.", will er nicht damit rausrücken. "Also ja.", sage ich. "Super.", ergänze ich schnaubend. "Was hast du denn erwartet?? Das ich auf dich warte??", fragt Alexandro. "Natürlich nicht. Aber ich dachte du liebst...", fange ich an, aber ich kann ihren Namen nicht mehr über meine Lippen bringen. Es ist zu schwer. "Du dachtest wirklich, dass ich für immer auf dich warte?? Natürlich nicht. Ich hab irgendwann gemerkt, dass es einfacher ist, dich loszulassen, als ein Leben lang an dir festzuhalten. Ich wollte nach vorne gucken. Und nach deinem Umzug dachte ich eigentlich, dass endlich der Zeitpunkt gekommen wäre, aber er war noch nicht da. Aber jetzt, wo ich dich mit ihm sehe, merke ich, dass ich dich loslassen kann. Es macht mir nichts mehr aus. Ich glaube, es liegt daran, weil ich dich in guten Händen wissen wollte. Und wie ich sehe, bist du bei Alex mehr als nur gut aufgehoben.", sagt Alexandro. Jetzt wendet er sich an Alex: "Ich weiß, dass du mich nicht magst und mich wahrscheinlich auch aufdringlich und merkwürdig findest, aber ich wollte nur, dass Laura gut aufgehoben ist. Und mit dir an ihrer Seite ist es auf jeden Fall so. Pass gut auf sie auf. Und lass sie nie im Leben gehen. Mach nicht die Fehler die ich damals gemacht habe. Sie ist etwas ganz besonderes." "Danke. Ich werde selbstverständlich immer auf sie aufpassen.", verspricht dieser. "Das freut mich zu hören.", sagt Alexandro und dreht sich zu mir. "Ich werde dich nie vergessen, Laura. Aber ich weiß jetzt, dass du bei Alex in guten Händen bist. Viel Glück euch beiden." "Danke, Alexandro.", bedanke ich mich bei ihm und schmiege mich an Alex' Brust. "Das von dir zu hören bedeutet mir viel."
Ich gehe unter Alex' wachsamen Blicken zu Alexandro und umarme ihn. Alles auf freundschaftlicher Ebene. Aber Alex weiß das. Was man von Jessica und Sarah nicht behaupten kann.
Unsere Umarmung ist unnatürlich lang. Wahrscheinlich hat Alex schon die Befürchtung, dass ich mich nun doch wieder in Alexandro verliebt habe. Darum löse ich mich von ihm und lasse ihn gehen.
Alexandro wendet sich zum Gehen, aber hält im letzten Moment noch einmal inne. "Theresa...", fängt er an. "Was ist mit ihr??", sage ich etwas verächtlich. "...sie wusste es die ganze Zeit über. Ich habe es ihr nie gesagt, aber sie wusste, dass ich dich liebe.", sagt er. "Und trotzdem hat sie dich nicht verlassen?? Es erklärt jetzt auch, warum sie mir so feindselig gegenüber war, als wir uns vorhin sahen. Danke, dass du es mir gesagt hast.", freue ich mich. "Kein Problem, Laura. Ich würde alles dafür tun damit du glücklich bist. Tschau.", verabschiedet er sich von mir. "Tschüss.", verabschiede auch ich mich von ihm. Alexandro dreht sich jetzt zum letzten Mal um, um zu gehen. Ich merke, wie in mir Tränen aufsteigen. Jetzt habe ich meinen ehemals besten Freund nun für alle Zeit verloren. Mein Herz ist gebrochen. Ich habe keine Kraft mehr. Und zwar wirklich. Mir wird plötzlich schwindelig und ich lasse mich auf den Boden vor unserem Klassenraum fallen. Ich fange leise an zu weinen. Ich möchte nicht, dass jemand aus meiner Klasse es mitbekommt und raus kommt. Alex setzt sich neben mich auf den Boden und tröstet mich.
Ich lehne mich an seine Schulter und er fängt an, über mein Haar zu streicheln und es mit Küssen zu bedecken. In diesem Moment bin ich so unglaublich froh, zu wissen, dass ich jemanden an meiner Seite habe, der mich von ganzem Herzen liebt.
"Schatz?!", fragt Alex. "Ja?!", sage ich fragend. "Ich glaube, wir müssen mal eben vor die Schule gehen.", meint er. "Warum denn?? Ich möchte nicht, dass dieser Moment aufhört. Es ist so schön einfach mit dir hier auf dem Boden zu sitzen und zu kuscheln.", gestehe ich. "Ich auch, aber wir müssen gleich eh aufstehen. Herr Bösel fragt sich wahrscheinlich schon, wo wir so lange bleiben.", sagt Alex. Und damit hat er recht, denn eine Minute später kommt Jonas aus der Klasse. "Herr Bösel hat mich geschickt, um euch beiden wiederzuholen.", sagt Jonas. Doch jetzt betrachtet er mich ein bisschen näher und fragt: "Was ist denn passiert, Laura?" Ich wische mir kurz meine Tränen aus dem Gesicht, aber Jonas ist es natürlich schon aufgefallen, dass ich geweint habe. Trotzdem sage ich: "Gar nichts. Es war überhaupt nichts. Ich geh jetzt zurück in unseren Klassenraum. Kommst du mit, Alex??" "Natürlich, Schatz.", sagt dieser.
Wir gehen in den Klassenraum, wo wir schon von Herrn Bösel erwartet werden. Wir haben eine ganze Menge des Unterrichtes verpasst, weswegen wir uns die Notizen von anderen Mitschülern leihen. 10 Minuten später klingelt die Schulglocke zur nächsten Pause und wir verlassen den Klassenraum.

Warum ist es so schwer zu lieben?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt