Prolog

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Chemie.

Das langweiligste Fach der Welt, wie Linda fand.

Die Lehrerin redete gerade über Sauerstoffderivate. Während sich ihr Gehirn langsam zu verflüssigen begann, spielten die weniger intelligenten Mitglieder der Klasse lautstark das Penis-Spiel, wofür sich die kleine, dürre Frau vor der Tafel absolut nicht interessierte.

Lindas Kopf, den sie mit einer Hand stützte, sank langsam auf die Bank. 'Heute ist Donnerstag, nur noch morgen und dann ist Wochenende; du schaffst das!', dachte sie sich und seufzte. Sie richtete ihren Blick auf die Tafel und stellte fest, dass sie absolut nichts verstand.

Alicia stupste ihre beste Freundin an. "Hey, was heißt das Wort unter Butansäure?" Linda starrte weiter angestrengt mit leicht geöffnetem Mund und gerunzelter Stirn nach vorn. "Linda!", flüsterte Alicia laut und stieß ihrer Banknachbarin den Ellenbogen in die Rippen. "Aua", murrte Linda und rieb sich die Seite, "Was?" "Was steht da unter Butansäure? Die Trulla schreibt so verdammt klein." "Auch bekannt als Buttersäure..."

Sie legte ihren Kopf zurück auf die Bank und lauschte konzentriert den 'Penis!'-Rufen von der anderen Seite des Chemieraumes.

Im weiteren Verlauf des Tages passierten genauso viele spannende Dinge wie im Chemieunterricht.

Im Matheunterricht hatte sie stark gegen die Müdigkeit gekämpft, weswegen sie einmal mit dem Kopf auf die Bank geknallt war und infolge dessen an der Tafel eine Aufgabe vorrechnen musste, wobei sie kläglich versagte.

Als Linda zu Hause ankam, warf sie ihren Rucksack neben ihren Schreibtisch und ließ sich aufs Bett fallen. "Was für ein scheiß Tag", dachte sie sich und schloss die Augen.

Sie blickte auf und sah auf die Uhr. Es war mittlerweile viertel vor vier und ihr wuscheliger Hund, Mika, stand winselnd vor ihr. "Oh nein, wir waren ja noch gar nicht Gassi, komm Baby!", sagte Linda und stand schnell auf. Sie ging mit zügigen Schritten Mikas Leine holen und legte sie ihm an.  Dann eilte sie zurück in ihr Zimmer, wo sie aus  dem Fenster sah, um festzustellen, dass es nieselte. "Na super!", murmelte sie zu sich selbst und zog einen Kapuzenpullover und ihre Lieblingsgummistiefel an.

Als die Haustür aufging, zog Mika sein Frauchen an der Leine nach draußen. "Hund!", ermahnte sie den Mischlingsrüden, der sie jetzt erwartungsvoll anschaute. Linda schaute nach oben an den wolkenbehangenen Himmel und schlenderte die Straße Richtung Park hinunter; hier und da blieb sie stehen, um Mika schnüffeln zu lassen.

Die Gassen des Viertels waren gähnend leer. Normalerweise traf man immer auf andere Hundehalter, doch heute war alles still. "Bei dem Wetter verständlich.", dachte sich Linda und seufzte.

Als sie endlich auf der weiten Grünfläche ankamen, entledigte Linda ihren Vierbeiner der Leine und er rannte los. Eine Weile beobachtete sie ihn, wie er im Zickzack durch das nasse Gras flitzte, auf der Suche nach einem Stock oder etwas anderem, womit man spielen konnte. Das Mädchen ließ ihren Blick in die vom Nebel verschwommenen, weiter entfernten Bereiche der Parkanlage schweifen. Plötzlich stutzte sie. "Da steht doch jemand!", zischte sie und pfiff Mika zu sich. Er hatte einen riesigen Ast im Maul und schleppte ihn in ihre Richtung. Sie schnaubte belustigt und schaute zurück zu dem Punkt, an dem sie schemenhaft die Gestalt eines gebückt stehenden Mannes gehen hatte. Doch da war niemand mehr. Sie runzelte die Stirn und inspizierte erneut ihre Umgebung. Sie fühlte sich auf einmal beobachtet.

Schnell nahm sie Mika an die Leine, schaute sich ein Letztes Mal um und eilte durch die Stadt nach Hause.

Vor der Tür angekommen, kramte sie ihren Schüssel heraus. Ihre Hände zitterten stark und das kalte Metall glitt ihr durch die Finger. Nervös drehte sie sich um und sah ein alte Frau, die hastig von der Gardine verschwand, als Lindas Blick ihren traf. 

Als sie die Wohnungstür aufschloss, rief sie laut: "Hallo!", erwartend, dass jemand zurückgrüßen würde. Es dämmerte mittlerweile und ihre Mutter hätte schon längst hier sein sollen. "Hallo!?", wiederholte sie ihren Ruf, doch auch diesmal antwortete niemand. Linda kontrollierte jeden Raum, doch auch hier war niemand zu finden. Sie war anscheinend allein. "Hm, sie hat bestimmt einfach nur die Schicht einer Kollegin übernommen und kommt deshalb später.", dachte sie bei sich und zog sich bequemere Sachen an. Mika rubbelte sie mit einem Handtuch trocken.

Nach ein paar Folgen irgendeiner Serie auf Netflix überlegte sie, was sie sich zum Abendessen kochen sollte. Linda stand vom Sofa auf und ging in die Vorratskammer. Sie nahm sich eine Konservendose aus dem Regal und verließ den Raum. In der Küche schüttete sie den Inhalt der Dose auf einen Teller und schob ihn in die Mikrowelle. Währenddessen das Essen warm wurde, ließ sie Mika nochmal in den Hof, wo er sich vor dem Schlafengehen erleichtern konnte.

Als das Gerät endlich bimmelte, um zu zeigen, dass die Ravioli fertig waren, nahm sich Linda voller Vorfreude einen Löffel aus der Schublade und verbrannte sich erstmal die Finger an dem heißen Teller. 

Sie setzte sich an den Tisch, wobei sie auf dem Weg dorthin fast über Mika gefallen wäre, und schlang schleunigst die Ravioli hinunter. Ravioli waren ihr Lieblingsgericht.

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Virus M137 (PAUSIERT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt